Mengenlehre modern?

Liebe ExpertInnen,

wird heute eigentlich noch Mengenlehre im Unterricht behandelt? Und wenn, dann auch noch so wie früher? Vor vielen hundert Jahren habe ich die mal kennengelernt und fand sie manchmal sogar nützlich, bin allerdings jetzt verwirrt:


(Quelle: https://modern-sql.com/de/konzept/dreiwertige-logik)

Was will uns der Dichter damit sagen?

Dank & Gruß
Ralf

Das hat nichts mit Mengenlehre zu tun. Es geht hier um ein wichtiges Feature nicht nur bei SQL-Datenbanken. Stell Dir vor, dass Du eine Tabelle mit einem Feld für den Zustand einer Tür anlegst. Wenn ein neuer Datensatz für eine Tür angelegt wird, in dem dann künftig auch der jeweils aktuelle Zustand der Tür abgelegt werden soll, ist der noch gar nicht bekannt, weil es die Tür noch gar nicht gibt, da das Haus noch im Bau ist. Trotzdem möchtest Du aber schon den Zustand der eingebauten Türen abfragen können, der über einen Türkontakt gemeldet wird. Für die noch nicht vorhandene Tür wäre geschlossen = true genau so falsch, wie geschlossen = false. Unknown hingegen liefert das einzig richtige Ergebnis, da noch kein Kontakt einen Wert für den Zustand der Tür gemeldet hat. Das ist z.B. auch dann wichtig, wenn Systeme neu gestartet werden und erst nach und nach Werte von Sensoren eingehen und zur Verfügung stehen, damit noch nicht vorhandene Werte nicht fehlinterpretiert werden.

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HI Ralf,

Die Mengenlehre ist seit Anfangn des XX. Jhdts Grundlage in fast allen Teilgebieten der modernen Mathematik. Die Streitfrage, ob ein paar Elemente bzw. Axiome der Mengenlehre in Schulsystemen unterrichtet werden sollen oder nicht, ist davon aber ganz unberührt.

In ganz anderes Thema ist aber, ob alleine, weil moderne Varianten von SQL neben w/f einen dritten Aussage-Wert einführen, allein schon deshalb „mit dreitwertiger Logik arbeiten“. .Das ist etwas übertrieben au8sgedrückt, hört sich aber abenteuerlich an. Dreitwertige (also nicht-aristotelische) Logik ist jedoch etwas komplexer als die Rolle, die ein dritter Wahrheitswert in Datenbanksprachen spielt.

Aber das hat wiederum mit Mengen,ehre nichts zu tun. Die Graphiken auf dieser Website, die die verschiedenen Funktionen eines dritten Wahrheitswerets illustrieren sollen, sehen wie sog. Venn-Diagramme aus, die man in elementarer Mengenlehre benutzt, um z.B. ∩ und ∪ oder ⊂ und ⊃ von Mengen zu veranschaulichen.

Aber darum gehts ja hier gar nicht; Der gelbe Mittelbereich in einem mengentheoretischen Kontext würde nämlich bedeuten: Diese Aussagen gehören sowohl zum Wahheitswert „wahr“ als auch „falsch“ (entssprechend: die „Schnittmenge“ beider Mengen). Und das ist mit dem dritten Wahheitswert „unknown“ ja gerade nicht gemeint. {gelb} ist die Schnittmenge von {rot} und {grün} und damit Teilmenge sowohl von {rot} als auch von {grün}.

Der Autor kennt sich also mit den elementarsten Elementen der Mengenlehre nicht so recht aus :roll_eyes: :sunglasses:

Gruß
Metapher

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Zum Unterricht kann ich nichts sagen. Aber in der Forschung wird keine Logik/Mengenlehre mehr gelehrt. Beide Bereiche gelten seit ca. 1980 als abgeschlossen. Die restliche Forschung ist in die Graphen- und Kategorientheorie abgewandert, siehe z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Topos_(Mathematik).

Aber auch moderne Graphen/Kategorien-Theorie ist heutzutage eher im Informatikbereich als in klassischer Mathematik/Philosophie angesiedelt. Es werden Themen wie rechnergestützte Modelltheorie, parametrisierte Komplexitätstheorie und endliche Automatentheorie behandelt.

