… und du, die Ersatz-Mutter.
Salü,
ja, das klingt erst einmal gemein, ist aber nicht so gemeint: ich habe – wenn auch anders gelagert – einmal in einer ähnlichen Situation gesteckt. Als ich mich bei jemanden ausheulte, pflichtete mir diese Person überraschenderweise nicht bei, sondern fragte: „Welche Vorteile hat der Mann in dieser Beziehung, und welche die Frau?“
In deinem Fall könnte das z. B. heißen: Dein Mann muss sich tatsächlich nicht um Verantwortlichkeiten kümmern (was er offensichtlich schon vor eurem Kennenlernen nicht sooo gerne tat). Du könntest den Vorteil genießen, dass du durch sein „Aufblicken“ zu dir bestätigt und gebraucht fühlst. Natürlich nur ins Blaue geraten; aber vielleicht hilft dir diese Sichtweise weiter.
Mich selber belastete meine Situation auch sehr, weil ich viel durchorganisieren „musste“. Ja, es lief zwar alles nach meinen Vorstellungen, aber letztlich hatte ich mir dadurch so viel Verantwortung aufgeladen, dass ich nicht mehr zum Stillsitzen kam. Vielleicht geht es dir da ähnlich.
Nun noch ein paar Anregungen:
Mein Mann hat schon immer gerne die Verwantwortung auf mich übertragen.
Wenn es darum geht, dass er eine Versicherung braucht, dann
kümmere ich mich darum. Steuer mach ich, Hochzeit planen,
liegt an mir.
Elterngeld beantragen, hat er ewig nicht gemacht. Bis der Antrag fast abgewiesen wurde wegen
mangelender Mithilfe. Dann hab ich ich darum gekümmert.
… und du hast es auf dich übertragen lassen.
Er überweißt mir sein Geld und bekommt dann Taschengeld. Das
wollte er so, weil er mit Geld nicht umgehen kann und in den
letzten Jahren viele Schulden gemacht hat. Also bekommt er von mir am Tag 5 Euro und wenn er sonst was
braucht, kommt er und sagt es.
Ähnliches kenne ich aus meiner entfernteren Familie. Irgendwann ist die Frau gestorben und er stand plötzlich allein und relativ hilflos da. Das ist keine schöne Situation. Der Weg „zurück“ war für ihn sehr hart.
Ein gemeinsammes Konto will er aber
nicht, weil er dann uneingeschränkt Zugriff auf das Geld hätte.
Dann ist es vielleicht besser, wenn er weiter Taschengeld bekommt. Aber wie wäre es, wenn du seinen täglichen Betrag etwas „menschenwürdiger“ aufstockst? Für 5 € könnte ich nicht einmal in Berlin in der Kantine zu Mittag essen, evtl. eine Geburtstagskarte für einen Freund oder ein paar Lebensmittel auf dem Heimweg kaufen, wenn mir einfällt, ich könnte meinem Freund etwas abnehmen. Evtl. könntest du ihm, wenn er sich „bewährt“, dann wöchentlich Geld geben und dann monatlich.
Er weiß oft gar nicht worum es geht.
Dann setz ihn ins Bild! Wer Infos bekommt, kann hinterher sich behaupten, dass er nichts wusste.
Aber wenn ich es nicht mache, dann passiert nichts und er kümmert sich nicht darum.
Ich vermute, es wird sich nur etwas ändern, wenn du ihn nach und nach mit kleinen Aufgaben betraust und ihm Zeit gibst. Wenn er etwas erledigt hat, lobe ihn (aber nicht wie ein Kind!), in dem du deine Wertschätzung bzw. deine Zufriedenheit und einen positiven Nutzen ausdrückst (z. B. „Ah, gut, dass du das erledigt hast, dann haben wir diese Woche sogar etwas übrig, um ins Kino zu gehen!“). Motze nicht, wenn es noch nicht perfekt ist, das demotiviert – auch wenn es dir vielleicht schwer fällt.
Sollten solche kleinen Schritte nicht fruchten, bleibt wahrscheinlich nur professionelle Hilfe durch einen Therapeuten. Sonst hast du tatsächlich ein Klotz am Bein, und evtl. fühlt sich dein Mann mit dieser Situation insgeheim auch unwohl? Er bemerkt vielleicht, dass es ihm nicht gelingt, weil er evtl. Ängste davor hat, und du erledigst alles erfolgreich, aber er kann nichts dazu beitragen.
Ich weiß auch gar nicht, wie das angefangen hat.
Wahrscheinlich da, wo dein Hang zum „perfekten Ablauf“ (ich übertreibe!) durch ihn gestört wurde. Nicht überall ist es wichtig, dass alles nach der eigenen Nase läuft, manchmal ist Laisser-faire nicht verkehrt. Versuche, bei unwichtigeren Dingen nicht so sehr auf die Linie zu pochen. Ich kenne das von mir: Weil es da und da nicht klappt, fällt einem das auch dort und dort auf – und schon ist man wieder auf 180! Man bekommt einen Tunnelblick!
Als ich ihn kennen gelernt habe, da war er schon ziemlich in
Not, aber noch gewillt etwas zu tun.
… und dann brauchte er es nicht mehr zu tun.
Vielleicht hab ich einfach zu viel gemacht, ihm zu viel
abgenommen?
So, wie du das schilderst, könnte ich mir das vorstellen.
Sonst ist er ein toller Mann und Vater, geht gerne arbeiten,
zum Sport und ist hier am Haus sehr aktiv und macht auch ganz viel.
Das klingt doch super. Er ist kein Vollkind! Versuche, deine Wahrnehmung eine Weile auf die schönen Dinge zu konzentrieren, um den Tunnelblick nicht die Überhand gewinnen zu lassen. Und wenn es doch tröstet – in meiner Beziehung bin ich auch eher die Organisatorin von Terminen etc. Manchmal nervt es mich ebenfalls, aber manche Menschen können das halt besser als andere. Also haben wir beschlossen, die Haushaltsangelegenheiten nach Fähigkeiten aufzuteilen. Mein Freund nimmt mir Dinge wie Katzenklo putzen oder Blumengießen ab, weil ich ersteres nicht mag/kann (knien mit kaputten Knien) und letzteres dauernd vergesse. Ich mache dafür die Termine mit den Handwerkern oder der Werkstatt und überweise die GEZ etc.
Wenn eure Beziehung sonst schön ist und ihr euch gegenseitig stützt, sollte das das geringere Übel sein. Aber ein gewisses Gleichgewicht muss da sein, und das gilt, ihm klarzumachen. Wie? Das ist schwer zu beantworten, da man ja nicht weiß, wie sensibel dein Männe ist. Ich empfehle aber, mal den Begriff „gewaltfreie Kommunikation“ zu recherchieren. Darüber erhält man einige Tipps, wie man jenseits der „Ich finde, du machst zu wenig!“-Schraube sensible Dinge kommunizieren kann.
Viele Grüße
sgw