Hallo,
Wie nimmt man deutsche Langzeitarbeitslose, die bislang auch umschulungsresistent waren und Zuwanderer mittleren Alters, die vielleicht bisher 20 oder 30 Jahre als Schafhirten in Karstgebieten ohne Schreib- und Lesekenntnisse gut zurecht gekommen waren, mit auf dem Weg in die Digitalisierung des Jobmarktes?
Gruß
rakete
definier du mal „Digitalisierung“
…„meine“ „Digitalisierung“ läuft schon seit 1984…damals hab ich meine Lehre angefangen und die Schlagwörter waren CAD/CAM…
Man schenkt ihnen ein Smartphone mit Datenflatrate und wertet nach 3 Monaten das Aktivitätenprotokoll aus.
Aber warum Digitalisierung?
Das Handwerk in Deutschland sucht händeringend Auszubildende.
na weil man ohne Smartphone keinen Traps mehr reinigen kann oder ne Sicherung wieder einschalten kann!
Mann bist du hinterm Mond
Ach deshalb tippern die Azubis den halben Arbeitstag auf dem Smartphone rum…
rischtick…
die machen nen Bild von nem LSS und googeln wat se machen sollen…
…und wenn se nen verstopften Traps haben sprechense in ihr Smartphon:
„Siri: mach den Abfluß frei!“
hahahha
Servus,
da sind die schon längst angekommen. Nur noch die BAA glaubt, der Jobmarkt würde mit Zetteln aus grauem Klopapier mit oder ohne Rechtsbehelfsbelehrung funktionieren.
Lustigerweise hat diese auch eine Datenbank für den Jobmarkt entwickelt, die inzwischen ganz ordentlich funktioniert, aber vergessen, für diese immerhin beachtliche Leistung auch genügend Reklame zu machen. In der berühmten „freien Wirtschaft“ würde das nicht passieren, dass ein Aktör dafür sorgt, dass alle relevanten Informationen auf einem Markt digital ausgetauscht werden, aber nicht dafür, dass Du das auch mitkriegst: Da gehört Trommeln zum Geschäft - wenn eine Behörde sowas macht, geht das eher im Stillen vor sich.
Übrigens: Arganöl aus der Sahara in Südwest-Marokko, Kaffee aus Harar und Schafe aus Mali werden heute online gehandelt - die Schafhirten in Karstgebieten sind eher in deutschen Bildberbüchern beheimatet.
Viel schwieriger ist es, z.B. Latinos aus der Karibik nahezubringen, dass es einen Unterschied zwischen dem Original einer Urkunde und einer mit dem Handy angefertigten Fotografie davon gibt.
Schöne Grüße
MM
Aus meiner Erfahrung sage ich:
Das Smartphone wird nur zum Texten benutzt.
Das richtige Befüttern von Suchmaschinen klappt meistens schon nicht.
Ich brauchte mal die spez. Wärmekapazität von Wasser, am besten gleich in kWh/m³K.
„nicht zu finden“, verzweifelt der Azubi.
Ich zähle jetzt nicht auf, was die da eingetippt haben.
„Junge, was suchen wir denn?“
„Na, halt die spezielle Wärmemenge von Wasser…“
„JUNGE! Wir suchen eine Eigenschaft von Wasser. Jetzt tipp mal Wasser ein.“
„Ooookey???“
„Und wir suchen eine Wert, der mir was mit kg, K und kWh angibt. Los, eintippen!“
„Ach, hier, erster Treffer!“
Sowas gibt es?
Ja - die „Jobbörse“ der BAA ist viel besser geworden als in ihren Anfängen, und gemessen an der recht großen Anzahl unterschiedlicher Ausprägungen von Kriterien, nach denen das Teil filtern können muss, ‚eigentlich‘ sogar richtig gut. Noch 2006 schlug sie mir als ersten Treffer zielsicher eine Stelle als Zimmermädchen in ungefähr 420 km Entfernung von meinem Wohnort vor - daran ist heute nicht mehr zu denken. Die Schwachstellen heute sind, dass zu wenige Arbeitgeber das Teil mit ihren Ausschreibungen füttern und lieber teurere Wege wählen, und dass zu viele Profile von Arbeitssuchenden von BAA-Mitarbeitern verhunzt werden, die nicht so recht wissen, was sie damit überhaupt machen sollen - das kann man aber korrigieren, freilich nur, wenn man nicht mit der Grundhaltung ‚die sollen mal …‘ da drangeht.
Schöne Grüße
MM
und dort sollten sie z.B. als Kfz-Werkler in der Lage sein, einen Fehlerspeicher auszulesen und das Ergebnis zu interpretieren, oder als ex Gaswasserscheiße-Installateur eine Klimaanlage mit der richtigen Menge eines Kältemittels zu befüllen und dabei die wesentlichen Parameter zu berücksichtigen, die ihnen die digitale Monteurhilfe sagt.
Mit dem Drehmomentschlüssel alleine kommt man im Handwerk nicht mehr so endlos weit.
Schöne Grüße
MM
Achtung! Es folgt Sarkasmus!
Nee, wozu sollten sie die Ergebnisse interpretieren können?! Der Computer sagt ihnen doch recht genau, was zu machen ist. Zur Not tauscht man eben drei Tage lang Teile, bis man durch Zufall genau Hand an dem Punkt angelegt hat, an dem der Fehler auftrat.
/Sarkasmus Ende
Ich wäre ja schon froh, wenn ein durchschnittlicher Mechatroniker mit Multimeter und Stromzange umgehen könnte, wenn er dazu in der Lage wäre Schaltpläne zu lesen und selbständig zu denken.
