Platonische Tugendlehre
Hi.
Du fragst also nach dem „geistig-sittlichen“ Wesen des Menschen. Dass diese Formel mit dem Grundgesetz unmittelbar nichts zu tun hat, darauf haben andere schon hingewiesen.
Mit der platonischen Tugendlehre hat sie aber schon sehr viel mehr zu tun. Zum einen ist der Mensch für Platon ein geistiges Wesen, das aufgrund einer Verkettung ziemlich unglücklicher Umstände in einen animalischen Körper hineingeraten ist. Dieses geistige Wesen (Seele) setzt sich aus drei Komponenten zusammen:
* Vernunft
* Wille
* Triebe
Diesen Seelenteilen sind diverse Tugenden zugeordnet wie Weisheit, Gerechtigkeit, Mannhaftigkeit und Gehorsam gegenüber der Vernunft.
Für Platon sind Tugenden aber nicht einfach nur abstrakte Verhaltensideale, sondern ontologisch existente Wesenheiten (Ideen), von denen die Tugenden realer Menschen nur Abbilder sind. Die höchste Idee bzw. die Mutter aller Ideen ist das Gute, denn es umfasst alle anderen Ideen. Der Mensch ist aufgrund seiner Geistigkeit imstande, dieses Gute unmittelbar zu erkennen. Was Platon unter diesem Erkenntisakt versteht, ist in der Forschung umstritten. Einiges deutet darauf hin, dass Platon eine Wesensschau im Sinn hat, die mit sprachlich-logischen Kategorien nicht fassbar ist. Daher sind seine Beschreibungen des Erkenntnisaktes nur metaphorisch zu verstehen. Vermutlich liegt dieser Vorstellung eine Art mystische Schau zugrunde, die Gegenstand von Platons berühmter „Ungeschriebener Lehre“ war und die er möglicherweise als Teilnehmer der Eleusinischen Mysterien erlangte.
Der Mensch als „geistig-sittliches Wesen“ - das bedeutet also, dass der Mensch aufgrund seiner Geistigkeit fähig ist, die höchste Idee und zugleich das höchste Wirkliche, nämlich das Gute, zu erkennen, wie er auch in der Lage ist, die diesem Guten entspringenden Tugenden, also die sittlichen Ideen, welche allen konkreten Tugendhandlungen zugrundeliegen, zu erkennen.
Chan