Meinungen über Meinungen

Hi,

die Meinungsfreiheit ist in Deutschland grundgesetzlich geschützt (Art. 5 Abs. 1). Unbehagen bereitet mir die Art und Weise, wie (seit einiger Zeit?) hierzulande mit abweichenden Meinungen umgegangen wird. Ein Beispiel zur Erläuterung:

Eine Hinterbänklerin einer Partei äußert zu einer aktuellen politischen Frage eine Ansicht, die in ihrer Partei und im öffentlichen Raum nicht mainstream ist. Oft wird sowas ja durch Ignorieren ausgesessen. Aber in diesem Fall beschließt der Parteivorsitzer, ein Exempel zu statuieren und bezieht öffentlich Stellung. Er sagt allerdings nicht

„Ich vertrete in dieser Frage einen ganz anderen Standpunkt, nämlich …“

sondern

„Solche Stammtischparolen (pazifistischen Spinnereien, rassistische Hetze [die Schlagworte sind austauschbar]) haben in unserer Partei keinen Raum.“

Er äußert sich also nicht zur Sache sondern zur Meinung und stellt damit seine Meinung nicht neben oder gegen die der Abweicherlin sondern darüber. Auf den ersten Blick nicht ungeschickt, aber leider würgt man damit eine lebendige Debatte ab.

Auch hier im Forum mache ich gelegentlich die Beobachtung, dass Leute abweichende Meinungen kritisieren, verschlagworten oder niedermachen, statt offensiv und unbefangen die eigene Meinung zu vertreten.

Was meint Ihr? (Warum) ist das so? Wirkt mein obiges Beispiel konstruiert oder kennzeichnet es typische Abläufe?

Freundliche Grüße

myrtillus

Man muss nicht jeden Mist diskutieren
Hallo myrtillus,

die Lebenszeit reicht nicht aus, um jeden Mist auszudiskutieren. In einer Partei gibt es ein Hirarchie, die jederzit durch Wahlen dem Zeitgeist angepasst werden kann. Innerhalb dieser Hierarchie muss es auch möglich sein, Schaden von der Partei abzuwenden, der durch unangemessene Diskussionen entstehen kann, z.B. durch ein Machtwort.

Ob der Parteichef hier angemessen gehandelt hat, muss dann jeder für sich selbst entscheiden und entsprechende Konsequenzen ziehen. .

Auch hier im Forum mache ich gelegentlich die Beobachtung,
dass Leute abweichende Meinungen kritisieren, verschlagworten
oder niedermachen, statt offensiv und unbefangen die eigene
Meinung zu vertreten.

Hier gibt es keine Hierachrie (abgesehen von den Mods), kein gemeinsames Ziel, dem sich alle Unterordnen müssen, hier zählt nur der persönliche Genuss, wodurch auch immer. Rechthaben und andere Belehren gehört sicherlich auch dazu.

Gruß
achim

Hallo,

Meinungsfreiheit meint lediglich, dass jeder der eine Meinung vertritt, keine staatlichen Repressalien befürchten soll.

Es ist also nur ein Prinzip. Ähnlich wie ein Gebot, eine Vorgabe. Die Meinungsfreiheit gilt nicht unumschränkt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Zum Beispiel Verleumdung oder üble Nachrede.

In Deinem Fall war die Reaktion des Parteivorsitzenden legitim. Dessen Recht! Er hat auf die Meinung des anderen bloß noch eins drauf gegeben. Der Gescholtene wurde nicht drangsaliert. Alles völlig korrekt verlaufen.

Gruß _ mki _

Hallo,

die Meinungsfreiheit ist in Deutschland grundgesetzlich
geschützt (Art. 5 Abs. 1). Unbehagen bereitet mir die Art und
Weise, wie (seit einiger Zeit?) hierzulande mit abweichenden
Meinungen umgegangen wird. Ein Beispiel zur Erläuterung:

die Meinungsfreiheit ist ein Recht gegenüber dem Staat, nicht
gegenüber den eigenen Mitmenschen.

Gruß,
Steve

die Meinungsfreiheit ist ein Recht gegenüber dem Staat, nicht gegenüber den eigenen Mitmenschen.

Na ja Steve,

Deine Aussage impliziert das es kein Recht auf „Meinungsfreiheit“ gegenüber Mitmenschen gibt?
Hast Du das wirklich so gemeint? Oder habe ich das falsch aufgefasst?

lg Schoorsch

Hi,

Servus

Eine Hinterbänklerin einer Partei äußert zu einer aktuellen
politischen Frage eine Ansicht, die in ihrer Partei und im
öffentlichen Raum nicht mainstream ist.

