Mehrheitswille versus Minoritätenschutz

Hallo!

Angeregt durch die Diskussion, ob das schweizerische Verbot des Minarettbaus menschenrechtlich bedenklich sei, habe ich folgende Frage bzw. möchte ich zu folgender Diskussion anregen:

Die Demokratie, auf die wir uns ja immer so schön berufen, ist ja wohl im näheren Sinne als „Mehrheitsherrschaft“ zu bezeichnen, d.h. der Wille der Mehrheit ist (bzw. sollte sein, da es ja leider in sehr seltenen Fällen tatsächlich so ist…) der Wille der Regierung, die die Verwaltung des Staates mehr oder minder treuhändisch für das Volk (bzw. effektiv für den jeweiligen Mehrheitspart dieses Volkes) übernimmt, also nach dem Willen dieser Mehrheit zu verfahren hat.

Logischerweise kann eine Minorität, wie in diesem Falle die Muslime in der Schweiz, auf sich gestellt keine Mehrheit bilden; aus diesem Grunde gibt es zumindest in Europa weitreichende Gesetzgebungen zum Schutze der jeweils präsenten Minderheiten.

Wenn nun aber in einer wenigstens zum Teil direkten Demokratie wie der Schweiz, in der für die Regierung bindende Referenden durch die Verfassung garantiert sind, dieses verfassungsmäßige Recht dem ebenfalls verfassungsmäßigen Minderheitenschutz entgegensteht, auf welcher Grundlage erfolgt dann die Entscheidung, welches Recht nun „bindender“ ist?

Nach meinem Dafürhalten kann in einem solchen Falle auf die Minderheiten keine Rücksicht genommen werden, da eine Demokratie nunmal auf Mehrheitsbeschlüssen fußt und es diese Demokratie ad absurdum führte, könnte die muslimische Minderheit nun ihrerseits diese Mehrheit quasi ignorieren - spricht das nicht dem Souverän eines demokratischen Staates, dem Volk (bzw. dem durch Mehrheitsbeschluss ausgedrückten Volkswillen), die Mündigkeit ab?

In diesem Falle kann es doch wohl nur den einen Maßstab des Mehrheitswillens geben, da man, wertete man die Rechte der Minderheit nun stärker, die Rechte der Mehrheit gleichermaßen beschnitte, man sich also nur zwischen den beiden Extremen, keineswegs aber zu einem Kompromiss entschließen könnte, da selbiger unweigerlich der Status Quo wäre, den zu verändern überhaupt der Ursprung des Referendums war!

Was sagt ihr dazu und wie seht ihr die ganze Sache?

Wenn nun aber in einer wenigstens zum Teil direkten Demokratie
wie der Schweiz, in der für die Regierung bindende Referenden
durch die Verfassung garantiert sind, dieses verfassungsmäßige
Recht dem ebenfalls verfassungsmäßigen Minderheitenschutz
entgegensteht, auf welcher Grundlage erfolgt dann die
Entscheidung, welches Recht nun „bindender“ ist?

Die Vorgaben der Verfassung.

Nach meinem Dafürhalten kann in einem solchen Falle auf die
Minderheiten keine Rücksicht genommen werden, da eine
Demokratie nunmal auf Mehrheitsbeschlüssen fußt und es diese
Demokratie ad absurdum führte,

Nein, wenn auf Minderheiten keine Rücksicht genommen wird, wird eine Demokratie ad absurdum geführt.
In diesem Fall deshalb, weil auch der Souverän des Volkes keine unbeschränkte Macht hat - auch das Volk hat sich an Regeln zu halten und hat dementsprechend wie auch eine Regierung in einer Demokratie immer nur beschränkte Macht. Zudem sind Menschenrechte nichts, über das man hier in Europa noch diskutieren kann, denn sie sind mindestens Völkergewohnheitsrecht, in der Schweiz aber auch dirch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert. Da kann ein Volk soviel abstimmen, wie es will.
Anderes, evtl. greifbareres Beispiel: Ich schaffe es mit Sicherheit eine Mehrheit für die Abschaffung von Steuern auf die Beine zu stellen. Blöd nur, dass das den Staat an sich handlungsunfähig machen würde, deswegen funktioniert das nicht - auch nicht in der Schweiz.

