Metrum bestimmen...Tricks und Tipps?

Hallo zusammen,

ich habe ein Problem mit dem Metrum. Theoretisch weiß ich darüber alles, mein Problem ist die Praxis. Ich höre einfach nicht, wann eine Silbe betont und wann sie unbetont ist. Ich hab mir schon die Finger wundgegoogelt, aber als Tipp bekommt man immer „Das hört man doch“. Das ist ja, ich höre das einfach nicht.
Gibt es einen Trick oder einen Tipp, wie man lernen kann das Metrum zu hören?

Als Beispiel hab ich mal dieses Gedicht hier:

Hexen sind böse, Hexen sind häßlich,
Hexen sind alt, Hexen sind gräßlich.
Hexen sind ja so gemein,
sie können nur deine Feinde sein.

Hexen zaubern die Masern dir,
Hexen verzaubern Mensch und Tier.
Hexen reiten auf dem Besen,
treiben des Nachts ihr Zauberwesen.

Hexen mixen sich giftige Kräuter,
zaubern der Kuh Milch aus dem Euter.
Hexen sind mit dem Teufel im Bund,
Hexen sind für alles Übel der Grund.

Doch das ist ja alles nicht wahr:
Hexen sind keine schlimme Gefahr!
Hexen sind meist nur weise Frauen,
Man sagt, sie können die Zukunft schauen.
Hexen sind freundlich, Hexen sind gut,
Hexen sind keine Teufelsbrut,
Hexen heilen, helfen, lindern,
können Schmerzen rasch vermindern.

Sie nutzen die Kräfte der Natur,
der Kräuter aus Wald und Wiesenflur,
sie wissen die Kraft des Mondes zu schätzen
und sie für ihre Zwecke einzusetzen.
Drum hab vor Hexen keine Angst.
Falls du je zu einer gelangst,
schau ihr bei der Arbeit zu,
dann lernst auch Du noch viel dazu.

Die ersten Verse wären für mich ein Daktylus.
HEXen sind BÖse, HEXen sind HÄSSlich

aber was ist mit „Hexen sind ja so gemein“??

Ihr seht, das ist reine Raterei, aber ich würde es gerne können.
Wer kann mir helfen?

Danke
Arachnia

Hallo,

ich habe ein Problem mit dem Metrum. Theoretisch weiß ich
darüber alles, mein Problem ist die Praxis. Ich höre einfach
nicht, wann eine Silbe betont und wann sie unbetont ist.

Gibt es einen Trick oder einen Tipp, wie man lernen kann das
Metrum zu hören?

Ein Trick (für den ich keinerlei Garantie übernehme), der längst nicht immer funktioniert, aber zumindest eine Richtung angeben kann, ist die Suche nach „bedeutungsvollen“ Silben. Was an einem Wort wichtiger ist, muss betont werden, den Rest kann man auch „verschlucken“. Bei deinem Beispiel ist „Hex“ viel wichtiger als „en“, also wir „Hex“ betont.
Man könnte auch (in der Fortführung dieses Tricks) Vor- und Nachsilben heraussuchen und hoffen, dass diese weniger häufig betont werden.
Funktionert aber, wie gesagt, längst nicht immer, gibt aber bei dem einen oder anderen Wort einen Hinweis - und in der Summe der Hinweise erkennt man vielleicht eine Regelmäßigkeit…

Hallo
Hexen sind ja so gemein–ist ein vierhebiger Trochäus. Alles Weitere findest Du unten. Gruß, eck.

http://www.freund-lbo.de/p05/Verslehre2.htm

Hexen sind ja so gemein–ist ein vierhebiger Trochäus.

Warum?
Ich hätte jetzt gesagt: HEXen SIND ja SO geMEIN
aber dann fehlt mir doch die letzte Senkung, um den Trochäus komplett zu machen. Oder wo liegt mein Denkfehler?

http://www.freund-lbo.de/p05/Verslehre2.htm

Nett gemeint, aber ich sagte ja, dass ich das in der Theorie kann. Ich HÖRE das nur einfach nicht und ERKENNE die Hebung und die Senkung nicht.

Moin,

eine Idee, von der ich nicht weiß, ob sie hilft:
Besorg dir CDs, auf denen Gedichte rezitiert werden (gibt’s in Bibliotheken). Hör die Gedichte, und lies den Text dabei mit. Unterstreiche/markiere die betonten Silben auf einem Ausdruck oder einer Kopie des Textes (nicht im beigefügten Textheft). Danach liest Du den Text laut zusammen mit dem Rezitator, und dann probierst Du es allein.

Du solltest Gedichte von anerkannten Dichtern auswählen. Je älter, um so besser, denn früher war die Welt der strengen Versmaße noch in Ordnung ,-)
Ich weiß nun nicht, bis wann man von „früher“ sprechen kann. In der modernen Lyrik ist ein durchgängiges Versmaß jedenfalls oft nicht mehr vorhanden.
Vermeiden solltest Du auf jeden Fall (Mach)Werke von Hobby-Dichtern, wie Dein Hexen-Gedicht. Da geht es bisweilen wie Kraut und Rüben durcheinander.