Ohne zu wissen, was hier genau gesagt wurde, ist deine Frage nicht zu beantworten. Denn die Meinungsfreiheit hat natürlich auch ihre Grenzen:
http://dejure.org/gesetze/GG/5.html

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Es kommt also schon auch darauf an, wie der genaue Wortlaut war.

Er äußert sich also nicht zur Sache sondern zur Meinung und stellt damit seine Meinung :nicht neben oder gegen die der Abweicherlin sondern darüber. Auf den ersten Blick nicht :ungeschickt, aber leider würgt man damit eine lebendige Debatte ab.

Auf der einen Seite glaubst du, dass bei der Frau ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt wurde. Andererseits sprichst du dieses Recht dem Parteivorsitzendem ab. Wenn man A sagt…

Auch hier im Forum mache ich gelegentlich die Beobachtung, dass Leute abweichende :Meinungen kritisieren, verschlagworten oder niedermachen, statt offensiv und :unbefangen die eigene Meinung zu vertreten.

Ich glaube du verwechselst da was:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Erstens sind wir hier in einem Forum und haben bei der Anmeldung dessen Regeln (AGB bzw. Netiquette) akzeptiert. Das schränkt das Ganze schon mal etwas ein.
Zweitens bedeutet das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht, dass andere diese Meinung teilen müssen. Evelyn Beatrice Hall bringt das schön auf den Punkt:
„Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“

Freie Meinungsäußerung bedeutet also, dass man (fast) alles sagen darf. Mit den Konsequenzen hat man dann aber auch umzugehen

Freundliche Grüße

myrtillus

Lg,
Penegrin

Deine Aussage impliziert das es kein Recht auf
„Meinungsfreiheit“ gegenüber Mitmenschen gibt?

Unser Rechtssystem kennt mehrere Grundprinzipien. Zwei davon lauten:
Die Menschen dürfen alles, was ihnen nicht verboten ist.
Der Staat darf nur aufgrund von Gesetzen handeln.

Was den Menschen in Bezug auf ihre Meinungskundgabe verboten ist, steht also in den Gesetzen und dort findet man u.a. die Einschränkungen

  • üble Nachrede
  • Beleidigung
  • Volksverhetzung
  • Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener

und noch ein paar andere, spezielle Sachverhalte.

Dem Staat ist es hingegen schon im Grundgesetz ganz grundsätzlich verboten, die Meinungsfreiheit zu beschränken. Die Ausnahme ist recht deutlich formuliert:
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
vgl. Art. 5 GG

Gruß
C.

Hi,

Zweitens bedeutet das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht,
dass andere diese Meinung teilen müssen. Evelyn Beatrice Hall
bringt das schön auf den Punkt:
„Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür,
dass Sie sie sagen dürfen.“

Besser als die Meinung eines Anderen zu verachten ist es, in dem fraglichen Punkt die eigene Meinung zu äußern.

Freundliche Grüße

myrtillus

Hallo,

schön, dass es zumindest noch einigen auffällt.

Extrem wurde es letzte Woche nach den Terrorakten in Frankreich.

Da hielt jeder Politiker seine Visage in die Kamera und redete ununterbrochen von Meinungsfreiheit, um am Ende seines Geschwafels von der PEGIDA-Bewegung die Absage der „Montagsdemo“ zu fordern. (bin da kein Anhänger von)

Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (Rosa Luxemburg)

Gruß
tycoon

Hi,

Da hielt jeder Politiker seine Visage in die Kamera und redete
ununterbrochen von Meinungsfreiheit, um am Ende seines
Geschwafels von der PEGIDA-Bewegung die Absage der
„Montagsdemo“ zu fordern. (bin da kein Anhänger von)

hätten die Attentäter von Paris die Rücknahme der Karikaturen lediglich verbal gefordert, hätte das wohl niemand als einen Angriff auf die Meinungsfreiheit gewertet. Von daher verstehe ich den Widerspruch nicht, den du in den Äußerungen der zitierten Politiker siehst.

Gruß

rantanplan

Hi,

Servus

Besser als die Meinung eines Anderen zu verachten ist es, in
dem fraglichen Punkt die eigene Meinung zu äußern.