Das Problem bei Volksabstimmungen ist die Möglichkeit mit einfacher Propaganda Meinungen zu beeinflussen.
Weiterhin muss der Wähler an sich gar keine Meinung haben oder sich mit einem Thema befassen. Es reicht wenn er sich an der Abstimmung beteiligt und das Kreuz an der „richtigen“ Stelle macht. Wie schaffe ich das? Indem ich mit Ängsten spiele - wie in der Schweiz passiert.
Volksabstimmungen können ein interessanter und wirkungsvoller Aspekt einer Demokratie sein, aber auch sie müssen einer Kontrolle unterliegen, wenn das Volk neben Judikative, Exekutive und Legislative Politik aktiv mitgestalten will.

Gruß Andreas

Hallo!

Die Demokratie, auf die wir uns ja immer so schön berufen, ist
ja wohl im näheren Sinne als „Mehrheitsherrschaft“ zu
bezeichnen

Die Demokratie als „Mehrheitsherrschaft“ zu bezeichnen, ist eine sehr vereinfachte Betrachtungsweise, die nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig ist. Das beginnt schon bei der Frage, was denn nun eigentlich die „Mehrheit des Volkes“ ist. Betrachtet man die Vereinigten Staaten von Amerika, stellt man fest: Lange Zeit bedeutete „die Mehrheit des Volkes“ dort „die Mehrheit der weißen Männer“ - nichtsdestotrotz war das politische System dort demokratisch und nicht monarchistisch oder diktatorisch. Auch in unserer modernen Zeit ist die „Mehrheit des Volkes“ in den meisten Staaten eingeschränkt - zum Beispiel durch die Vorschrift, sich erst ab dem 18. oder 21. Geburtstag an Wahlen beteiligen zu dürfen. Ganz zu schweigen von den Staatsbürgergesetzen, in denen festgelegt wird, wer überhaupt Bürger dieses Staates ist. Hier gibt es in verschiedenen Demokratien ganz unterschiedliche Ansätze.

Die Mehrheitsentscheidung ist auch nur EIN Wesenszug moderner Demokratien - andere sind die Gewaltenteilung und das Rechtstaatsprinzip. Das bedeutet zum Beispiel, das weder die Mehrheit noch deren Vertreter die richterliche Unabhängigkeit antasten können. In vielen Verfassungen - auch dem Grundsgesetz - gibt es Paragraphen, die auch durch eine Mehrheitsentscheidung nicht abgeschafft werden können: Dazu gehören die Freiheitsrechte der Bürger und die Menschenrechte. Und nicht zuletzt ist verankert, daß die Demokratie sich nicht selbst abschaffen kann, auch nicht per Mehrheitsbreschluß.

Eine „Demokratie“ ist also, ungeachtet ihres Namens, keine absolutistische Herrschaft der Mehrheit. In einer Demokratie ist die absolute Macht immer beschränkt, damit der Einzelne vor Machtmissbrauch geschützt ist. Das gilt auch für die Macht der Mehrheit.

Gruß,
Max

Die Demokratie als „Mehrheitsherrschaft“ zu bezeichnen, ist
eine sehr vereinfachte Betrachtungsweise, die nicht ganz
falsch, aber auch nicht ganz richtig ist.

Abgesehen davon, dass ich deinem Text insgesamt auch leicht einfach nur beipflichten könnte, lieber Denker, möchte ich hier (mit einiger Spitzfindigkeit) festhalten, dass die Reduktion der Demokratie auf die „Mehrheitsherrschaft“ schlichtweg falsch ist, und nicht einmal teilweise richtig.
Diese Reduktion ist aus meiner Sicht dezidiert anti-demokratisch.

Man könnte das wohl auf unterschiedliche Weisen durchdeklinieren, ich möchte das hier nur kurz begriffsanalytisch anreißen.
Demo-kratie heißt ja nun mal die „Herrschaft des Volkes (= ganzes Volk)“, und heißt damit definitiv nicht: „Herrschaft der Mehrheit“ (= Teil des Volkes).