Also nichts mehr wie früher. Schon gar nicht wie vor hundert Jahren.

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Moin,

Der Autor kennt sich also mit den elementarsten Elementen der Mengenlehre nicht so recht aus

so ist es, das Diagramm beschreibt vermutlich ein dreiwertiges Quantenbit: Wahr, falsch oder beides, man könnte auch sagen: Iss wurscht. (Das dürfte natürlich nicht Quantenbit heißen).

Mich wundert ein wenig, dass von „modernem“ SQL die Rede ist. Nach meiner Erinnerung war NULL mindestens seit 1984 auf Großrechnern implementiert. In der PC-Welt gab es anfangs ein paar rudimentäre Dialekte, die ich mir allerdings wegen ihrer Mängel - zB keine RI - nicht näher angeschaut habe.

Gruß
Ralf

Naja, die Webseite heißt „modern SQL“. Sie ist auch keine Referenz für SQL, sondern beleuchtet verschiedene Themen. Es muss daher nicht unbedingt sein, dass ein Thema „modern“, also relativ neu ist…

Das gibt es doch auch in der Mengenlehre: 0 ist etwas anderes als eine leere Menge.

Mengenleere …


Scnr

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Forschung ist im universitären Kontext ja auch nicht Lehre. Es gibt kaum irgendwo einen Fachbereich Philosophie, in dem nicht klassische und nicht-klassische Logik auf dem Lehrplan auftaucht und kaum einen Fachbereich Mathematik, in dem nicht auch mathematische Logik gelehrt wird und nicht auch diverse Themenbereiche aus der Mengenlehre…

Das ist schon wegen der Kontinuumshypothese nicht wahr. Und die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre ist nach wie vor Gegenstand heftiger Kontroversen.

Und wieviele Teilgebiete der Mathematik gibt es, in denen nicht die mengentheoretischen Axiome zu den Grundlagen gehören?

Ob Mengenlehre auf den Gymnasien gelehrt werden soll ist ja allenthalben strittig. Aber kaum ein mathematisches Lehrbuch, egal welches Teilgebiet, behandelt nicht die mengentheoretischen Axiome in den ersten Kapiteln. .

Gruß
Metapher

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Sicher, die Grundlagen werden gelehrt. Mit abgeschlossen meine ich nicht verworfen. Mein gefühltes Stehenbleiben bezieht sich z.B. genau auf die Kontinuumshypothese: Was ist nach Cohen Forcing noch passiert?

Ich will Dich nicht streiten, mich interessiert das wirklich, hast Du Papers oder interessentante Arbeitsgruppen im Kopf?

Was mich auch interessiert, falls Du dort tiefere Einblicke hast, wie hat sich die Epistemologie von Gettier erholt?

Und genau darum ging es in der Ausgangsfrage von @drambeldier. Auch sofern sie nicht explizit gelehrt wird: In allen Lehrbüchern zu mathematischen Teilgebieten steht sie als Voraussetzung in den ersten Kapiteln.

Nun ja, „erholt“… diese Formulierung ist mir zu sehr im Stile von RTL-Nachrichtentickern :wink: Erkenntnistheorie als die älteste Teildisziplin der Philosophie, die sich ohne jede Unterbrechung stetig in Entwicklung befunden hat und sich in zahllose Ismen verzweigt hat, ist auch heute lebendig wie zuvor. Das Gettier-Problem (und seine Diskussion seit dem „3-Seiten“-Artikel aus den 1960ern) ist nur ein Bausteinchen in der Geschichte. Es gehört zur Erkentnitheorie dazu. Ganz neu war es sowieso nicht in der Geschichte: Die Kritik ab den 1920ern an der traditionellen Theaitetos-Interpretation bezog sich auf analoge Probleme. Zur gegenwärten Situation wirst du sicher → hier fündig.

Zur gegenwärtigen Gettier-Diskussion kann ich selst nicht viel sagen. Als Hegelianer stehe ich zur Erkenntnistheorie generell auf anderen Füßen (PhdG 1806, WdL 1816 ff) :sunglasses:

Gruß
Metapher

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