Militärische Organisation(slehre) - Literatur

Hallo zusammen,

wer sich ein wenig mit dem Thema Militär auseinandersetzt, stellt schnell fest, dass sich jede militärische Struktur früher oder später mit den Themen Umstrukturierung, Transformation o.ä. auseinandersetzen muss. Wir erfahren das z.B. zur Zeit an unserer Bundeswehr.

Doch irgendwie ist es schwer Änderungen in der Struktur zu bewerten. Otto-Normal-Bürger kennt sich ja so gut wie gar nicht mit Organisationen, insbesondere militärischen Organisationen aus. Deshalb möchte ich Euch fragen, ob Ihr Tipps zum Einstieg in diese Thematik habt. Ich habe mir bereits die Bücher „Landkriegsführung“ und „Militärische Betriebslehre“ gekauft, finde die Darstellungen aber recht oberflächlich.
Vermutlich ist es ausreichend, wenn ich mich in die betriebswirtschaftliche Organisationslehre einlese, wäre aber über militärspezifische Literatur sehr erfreut.

Ich hoffe der ein oder andere hat sich mal mit dem Thema beschäftigt und kann mir hier behilflich sein.

Mit den besten Grüßen

DaBenn

Nimm doch mal Bücher von dem. Bessere gab es nie.

http://de.wikipedia.org/wiki/Carl_von_Clausewitz

Hallo Scotty,

von dem habe ich schon etwas gelesen. Darüber hinaus auch von Jomini und Giulio Douhet. Zu dem Thema würde ich als Einstieg folgendes Buch empfehlen: Peter Paret, Gordon Alexander Craig, Felix Gilbert: Makers of modern strategy. From Machiavelli to the nuclear age. Princeton 1986.
Es gibt so viele Militärtheoretiker mehr als nur Clausewitz und die hatten auch ihren Einfluss - besonders Jomini (wenn auch ich Clausewitz durch seine eher allgemeinen Regeln mehr mag).

Wie dem auch sei: All dies würde ich eher in die Strategie einordnen und nicht in die Organisationstheorie (wenn man das denn so nennt).

Also kennt jemand gute Literatur darüber wie eine militärische Organisation funktioniert und welche Erfahrungen mit verschiedenen Organsationsformen gemacht wurden? Ganz allgemein gesagt muss es doch deutliche Unterschiede zwischen einer Berufs- und Wehrpflichtarmee, zwischen einer hohen/hierarchischen und einer flachen Organisationsweise geben. Ich habe selbst noch nicht so tief in den Suchmaschinen und Katalogen gegraben, denke aber hier könnte sich der ein oder andere Insider verstecken…

Beste Grüße und einen schönen Tag noch

DaBenn

wer sich ein wenig mit dem Thema Militär auseinandersetzt,
stellt schnell fest, dass sich jede militärische Struktur
früher oder später mit den Themen Umstrukturierung,
Transformation o.ä. auseinandersetzen muss. Wir erfahren das
z.B. zur Zeit an unserer Bundeswehr.

„Zur Zeit“ ist der falsche Begriff. :wink:
Eine lageangepasste und zukunftsorientierte Struktur ist essentielle Voraussetzung für effektive Streitkräfte und möglichst hohen Kampfwert derselben.
Tatsächlich hat die Bundeswehr noch nie eine angestrebte Struktur jemals zu 100% eingenommen.

Doch irgendwie ist es schwer Änderungen in der Struktur zu
bewerten.

Vor allem muss man hier zunächst einmal zwischen geplanter Änderung und tatsächlich durchgeführter Änderung unterscheiden.
Und dann noch mal zwischen dem in der Planung angestrebten Effekt und dem, der tatsächlich durch eine neue Struktur eintritt. Um mit Loriot zu sprechen: „Das ist immer wieder ein großes Hallo!“

Otto-Normal-Bürger kennt sich ja so gut wie gar
nicht mit Organisationen, insbesondere militärischen
Organisationen aus. Deshalb möchte ich Euch fragen, ob Ihr
Tipps zum Einstieg in diese Thematik habt. Ich habe mir
bereits die Bücher „Landkriegsführung“ und „Militärische
Betriebslehre“ gekauft, finde die Darstellungen aber recht
oberflächlich.

Tja, in einer heilen Welt (so würde es wohl der Bund der Steuerzahler sehen) ist militärische Sruktur ausschließlich nach militärischen Erfordernissen (welche sich eigentlich aus den politischen Vorgaben und der sicherheitspolitischen Strategier ergeben) aufgebaut.
Aber bereits das ist nicht der Fall, obwohl eben diese militärischen Erfordernisse angepasst an die jeweilige Lageänderung an sich die einzig sinvolle Größe darstellen an der man sich orientieren müsste.

