Hallo Kel,
Das ist etwas, was ich nicht verstehe. Warum ist das so? Kann
der eine Lehrer so erklären, dass es nicht als schwierig
erscheint und er andere eben nicht?
Nicht jeder Mensch ist, was die pädagogische Seite betrifft, begabt. Dass man selbst auf einem Gebiet kompetent ist, bedeutet nicht, dass man in der Lage ist, dies anderen in verständlicher Weise rüberzubringen. Das sehe ich gerade an meinem Mathedozenten - in der Vorlesung verstehen wir kaum ein Wort. Wenn ich mir das Thema aber zu Hause in einem Buch durchlese, merke ich, wie simpel es doch eigentlich ist. Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?
Hinzu kommt, dass nicht alle Schüler auf ein- und dieselbe Unterrichtsweise gleich ansprechen. Ich hatte mal einen Physiklehrer, der hat super lockeren Unterricht gemacht, bei dem so ziemlich alle Jungs sehr gut mitgekommen sind. Es war jedoch ein auffällig tiefer Graben, was das Physikverständnis der Jungs und der Mädels anging. Einmal habe ich mich gemeldet, weil ich etwas nicht verstanden hatte. Der Lehrer erklärte es mir mehrmals, aber seine Erklärungen erreichten mich einfach nicht. Ich kann es nicht mit Worten beschreiben - seine Erklärungen waren für mich unverständlich und hatten (in meinen Augen) nichts mit meiner Frage zu tun. Offensichtlich ging es da meinen (männlichen) Mitschülern aber anders.
Oder ist es wirklich nur
diese Willkür die ich bei meinem ehemaligen Physiklehrer
erleben durfte („Ich will keine Mädchen in meinem
Physikkurs!“)?
So offensichtlich sagt das kaum jemand, das ist wirklich sonderbar. Aber es stimmt mit meiner Erfahrung überein. Meine Mathelehrerin hat Mädchen nur bei simplen Aufgaben drangenommen (wenn wir uns nicht gemeldet haben), deren Lösung offensichtlich war und bei denen ich mir schon blöd vorkam, so etwas überhaupt zu beantworten. Die schwierigen Aufgaben im Unterricht bekamen die Jungs. Ich bin mir jedoch sicher, dass sie dies nicht aus Absicht tat, vielleicht hatte sie ja Angst, den Mädchen (die ja angeblich immer so schlecht in Mathe sind) ihren Rest an Selbstvertrauen in diesem Fach zu rauben. Aber vermutlich konnte sie ihr Verhalten gar nicht in dem Maße reflektieren.
Meiner Ansicht nach bringt es wenig, die Schüler mit zu
einfachen Dingen zu konfrontieren, das merken die spätestens
nachdem sie die Schule verlassen haben bzw. sie in der
Oberstufe auf zu schwierigen Stoff treffen.
Warum denn eigentlich nicht? Sollte man nicht von leicht nach
schwer arbeiten?
Ich empfinde es noch heute als schlimm, in der Grundschule stark unterfordert gewesen zu sein. In dieser so wichtigen Phase lernen viele Schüler das Lernen nicht, weil einem dort alles leicht fällt und man sich nicht anstrengen muss. Kommen die Schüler dann aufs Gymnasium, wundern sie sich über die plötzlich so schlechten Noten. Bei manchen Schülern ist dann der Zug jedoch schon abgefahren, sie sind es nicht gewohnt, für gute Noten etwas zu tun. Unterforderung kann also viel Schaden anrichten und im schlimmsten Fall dazu führen, dass Begabungen von Kindern unausgeprägt bleiben.
Wenn du aber schon direkt vom Gymnasium sprichst - ich finde es gut, die Schüler schon vor dem Abitur zu fördern und ihnen genügend Stoff beizubringen. Es ist nicht Sinn der Sache, dass die Schüler im Abitur (oder spätestens später im Studium) merken, dass sie aus einer Schonungshaltung der Lehrer heraus erhebliche Wissenslücken haben, welche sie - zusätzlich zu dem neuen Stoff - selbstständig schließen müssen. Gerade dies kann zu Leistungen führen, die unter der Begabung der Lernenden liegen sowie erhebliche Selbstzweifel hervorrufen.
Meine Mathelehrerin hat es gut verstanden, zu fördern und zu fordern. Man muss dazu sagen, dass wir gerade in Mathe eine sehr inhomogene Gruppe waren. Einerseits gab es auf unserer Mathe-Profilschule einige „Mathegenies“, die erfolgreich an Matheolympiaden teilnahmen und sich auch in ihrer Freizeit mit Mathe beschäftigten. Andererseits gab es jedoch auch „Normalos“ und sogar welche, die mit Mathe nicht viel am Hut hatten. Die Lehrerin hat im Unterricht bewusst schwierige Aufgaben gestellt, manchmal auch zwei Aufgaben von unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad und die Schüler konnten sich selbst aussuchen, welche sie lösen wollen. Zugegeben, ich hatte dabei nicht nur Erfolgserlebnisse und in der 11. Klasse hat sie es mit dem Schwierigkeitsgrad etwas übertrieben, da hielt ich mich schon für matheunbegabt. Aber die Klausuren und Tests waren im Vergleich zum Unterrichtsniveau fast schon lächerlich, die habe ich locker geschafft und das gab mir immer wieder die Bestätigung, doch nicht hinter den Anforderungen zurückzubleiben. Und prinzipiell halte ich es noch immer für den richtigen Weg, im Unterricht schwierigere Aufgabenstellungen zu besprechen als die, welche in der Prüfung auf einen zukommen - so ist man auf die Prüfung gut vorbereitet und hat mit jeder Prüfung ein (manchmal unerwartetes) Erfolgserlebnis sowie eine gute Note.
Wäre doch immernoch besser als gleich zu
Beginn jegliches Vertrauen in das eigene Können zu verlieren.
Wenn dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt ist, man also wirklich unbegabt in diesem Bereich ist, dann sage ich - lieber ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende. Es ist besser, ein Schüler merkt das früh genug und zieht daraus schon früh Konsequenzen (ob dies nun Nachhilfeunterricht, verstärktes selbstständiges Arbeiten zu Hause oder aber gar ein Schulwechsel ist, hängt vom Einzelfall ab).
Komischerweise hab ich die Sachen dann verstanden
als ich vor meiner Abiprüfung alles nochmal von Vorne gelernt
habe…ohne auf die Dinge einzugehen, die meine Lehrerin von
sich gegeben hatte.
Wie gesagt, nicht jeder Lehrer ist pädagogisch wirklich gut.
Schüler, die nicht mitkommen sind nicht unbedingt faul oder
dumm. Vielleicht passt einfach der Lehrstil auch nicht.
Natürlich gibt es viele Gründe. Aber einer der Gründe kann eben auch die Faulheit sein. So habe ich auch Aragons Aussage verstanden.
Deswegen mit einer schlechten Note zu „strafen“ ist wirklich
ein sehr eigenartiges Verhalten. Sollte man nicht ehr die
Ursachen für das „Versagen“ herausfinden?
Ja, klar. Aber wenn die Ursache Faulheit oder mangelnde Begabung ist, sollte man sich Konsequenzen überlegen, anstatt immer nur die Lehrkraft in die Pflicht zu nehmen. Natürlich kann es jedoch auch umgekehrt sein, dass der Lehrer „unfähig“ ist, das will ich gar nicht abstreiten.
Grüße,
Anja