Das hat aber mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 GG nichts mehr zu tun. Da bewegen wir uns eher in Richtung Philosophie & Ethik. :smile:

Freundliche Grüße

myrtillus

Lg,
Penegrin

Hallo rantanplan,

Da hielt jeder Politiker seine Visage in die Kamera und redete
ununterbrochen von Meinungsfreiheit, um am Ende seines
Geschwafels von der PEGIDA-Bewegung die Absage der
„Montagsdemo“ zu fordern. (bin da kein Anhänger von)

hätten die Attentäter von Paris die Rücknahme der Karikaturen
lediglich verbal gefordert, hätte das wohl niemand als einen
Angriff auf die Meinungsfreiheit gewertet.

richtig. Im ersten Teil verteidigen die Politiker die Meinungsfreiheit. Im Zweiten möchten sie die der PEGIDA gerne beschränken. Zwar hier nur als Appell, doch ist die „Meinung“ eines Politikers auch immer teil der politschen weiterentwicklung.

Gruß
achim

Hi,

Da hielt jeder Politiker seine Visage in die Kamera und redete
ununterbrochen von Meinungsfreiheit, um am Ende seines
Geschwafels von der PEGIDA-Bewegung die Absage der
„Montagsdemo“ zu fordern. (bin da kein Anhänger von)

hätten die Attentäter von Paris die Rücknahme der Karikaturen
lediglich verbal gefordert, hätte das wohl niemand als einen
Angriff auf die Meinungsfreiheit gewertet.

richtig. Im ersten Teil verteidigen die Politiker die
Meinungsfreiheit. Im Zweiten möchten sie die der PEGIDA gerne
beschränken. Zwar hier nur als Appell, doch ist die „Meinung“
eines Politikers auch immer teil der politschen
weiterentwicklung.

Kein Politiker hat gefordert die Pegida Märsche zu verbieten, es haben lediglich einige die Veranstalter gebeten letzten Montag den Marsch abzusagen.
Ich sehe immer noch nicht den Widerspruch zwischen dieser Bitte und der Aussage, dass die Meinungsfreiheit geschützt werden muss.

Gruß

rantanplan

***
Servus myrtillus
Damit hast du sehr, sehr recht und es ist wichtig, daran einmal mehr zu erinnern.
Gruß,
Branden

Hallo,

die Politiker handelten hierbei schlicht scheinheilig. Einerseits haben sie die Terrorakte als „Angriff auf die Meinungsfreiheit“ bezeichnet, andererseits haben sie von Personen, die das Anrecht auf Meinungsfreiheit (hier: Demonstrationsfreiheit) beanspruchen wollten, den Verzicht darauf gefordert.

Perfide wurde das ganze dadurch, dass man den Teilnehmern an der Pegida-Demo das moralische Recht absprechen wollte, sich ebenso pro Meinungsfreiheit (Recht von CH auf Publikation der M-Karikaturen) zu positionieren. Dies seitens der Politiker mit dem Habitus verbunden, dass Pegida die Terroranschläge ohnehin nur instrumentalisieren wolle. Als ob die Schweigeminute von Pegida (im Gegensatz zu der aller anderen) verwerflich wäre. Sowas nennt man üblicherweise Doppelmoral.

Gruß
vdmaster

Hallo,

eine „Bitte“ wird üblicherweise etwas anders formuliert: http://www.sueddeutsche.de/politik/islamkritiker-in-…

Gruß
vdmaster

Mainstream- Erpressung
Viele plappern die Mainstream- Meinung unreflektiert nach und übernehmen dabei auch oft die Argumentationsketten 1:1. Ich brauch mir nur die ARD- Tagesschau anzusehen, dann weiss ich, welche Meinung morgen die Arbeitskollegen haben werden. Ok, es gibt schon einige, die fressen doch nicht alles.

Um die Mainstream- Abweichler zu erpressen und sozial auszugrenzen gibt es viele tolle Schimpfwörter, die die Massanmedien gerne verwenden:
Verschwörungstheoratiker, Homophober, Frauenfeind, Rechtsradikaler, Linksradikaler, Separatist, Friedens- Aktivist…
Anecken tu ich aus gutem Grund nur im Internet und nicht bei Menschen, die ich jeden Tag ertragen muss.

Dieser kollektive Stumpfsinn hat eine Gegenbewegung von überkritischen Menschen erzeugt, die wirklich alles hinterfragen. Trotz ihrer teils schrägen Ansichten sind mir diese Menschen deutlich sympatischer, weil sie das Denken noch nicht aufegegben haben und durchaus mit logischen Argumenten sich von einer Meinung überzeugen lassen, die etwas näher an der Wahrheit liegt.

Der Sinn der kollektiven Gehirnwäsche erklärt sich in fünf Buchstaben: MACHT

die Meinungsfreiheit ist in Deutschland grundgesetzlich
geschützt (Art. 5 Abs. 1).

Die Medien beantspruchen dieses Gesetz auch, was dazu führt, dass eine ausgewogene Meinungskurve schnell in einen Meinungskampf mündet.