Grund- und Vorzug der Demokratie ist von jeher die Reflexivität gewesen, also die Identität von Herrschendem und Beherrschtem: das Volk herrscht über sich selbst (Aristoteles’ grundsätzliche Definition der Demokratie: Alle herrschen über jeden und jeder … über alle).
Diese Reflexivität fehlt bei der „Mehrheitsherrschaft“ über die Minderheit. Sie unterscheidet sich daher in diesem wesentlichen Punkt der Identität von Herrschendem und Beherrschtem nicht von Monarchie und Aristokratie.

Das beginnt schon
bei der Frage, was denn nun eigentlich die „Mehrheit des
Volkes“ ist.

Das halte ich nicht für das grunsätzliche Problem, sondern nur für ein Umsetzungsproblem. Akzidenz.

Die Mehrheitsentscheidung ist auch nur EIN Wesenszug moderner
Demokratien

Sehe ich anders. Sobald die Mehrheitsentscheindung zu nur EINEM Wesenszug der Demokratie geworden ist, dann kann man gar nicht mehr sinnvoll von Demokratie sprechen, und zwar rein vom Begriff her schon nicht mehr.

Eine „Demokratie“ ist also, ungeachtet ihres Namens , keine
absolutistische Herrschaft der Mehrheit.

gerade ihrem Namen nach ist sie das nicht.

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Lieber Candide!

Diese Reduktion ist aus meiner Sicht dezidiert
anti-demokratisch.

Man könnte das wohl auf unterschiedliche Weisen
durchdeklinieren, ich möchte das hier nur kurz
begriffsanalytisch anreißen.
Demo-kratie heißt ja nun mal die „Herrschaft des Volkes (=
ganzes Volk)“, und heißt damit definitiv nicht:
„Herrschaft der Mehrheit“ (= Teil des Volkes).

Ochlokratie bedeutet wörtlich: Herrschaft des Pöbels. :wink:
Für Platon kann nur die Alleinherrschaft eines
Philosophenkönigs die Aufhebung der Gesetzlosigkeit
(Sowohl Tyrannis, Oligarchie als auch Ochlokratie
zeichnen sich durch Gesetzlosigkeit aus)
und die Gerechtigkeit als höchsten Zweck politischer
Herrschaft garantieren!
Nix da mit deiner Demokratie! *smile*
Ein Philosophenkönig muss her! Gibs endlich zu!

Schmunzelnde Grüße
Powenz

Hallo!

Grund- und Vorzug der Demokratie ist von jeher die
Reflexivität gewesen, also die Identität von Herrschendem und
Beherrschtem: das Volk herrscht über sich selbst

Wobei ich immer noch der Ansicht bin, daß diese Reflexivität auch in modernen Demokratien eingeschränkt ist durch die Einteilung des Volkes in mündige und unmündige. :smile: Hinzu kommt, daß man natürlich auch über den Begriff der „Herrschaft“ diskutieren kann: Selbst in direkten Demokratien besteht nur in wenigen Punkten direkte Herrschaft. „Herrscht“ wirklich das Volk über sich selbst, wenn es alle vier Jahre bestimmt, wer „Volksvertreter“ wird?

Spitzfindig würde ich also sagen: Demokratie ist auch keine Volksherrschaft, sondern eine Staatsform, in der das Volk bestimmt, wer herrschen darf, und sich dieser Herrscher jederzeit wieder entledigen kann. Popper formuliert das irgendwo so ähnlich, ich weiß aber nicht mehr genau, ob in der „Offenen Gesellschaft“ oder in einem kürzeren Essay.

Sehe ich anders. Sobald die Mehrheitsentscheindung zu nur
EINEM Wesenszug der Demokratie geworden ist, dann kann man gar
nicht mehr sinnvoll von Demokratie sprechen, und zwar rein vom
Begriff her schon nicht mehr.

Tastsache ist aber doch, daß in modernen Demokratien Mehrheitsentscheidungen einme wichtige, um nicht zu sagen prägende Rolle spielen als ein Instrument, sich dieser Reflexivität anzunähern. Würdest Du hier nicht mehr von Demokratie sprechen?

