Hallo,
vorab: ich bin zwar als Experte für Fragen des Alkoholismus bei w-w-w eingetragen, meine damit aber eher psychologische als juristische Themen. Für Fragen des Mietrechts sollte evtl. nochmal ein Experte auf diesem Gebiet befragt werden.
Dennoch hier meine Meinung zu diesem Thema: Du schreibst, rechtlich kann nichts unternommen werden, da es sich um eine Krankheit handelt. Das sehe ich anders, denn das Mietrecht gilt für alle, ob krank oder gesund. Wenn also wirklich schwere Verstöße gegen die Hausordnung, Gefährdungen der Hausbewohner oder Versäumnisse vorliegen, dann gibt es das übliche Verfahren: Abmahnung(en), Kündigung, Räumungsklage. Und natürlich NUR dann, wenn wirklich auch gravierende Verstöße vorliegen, denn was die Betreffende in ihrer Wohnung macht, geht nur sie etwas an, solange keine Störungen nach außen dringen.
Dann gibt es natürlich noch die menschliche Dimension. Vielleicht scheut man sich, einen Menschen noch tiefer ins Elend zu stürzen, vielleicht sogar in die Obdachlosigkeit. Oder es ist einem egal, das hängt ganz davon ab, wie sehr das Mitgefühl mit der kranken Person ausgeprägt ist. In jedem Fall ist es aber wahrscheinlich vergebliche Liebesmüh, abzuwarten und darauf zu hoffen, dass die Verfehlungen aufhören. Denn solange die Person sich nicht aus der Abhängigkeit befreit hat, wird sich das Verhalten nicht ändern. Das ist ja einer der Gründe, warum Alkoholismus und Obdachlosigkeit bzw. prekäre Wohnsituationen so eng zusammen hängen.
Aber wenn man das Verhalten aus falsch verstandener Menschlichkeit tolerieren würde, würde man wahrscheinlich nicht mal der Betroffenen einen Gefallen tun, denn nur, wenn man auch die bitteren Folgen der eigenen Suchterkrankung am eigenen Leib erfährt, kann letztlich die Krankheitseinsicht erfolgen. Jedes andere Verhalten wäre eine Art Co-Abhängigkeit, die letztlich zu einer Verlängerung des schädlichen Suchtgeschehens führt.
Vielleicht wäre es ein Kompromiss, juristisch die harte Linie anzugehen, der Betreffenden aber sozusagen als dringenden privaten Rat mitzugeben, dass sie sich professionelle Hilfe holen muss. Meine persönliche Meinung hierzu übrigens: Einzig totale, lebenslange Abstinenz (wenn nötig mit einleitender, stationärer Entgiftung), 12-Punkte-Programm der AA, evtl.Teilnahme an AA-Gruppe/evtl. Psychotherapie führen hier zum Erfolg.
Und schließlich hat das Ganze natürlich auch noch eine gesellschaftliche Dimension. Die ist zwar für den konkreten Fall unerheblich, aber ganz interessant: Vielleicht sollte man darüber reflektieren, wie sehr das Patriarchat, eine seit der Antike bestehende Struktur zur Ausbeutung des Mitmenschen, und seine ökonomischen Säulen Miet- und Zinssystem, mit der Extase-Ersatz-Droge Alkohol und ihrem Missbrauch verknüpft ist. Natürlich kann man als Einzelner, egal an welcher Stelle des Systems, nicht dagegen angehen. Aber man könnte vielleicht auf lange Sicht, durch Erweiterung des Bewußtseinshorizontes der Menschheit einen Wandel herbeiführen. Das aber nur am Rande…
Viele Grüße, Jonas