Hallo,
als Führungskraft hat man in der Regel das Problem, daß die Mitarbeiter nicht in gleichem Maße leistungsfähig und -willig sind. Wie man damit umgeht, hängt von den Mitarbeitern und ihrer Fähigkeit zur Selbstreflektion ab sowie von den eigenen Präferenzen. Normalerweise (d.h. in den meisten Unternehmen und von den meisten Führungskräften) werden solche Dinge ignoriert, so lange es nur geht. Dafür gibt es zahlreiche Gründe: mangelnde Konfliktfähigkeit der Führungskräfte, erkennbar unzureichende Fähigkeit zur Selbstreflektion bei den Mitarbeitern, starker Betriebs- bzw. Personalrat und nicht zuletzt die Bereitschaft der leistungsfähigeren und -willigeren Mitarbeiter, die Minderleistung anderer auszugleichen.
Ein erhebliches Problem entsteht erst dann, wenn die anderen Mitarbeiter nicht mehr bereits sind, die Minderleistung auszugleichen, weil entweder die Arbeitsbelastung dieser Mitarbeiter zu hoch geworden ist, der Minderleister seine Minderleistung offen zur Schau trägt oder weil der Zustand schon zu lange anhält.
In der Phase scheinen wir uns nun zu befinden, zumindest was Dich betrifft (ob bei Euch noch andere Leute in Deinem Arbeitsbereich arbeiten, geht aus den Texten bisher nicht hervor). Auch wenn hier vielfach unterstellt wird, daß eine Führungskraft ungleiche Arbeitsbelastung zwangsläufig mitbekommt, möchte ich dem widersprechen. Je nachdem, wie komplex die Vorgänge sind, die bearbeitet werden, kann ein ungleicher Arbeitsoutput auch mit der unterschiedlich schwierigen Bearbeitung und in normalen Unterschiede bei der Bearbeitungsgeschwindigkeit zu tun haben. Hinzu kommt, daß es ungleiche Arbeitsbelastung, -geschwindigkeit und -qualität in einem gewissen Maße immer gibt, die man als Mitarbeiter UND Führungskraft auch tolerieren muß. Die Führungskraft ist also - sofern das ungleiche Arbeitspensum nicht wirklich offensichtlich ist - auf Rückmeldung der Mitarbeiter angewiesen, wenn denn daran aus Sicht einzelner Mitarbeiter etwas geändert werden soll.
Will sagen: bevor Du nichts sagt, wird sich von selbst nichts an der Situation ändern. Wenn die Situation belastend für Dich ist (im Sinne von zu viel Arbeit UND nichtstuender Kollege), dann wirst Du Deinem Chef etwas sagen oder Dir eine neue Stelle suchen müssen. Wenn Du Dich für ersteres entscheidest, wäre ein erstes Sondieren ganz gut, um erst einmal herauszubekommen, was Dein Chef schon weiß und wie sehr er an einer Lösung (d.h. dem sich daraus ergebenden Konflikt) interessiert ist.
Dieses Sondieren kann darin bestehen, daß Du ihm erst einmal sagst, daß Du den Eindruck hast, daß Du a) zu viel zu tun hast und b) Dein Kollege nicht ganz ausgelastet ist. An der ersten Reaktion darauf wirst Du erkennen können, wie sehr Du auf Deinen Chef bei der Problemlösung setzen kannst - oder eben nicht.
Gruß
C.