Wobei die Diskussion darüber, ob das der richtige Begriff ist, müßig ist (auch darin folge ich Popper). Ich kann meine Aussage auch dahingehend umformulieren, daß ich schreibe: „Mehrheitsentscheidungen sind ein Wesenszug jener Staatsform, die in vielen modernen Staaten momentan verwirklicht ist, und die in der Regel Demokratie genannt wird.“ :smile:

Liebe Grüße,
Max

Hallo!

Grund- und Vorzug der Demokratie ist von jeher die
Reflexivität gewesen, also die Identität von Herrschendem und
Beherrschtem: das Volk herrscht über sich selbst

Wobei ich immer noch der Ansicht bin, daß diese Reflexivität
auch in modernen Demokratien eingeschränkt ist durch die
Einteilung des Volkes in mündige und unmündige.

Unbestritten ist sie das, aber nur die Demokratie erhebt überhaupt einen Anspruch darauf (zuallererst eben schon im Begriff selbst). Entsprechend muss man sie auch da kritisieren, wo sie dem eigenen Anspruch/Begriff nicht gerecht wird.

Spitzfindig würde ich also sagen: Demokratie ist auch keine
Volksherrschaft, sondern eine Staatsform, in der das Volk
bestimmt, wer herrschen darf, und sich dieser Herrscher
jederzeit wieder entledigen kann.

Ok, aber der Knackpunkt der Ausgangsfrage ist ja nicht die Frage der Herrschaft, sondern es ist die Spannung zwischen „Volk“ und „Mehrheit“ bzw. einem Ganzen und seinem Teil.

Tastsache ist aber doch, daß in modernen Demokratien
Mehrheitsentscheidungen einme wichtige, um nicht zu sagen
prägende Rolle spielen als ein Instrument, sich dieser
Reflexivität anzunähern. Würdest Du hier nicht mehr von
Demokratie sprechen?

Mir geht es weniger um Mehrheitsentscheidungen selbst (dass die zur Demokratie gehören ist ja gar keine Frage), sondern damit, wie mit diesem „Rest“ umgegangen wird, der zwischen Volk und Mehrheit auf der Strecke bleibt. Der angesprochene „Minoritätenschutz“ eben, der so oft absurderweise als Einschränkung der Demokratie begriffen wird anstatt als deren Konstitutivum.

Um direkt zu antworten: diejenigen, die Demokratie auf den Mehrheitswillen reduzieren wollen, denen spreche ich es ab, Demokraten zu sein.

Wobei die Diskussion darüber, ob das der richtige Begriff ist,
müßig ist (auch darin folge ich Popper).

Diese Kritik an der Volksherrschaft, die auf der Nichtübereinstimmung von Begriff (Volk) und Sache (Mehrheit) aufbaut, finde ich unverzichtbar.

Popper war noch nie ein guter Dialektiker :wink:

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Demo-kratie heißt ja nun mal die „Herrschaft des Volkes (=
ganzes Volk)“, und heißt damit definitiv nicht:
„Herrschaft der Mehrheit“ (= Teil des Volkes).

Ochlokratie bedeutet wörtlich: Herrschaft des Pöbels. :wink:

Naja, lieber Powenz, Mehrheit ist ja nicht zwingend gleich Pöbel, aber eben zwingend un-Ganz.

Für Platon kann nur die Alleinherrschaft eines
Philosophenkönigs die Aufhebung der Gesetzlosigkeit

Das einzige, was ich gern von Platon übernehmen würde, das ist die Weibergemeinschaft’ :wink:

Nix da mit deiner Demokratie! *smile*
Ein Philosophenkönig muss her! Gibs endlich zu!

:wink:

So ein Philosophenkönig, und noch der ‚wohlwollendste‘, das wäre ja -um einen Moment ernst zu sein- gleich noch viel weiter von meinem Ideal der ‚Vielstimmigkeit‘ entfernt.

Wollte Platon nicht die Dur-Tonleiter abschaffen, wenn ich richtig erinnere? Das ist sogar noch bescheuerter als das Minarett-Verbot … q.e.d.

