Hallo M!aren,
also, aus jahrelanger Erfahrung als Mathe-Nachhilfelehrerin kann ich sagen: die wenigsten sind Mathegenies …
Eine Ferndiagnose ist natürlich schwierig, und es kann sich lohnen, solche Dinge wie neurologische Probleme und Dyskalkulie abklären zu lassen. Aber meine Vermutung ist erst mal: man hat Deiner Tochter in der Schule nur beigebracht, WIE man rechnet, aber nicht WARUM. Gerade diese „in die falsche Richtung rechnen“ spricht m.E. dafür, dass sie wild drauflosrechnet, ohne zu wissen, wo sie steht und wo sie hinwill, sozusagen. Ich bringe meinen Nachhilfeschülern bei, vor allem bei Textaufgaben so vorzugehen:
- Die Frage durchlesen. Dann sich selbst fragen: Was wollen die eigentlich?
- Dann die Frage nochmal lesen. Dabei kann man die Zahlen ruhig erst mal weglassen bzw. durch „soundsoviel“ oder „blabla“ ersetzen. Die Zahlen sind erstmal nicht wichtig und lenken nur von der INHALTLICHEN Frage ab. Dann wieder fragen: Also WAS wollen sie wissen? Wenn man das immer noch nicht beantworten kann, die Frage NOCHMAL lesen, usw. Erst, wenn klar ist, was eigentlich GRUNDSÄTZLICH gefragt ist, kann man weitermachen.
- Alles aufschreiben, was man weiß. Dabei ist es egal, ob man das für die Rechnung braucht oder nicht (wobei in der 5. Klasse eh nur das angegeben wird, was man auch braucht - aber das ändert sich später). Alternativ kann man es auch im Text unterstreichen.
- Eventuell eine Zeichnung machen. Je nach Kind kann das dabei helfen, sich nochmal zu vergegenwärtigen, was gegeben und was gesucht ist.
- Jetzt rechnen. Und der Hinweis mit dem „alles schriftlich machen, auch Nebenrechnungen“ (der ja schon kam), ist absolut richtig. Viele meiner Schüler glauben nur, sie hätten im Kopf richtig gerechnet … Davon abgesehen hat es den Vorteil, dass es so auch für den Lehrer nachvollziehbar wird. Sieht der Lehrer, dass der Rechenweg stimmt, aber das Kind irgendwo 3*4=10 gerechnet hat, kann er noch Punkte geben, obwohl das Ergebnis falsch ist.
- Die Antwort überprüfen, d.h. mit der Frage gegenchecken. Ist das überhaupt sinnvoll, plausibel und wahrscheinlich, was ich da rausbekommen habe? Kann es sein, dass der Bauer die Hälfte seiner Kartoffeln verkauft hat und jetzt mehr hat als zu Beginn? Wie kann es sein, dass nach Geld gefragt wurde und ich Kartoffeln rausgekriegt habe? Das ist auch GANZ WICHTIG.
Wie gesagt, das bringe ich meinen Schülern so bei. Und ich bestehe darauf, dass sie sich daran halten bzw. weise sie immer wieder darauf hin, auch wenn sie sich schon sicherer fühlen und am liebsten drei Schritte auf einmal machen wollen.
Ein professioneller Nachhilfelehrer kann helfen, aber nur, wenn Du ihn Dir sorgfältig aussuchst. Vor allem sollte er Deiner Tochter den Spaß an Mathematik vermitteln und nicht einfach zu einer weiteren Mathestunde kommen (die vielleicht in der Schule schon nervt, aber in der Freizeit sicherlich doppelt). Wenn die eigenen Eltern zu Nachhilfelehrern werden, hat das unwahrscheinliches Konfliktpotential … ist ein schmaler Grat zwischen „bei den Hausaufgaben helfen“ und „zum Lehrer (=Feindbild bei vielen Kindern) werden“.
Vielleicht ist Deiner Tochter die Mathematik auch einfach egal. Es ist ihr nicht wichtig, ob da nun 12 Orangen oder 17 rauskommen. Dann könnte es helfen zu versuchen, Mathematik spielerisch in den Alltag einzubauen, um ihr zu vermitteln: hey, das kann man wirklich brauchen! Ausserdem kann es Spaß machen, zum Beispiel im Supermarkt schon vor der Kasse zu schätzen, wieviel man bezahlen muss, indem man ungefähre Preise addiert und dann den Bon für den Flaschenpfand subtrahiert etc. Oder vielleicht findest Du auch ein Buch mit Knobelaufgaben für 10jährige, und kannst Dich zusammen mit Deiner Tochter daran machen. Zum Beispiel gibt’s da das hier: ISBN 3423620153 Buch anschauen (und ich kenne den Autor persönlich, der ist klasse!)
Viel Glück für Euch beide wünscht
Sibylle aus M