Hallo Martin!
Bonusfrage: Alle wichtigen Hürden sind mit dem zweiten
Staatsexamen überwunden, bloß der Antrag auf Zulassung bei der
Rechtsanwaltskammer fehlt noch. Was kann einen Rechtsassessor
in dieser Situation dazu bewegen, kein RA zu werden?
Wenn der Abschluss nicht wirklich berauschend war, Einreihen in die lange Schlange der Bewerber zur sicheren Laufbahn als Staatsanwalt oder Richter chancenlos ist, keine Anstellung zu irgend akzeptablen Bedingungen in einer Kanzlei mit der Möglichkeit zur Spezialisierung in Aussicht steht und kein Papa vorhanden ist, dessen seit 40 Jahren eingeführte Kanzlei einen Nachfolger braucht, sind die Aussichten nicht sonderlich rosig. Dann kann sich der frisch gebackene Advokat ein Schild an die Wohnungstür nageln und loslegen. Fortan muss er dankbar sein, sich um so unglaublich lukrative Fälle wie verbeulte Kotflügel, unverbesserliche Schwarzfahrer und Maschendrahtzaunsachen kümmern zu dürfen.
Gar nicht so einfach, auf diese Weise den Kühlschrank zu füllen. Über kurz oder lang diktiert die Not das Geschehen und Ansprüche an die eigene Arbeit werden herunter geschraubt. In solcher Situation liegt die Idee nahe, sich aufs Inkassogeschäft zu verlegen.
Was auch sonst, denn Menschen mit Abitur und Jurastudium haben im Grunde von nichts eine Ahnung.
Dummerweise ist die Idee weder neu noch sonderlich originell, der Jurist findet sich in einem überbesetzten Haifischbecken wieder, in dem lauter Leute in ähnlicher Situation ums Überleben kämpfen. Glücksfälle, das Inkasso als Massengeschäft für große Versorger oder Telekommunikationsgesellschaften zu ergattern, sind so rar wie ein Sechser im Lotto. Also muss man sich um den Inkasso-Beifang kümmern, z. B. um die zahllosen Online-Händler, denen das Wasser bis Oberkante Unterlippe steht und die hoffen, dass jemand ihren überwiegend aussichtslosen Kleinkram gegen Erfolgshonorar bearbeitet. Ertragsstarkes Geschäft geht anders.
Gruß
Wolfgang