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Ochlokratie bedeutet wörtlich: Herrschaft des Pöbels. :wink:

Naja, lieber Powenz, Mehrheit ist ja nicht zwingend gleich
Pöbel, aber eben zwingend un-Ganz.

Das mußt du mit Platon aushandeln:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ochlokratie

So ein Philosophenkönig, und noch der ‚wohlwollendste‘, das
wäre ja -um einen Moment ernst zu sein- gleich noch viel
weiter von meinem Ideal der ‚Vielstimmigkeit‘ entfernt.

Bleibt die Frage ob DEIN Ideal DAS Ideal ist, mein
Lieber! :smile:
Wenn diese „Vielstimmigkeit“ in einem vereint oder
komprimiert wäre, konjunktivisch gesehen, dann wäre
das doch effizienter, als dein Konglomerat oder nicht?

Gruß
Powenz

Lieber Powenz!

So ein Philosophenkönig, und noch der ‚wohlwollendste‘, das
wäre ja -um einen Moment ernst zu sein- gleich noch viel
weiter von meinem Ideal der ‚Vielstimmigkeit‘ entfernt.

Bleibt die Frage ob DEIN Ideal DAS Ideal ist, mein
Lieber! :smile:

Wenn ich vom Ideal der Vielstimmigkeit i.S. einer unaufhebbaren Pluralität sprach, dann verbietet es sich ja schon von selbst, dieses Ideal zu DEM Ideal zu machen. Der Widerspruch liegt auf der Hand.

Überhaupt weist du meinem Geschreibsel, so scheint es mir, mit Begriffen wie Ochlokratie und Philosophenkönig einen Weg, auf dem ich nicht einen Meter gehen möchte.
Ganz im Gegenteil zieht es mich eher in die Richtung einer Radikalen Demokratie, in dem Sinne verstanden, den Laclau/Mouffe in „Hegemonie und Radikale Demokratie“ 1985 grundlegend ausgearbeitet haben.
Meine Kritik des „Mehrheitswillen“ in den obigen Posts ist eben nicht als Demokratiekritik zu verstehen, sondern ganz im Gegenteil als Kritik der Hegemonie, also der falschen Aufhebung von Pluralität und der Ausmerzung des Anderen.

Wenn diese „Vielstimmigkeit“ in einem vereint oder
komprimiert wäre, konjunktivisch gesehen, dann wäre
das doch effizienter, als dein Konglomerat oder nicht?

Eine „vereinte“ Vielstimmigkeit wäre auch ganz unkonjunktivistisch gesehen kein Gewinn an Effizienz, sondern ein Verlust seiner selbst.

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Lieber Candide!

Wenn ich vom Ideal der Vielstimmigkeit i.S. einer
unaufhebbaren Pluralität sprach, dann verbietet es sich ja
schon von selbst, dieses Ideal zu DEM Ideal zu machen. Der
Widerspruch liegt auf der Hand.

Glaubst du nicht, dass die evolvierenden Systeme
DAS Ideal entwickeln werden?

Überhaupt weist du meinem Geschreibsel, so scheint es mir, mit
Begriffen wie Ochlokratie und Philosophenkönig einen Weg, auf
dem ich nicht einen Meter gehen möchte.

Natürlich nicht, das habe ich auch nicht behauptet!
Ich wollte dich provokativ nur ein wenig aus deiner
Reserve locken.

Ganz im Gegenteil zieht es mich eher in die Richtung einer
Radikalen Demokratie, in dem Sinne verstanden, den
Laclau/Mouffe in „Hegemonie und Radikale Demokratie“ 1985
grundlegend ausgearbeitet haben.

Als intelektuelle oder pragmatisch installierbares
System?

Meine Kritik des „Mehrheitswillen“ in den obigen Posts ist
eben nicht als Demokratiekritik zu verstehen, sondern ganz im
Gegenteil als Kritik der Hegemonie, also der falschen
Aufhebung von Pluralität und der Ausmerzung des Anderen.