M ö gen die M u sen Dir b ei stehn, denn s ie sind Dir gn ä dig ges i nnt
Auf d a ss Du den Rh y thmus der D i chtung erk e nnen lernst
oder so, oder so ähnlich

Pit

Moin,

Ich hätte jetzt gesagt: HEXen SIND ja SO geMEIN

Das ist korrekt

aber dann fehlt mir doch die letzte Senkung, um den Trochäus
komplett zu machen. Oder wo liegt mein Denkfehler?

Dein Denkfehler besteht darin dass Du glaubst, ein bestimmtes Metrum müsse immer einheitlich und vollständig durchgehalten werden - dem ist aber nicht so. Die Metrik in der Musik und der Dichtung sind sich da ganz ähnlich: es gibt Auftakte, unvollständige Takte oder Pausen, Synkopen, Zäsuren, Wechsel des Metrums für ein paar Takte/Zeilen und weißderteufelnochwas …
Es gibt bestimmte Formen der Dichtung, bei denen solche „Abweichungen“ sogar gefordert werden, etwa beim Alexandriner:
„Er entspricht auch einem sechshebigen Jambus. In der deutschen Dichtung war er vor allem im Barockzeitalter gängig. Genau in seiner Mitte, nach der sechsten Silbe, ist außerdem eine deutliche Zäsur zu spüren.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Alexandriner_%28Versleh…
Du kannst auch mal hier schauen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hexameter
http://de.wikipedia.org/wiki/Pentameter

Als Beispiel dazu ein Distichon (Strophe aus einem Hexameter und einem Pentameter) vom alten Schiller:
I m Hex a meter st ei gt des Spr i ngquells fl ü ssige S äu le,
I m Pent a meter dr au f f ä llt sie mel o disch her a b

Meine Kenntnisse in diesem Bereich sind etwas dilettantisch; vielleicht kann Dir jemand das noch genauer erklären.

Ich HÖRE das nur einfach nicht und ERKENNE die Hebung
und die Senkung nicht.

Das ist wiederum wie bei der Musik: Du kannst nur HÖREN, wenn jemand ein Werk vorträgt. dabei ist es egal, ob das instrumental, gesanglich oder rezitierend geschieht.
Nach einer Phase des Lernens und Übens kannst Du dann aus dem Noten- bzw. Schriftbild auch ERKENNEN, wie es der Komponist oder Dichter gemeint hat. Und dann ist es auch bisweilen auch noch eine Frage der Interpretation, wo man Akzente setzt …

Im Fr üh tau zu B e rge wir z ie hn, faller a
Grüße
von der N o rdseek ü ste, vom schn ee weißen Str a nd

Pit

Hallo Arachnia,

ich wahr schon drauf und dran, Dir zum Stampfen mit dem Fuß oder zum Singen des Textes auf drei Tönen zu raten, damit Du die betonten Silben findest. Aber in den Beispielen hast Du immer die richtigen Silben gekennzeichnet. Vielleicht ist das Zufall, aber ich denke, dass die meisten Menschen durchaus Betonungen bewusst wahrnehmen.
Was Dir fehlt, ist dann, das Versmaß zuordnen zu können. Aber ein streng durchgehaltenes Versmaß wirst Du selten finden. Es beginnt schon damit, dass nach der letzten Hebung in einer Zeile keine Senkung mehr zu folgen braucht (dass heißt dann „männlicher Reim“), jedoch auch eine („weiblicher Reim“) oder mehrere („klingender Reim“) Senkungen folgen können.
Beispiel dazu:

Zwei Becken, eins das andre übersteigend
aus einem alten Marmorrand,
und aus dem oberen Wasser leis sich neigend
zum Wasser, welches unten wartend stand, (…)
(aus: Rilke, Römische Fontäne)

– Das sind alles Jamben (xXxXxX…), alle haben fünf Hebungen. Die erste und dritte Zeile haben weiblichen Reim (dadurch gibt es eine zusätzliche Senkung), die zweite und vierte haben männlichen Reim. (Hinzu kommt leider noch, dass man das erste e bei „oberen“ nahezu verschlucken soll, damit es rhythmisch hinkommt. Manche Dichter schreiben dann „obren“, manche auch „ob’ren“ – Rilke überlässt seinen Lesern und Rezitatoren diese Anpassung.)
Und hier noch ein Beispiel für einen klingenden Reim (ist leider auf Englisch) von Georg Kreisler aus dem Lied „Please, shoot your husband“:

Business is falling of, you know, and prices getting horrider:
I hardly have sufficient funds to pay for a short stay in Florida.

Liebe Grüße
Immo