Ich gebe jungen Menschen inzwischen häufiger den Tipp: lass das Studium sein und lerne einen Beruf mit Handwerk. In 10 Jahren wirst Du Dir als Klempner, Elektriker o.ä. eine goldene Nase verdienen.
Grüße
Pierre
Servus,
wird auch künftig wie heute Ausnahmefällen vorbehalten sein, aber ein auskömmliches Arbeiten dürfte mit solchen Berufen viel leichter möglich sein als mit einem Bätscheler in Medienkommunikation oder was sich da alles so tummelt.
Damit wird allerdings das romantische Bild vom Schafhirt in Karstgebieten, das r. in seiner Frage zeichnet, nicht realistischer - so wie seit 1990 die bundesdeutschen Techniker sich recht warm anziehen durften, als - grade im Zusammenhang Elektronik - recht gut qualifizierte Leute aus Polen und Rumänien auf den Arbeitsmarkt drängten, stehen die Leute mit einer klassischen Ausbildung als z.B. Betriebsschlosser heute in Konkurrenz mit keineswegs begriffsstutzigen Leuten aus Ländern, in denen traditionell auch Handwerker und Facharbeiter stärker theorielastig ausgebildet werden. Natürlich kommt man an dem großen Vorteil der deutschen, praxisbezogenen Berufsausbildung nicht so mal eben vorbei, aber der konstruierte Widerspruch ‚handwerkliche Kenntnisse und Fähigkeiten ./. Digitalisierung‘ bleibt dennoch schlagzeilenhaft und geht an der Wirklichkeit vorbei, genauso wie die Vorstellung, z.B. Paschtunen könnten sozusagen angeborenerweise nicht mit digitalen Instrumenten umgehen. Bevor es den Feinmechaniker gab, war es ein Riesenvorteil für einen Schlosser, wenn er mit einer Mikrometerschraube und mit einem Rechenschieber umgehen konnte, und die beweglicheren Schlosser eigneten sich das an, was nötig war, um eben nicht nur Türgitter zu machen, sondern auch Luftschiffmotoren - mutatis mutandis gilt heute nichts anderes. Das bedeutet freilich nicht, dass das berühmte freihändige Gewindefeilen wertlos wäre - man braucht auch im Umgang mit ‚nicht-virtuellen‘ Materialien eine ordentliche Portion Gewusst-Wie, das schließt sich aber nicht mit der berühmten Digitalisierung gegenseitig aus.
Wenn man mal vergleicht, was sich so an Hardware an deutschen Schulen und Berufsschulen tummelt und wie da andere europäische Länder ausgestattet sind, kommt die wichtige Konkurrenz, mit der man in D rechnen muss, allerdings nicht grade aus Belutschistan, sondern aus der unmittelbaren Nachbarschaft.
Schöne Grüße
MM
Hier sind allerdings auch die Berufsschulen und die Ausbildungsbetriebe gefragt: Sowas lässt sich wie vor fünfzig Jahren ganz gut lernen, wenn man eine hübsche grobgeschnitzte Leiterplatte und eine Schachtel mit Widerständen, Transistoren, Kondensatoren usw. vor sich auf dem Tisch und einen Lötkolben in der Hand hat. Damit die Junioren nicht müde abwinken, wenn sie solchen Oldschool-Prökel auch nur von weitem sehen, sind wohl ein paar Ideen nötig, um das denen schmackhaft zu machen („Bau eines Vintitsch-Radios“ oder sowas).
Schöne Grüße
MM
Ich denke schon, dass das das Alter und die Bildung eine gewisse Rolle spielt. Den Schafhirten bekommt man ebenso leicht oder schwer an den Arbeitsplatz-PC, wie einen IT-Spezialisten mit Diplom in einen Kuhstall etc.
Gruß
rakete
Servus,
die jungen Kuhhirten aus dem Atlas, die als Saisonniers in der CH auf den dortigen Alpen arbeiteten, solange der Arbeitsmarkt in der CH noch ziemlich strikt reglementiert war, benutzten in aller Selbstverständlichkeit Funktelefone, lange bevor das Wort „Handy“ erfunden wurde.
Für Hermes-Fahrer mit sparsameren Kenntnissen des lateinischen Alphabets (und was anderes als solche Bimbo-Jobs gibt es für Ali Durchschnitts-Zuwanderer sowieso nicht) ist es übrigens ein wahrer Segen, wenn sie die Adresse des nächsten Empfängers unmittelbar in das Navigationssystem ihres Autos einlesen können (wird sowas überhaupt schon gemacht, eigentlich?).
Und wenn Siri ihnen sagt, welchen Checkpunkt sie als nächstes ansteuern sollen und wie sie dort hinkommen, können auch solche deutschen Langzeitarbeitslosen als Nachtwächter eingesetzt werden, die bisher Schwierigkeiten hatten, solchen abstrakten Beschreibungen wie „Block C, Tor 3, zweite Ebene“ zu folgen.
So banale Sachen kommen dabei heraus, wenn man die Wortblase von der ‚Digitalisierung‘ (die beiläufig nichts besonders Neues ist - in der Textilindustrie werden z.B. digitale Steuerungen von Webstühlen seit 1805 eingesetzt, und vollautomatisch im Rechenzentrum erstellte und ausgedruckte Telefonrechnungen hast Du auch schon als Dreikäsehoch gesehen) auf ihren konkreten Inhalt eindampft.
Ach ja, und übrigens: Die Sonntagsredner von der „Digitalisierung“ vergessen gerne, dass Siri keinen Dekubitus sauberzupfen und auch keinen Katheterbeutel wechseln kann.
Schöne Grüße
MM