Hier wirst du auf den Widerstand der Vertreter der
Hegemonie treffen, wie willst du diese gegen ihren
Willen demokratisch radikalisieren?
Wie will man gegen die psychologisch-intrischische
Destruktivität bestehen?
Wie gegen neurotisches Machtbestreben. Im Widerstreit
zwischen Verstand und Gefühl siegt meistens das Gefühl.
Auch und gerade im Wohlmeinenden!

Eine „vereinte“ Vielstimmigkeit wäre auch ganz
unkonjunktivistisch gesehen kein Gewinn an Effizienz, sondern
ein Verlust seiner selbst.

Nicht wenn diese deiner zitierten Vielstimmigkeit
einerseits Raum und Freiheit zur individuellen
Interpretation läßt und andererseits den
zwangsläufig gegebenem Reibungsverlust der
vielstimmigen Aktionen aufhebt.

Gruß
Powenz

Wenn ich vom Ideal der Vielstimmigkeit i.S. einer
unaufhebbaren Pluralität sprach, dann verbietet es sich ja
schon von selbst, dieses Ideal zu DEM Ideal zu machen. Der
Widerspruch liegt auf der Hand.

Glaubst du nicht, dass die evolvierenden Systeme
DAS Ideal entwickeln werden?

Ein widerspruchsfreies Ideal, das dadurch nicht automatisch selbst seine Gegner hervorbringen würde? Nein.

Ganz im Gegenteil zieht es mich eher in die Richtung einer
Radikalen Demokratie, in dem Sinne verstanden, den
Laclau/Mouffe in „Hegemonie und Radikale Demokratie“ 1985
grundlegend ausgearbeitet haben.

Als intelektuelle oder pragmatisch installierbares
System?

Als letzteres natürlich.

Meine Kritik des „Mehrheitswillen“ in den obigen Posts ist
eben nicht als Demokratiekritik zu verstehen, sondern ganz im
Gegenteil als Kritik der Hegemonie, also der falschen
Aufhebung von Pluralität und der Ausmerzung des Anderen.

Hier wirst du auf den Widerstand der Vertreter der
Hegemonie treffen, wie willst du diese gegen ihren
Willen demokratisch radikalisieren?

Durch Kampf auf allen Ebenen.

Wie will man gegen die psychologisch-intrischische
Destruktivität bestehen?

Vielleicht braucht man die sogar dafür.
Destruktivität ist ja nichts per se Schlechtes.

Wie gegen neurotisches Machtbestreben. Im Widerstreit
zwischen Verstand und Gefühl siegt meistens das Gefühl.

Demokatrie ist auch nichts rein verständiges, gefühlloses und unneurotisches.

Eine „vereinte“ Vielstimmigkeit wäre auch ganz
unkonjunktivistisch gesehen kein Gewinn an Effizienz, sondern
ein Verlust seiner selbst.

Nicht wenn diese deiner zitierten Vielstimmigkeit
einerseits Raum und Freiheit zur individuellen
Interpretation läßt und andererseits den
zwangsläufig gegebenem Reibungsverlust der
vielstimmigen Aktionen aufhebt.

Wenn wir Sand im Getriebe sein wollen, dann wäre ein wenig mehr Reibung nicht das Schlechteste. Seit 20 Jahren läuft in politicis doch alles viel zu reibungslos, wenn ich das in meinem jugendlichen Alter überhaupt schon beurteilen kann :wink:

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Wenn wir Sand im Getriebe sein wollen, dann wäre ein wenig
mehr Reibung nicht das Schlechteste. Seit 20 Jahren läuft in
politicis doch alles viel zu reibungslos, wenn ich das in
meinem jugendlichen Alter überhaupt schon beurteilen kann :wink:

Nun versuche schon jahrelang gegen solche Reibungsverluste
wie dem „Ringelmanneffekt“ anzugehen. Nicht politisch global,
sondern eher in unseren Betrieben. Ich scheitere regelmässig
am mangelnder Eigendynamik, an mangelnder Selbstreferenzialität
etc. selbst wenn mit dem goldenen Tablett käme…

Für deinen Kampf auf allen Ebenen sehe ich schwarz lieber
Candide, dir fehlen die Mitstreiter. Ich habe da ehrlich
gesagt resigniert.

Unsere Zeitgenossen sind Schluffis! :wink:

Gruß
Powenz