Das alleine wäre schon teuer genug, aber eben auch am effektivsten.
Das wird aber nie passieren, da in Deutschland schon im Grundgesetz steht, dass die Haushaltsmittel Umfang und Struktur der Streitkräfte bestimmen und nicht andersherum.
Eine logische Einrichtung, denn so bestimmt der Bundestag (Legislative) mit seinem Haushaltsrecht über den Aufbau der Streitkräfte (Exekutive), welche ja grundsätzlich von der Bundesregierung (ebenfalls Exekutive) geführt werden.

Und ab da fangen dann neben den systemimmanenten Problemen die hausgemachten an. Z.B. wird man kaum einen deutschen Politiker finden, der sich jemals wirklich mit deutscher Verteidigungspolitik, deutschen Sicherheitsinteressen (ja, es gibt sie :wink: ) oder gar der Bundeswehr selbst auseinander gesetzt hat. Irgendwie nicht die besten Voraussetzungen dafür, dass da dieses Jahr über 31 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt sind. Aber Verteidigungspolitik ist in Deutschland ein ungeliebtes Stiefkind der „wichtigen“ Politikfelder mit dem man sich nur befasst, wenn man muss. Und weder Staatssekretäre im BMVg, noch der Verteidigungsminister selber müssen heutzutage Ahnung von dem haben, was ihr täglich Brot ist. Aber „keine Ahnung haben“ ist ja auch nicht schlimm, denn es gibt ja genau dafür „Lobbyisten“, die Parlamentarier und Ministerien ganz uneigennützig mit Informationen versorgen. :wink:

Die Struktur der Bundeswehr ist also weniger ein Ergebnis militärischer Erfordernisse (natürlich hier und da auch), als eine Gemengelage des bundespolitischen Chaos in dem jeder versucht irgendwie seine Ziele durchzusetzen. Ganz nebenbei gibt es dann aber natürlich auch noch internationale Akteure, die UN, EU, NATO oder Bündnispartner wie die USA, die ihre Interessen und Vorgaben berücksichtigt sehen wollen.
Von daher wird es als „Außenstehender“ kaum möglich sein hier wirklich tief in die „Materie“ einzusteigen. Selbst als Betroffener erschließt sich einem vieles nicht.

Vermutlich ist es ausreichend, wenn ich mich in die
betriebswirtschaftliche Organisationslehre einlese, wäre aber
über militärspezifische Literatur sehr erfreut.

Betriebswirtschaftliche Organisationslehre hat aber mit der Bundeswehr nichts zu tun. Wenn dann volkswirtschaftlich Organisationslehre, aber ich wüsste nicht, dass es die gibt. :wink:

Da würdest du aber vermutlich auch schon dran scheitern. Dafür ist die Bundeswehr zu einzigartig als Institution und zu heterogen im Aufbau. Alleine schon die Trennung zwischen Streitkräften und Bundeswehrverwaltung und den damit einhergehenden Statusgruppen innerhalb der Bundeswehr ist sehr komplex und hat massive Auswirkungen auf alle Reformplanungen. Beamte kann man nicht einfach entlassen, Soldaten ebenfalls nicht; unterschiedliche Statusgruppen bedeuten unterschiedliche Rechtsstellungen; Unterstellungsverhältnisse Zivilist-Militär/Militär-Zivilist sind anders als Militär-Militär/Zivilist-Zivilist. Und zu guter letzt ist das deutsche Verwaltungsrecht mittlerweile so komplex, dass es kaum noch „einfache“ Wege gibt.

Und ganz praktisch betrachtet: Die Bundeswehr funktioniert in ihren Grundfunktionen quasi „planwirtschaftlich“ (wobei das Produkt „Sicherheit“ natürlich nicht erfasst oder sichtbar gemacht werden kann). Der Einzelplan 14 wird zerlegt und aufgeteilt und aufs Jahr verteilt. Die Ausgaben sind vorgegeben, Planungen im Friedensgrundbetrieb orientieren sich an den Haushaltsmitteln. Wer spart bekommt im ungünstigsten Fall im Jahr darauf weniger, wer zu viel ausgibt sitzt bis zum Ende des Jahres vielleicht plötzlich auf dem Trockenen.
Und am schönsten ist: Wenn vor 20 Jahren Flugzeuge bestellt wurden, die man heute gar nicht mehr braucht muss man sie trotzdem abnehmen und bezahlen.

Alleine diese ziemlich undurchsichtige „Finanzstruktur“ ist eine Wissenschaft für sich.

Ich hoffe der ein oder andere hat sich mal mit dem Thema
beschäftigt und kann mir hier behilflich sein.

Beschäftigt ja, aber helfen kann ich leider nicht.

Gruß Andreas

Hallo,

danke für die Antwort.
Schade, dass es in Deutschland so wenig theoretische Literatur über das Militär (egal welches) gibt…

Zum Thema Einzigartigkeit des Militärs:
In der „Militärbetriebslehre“ beschrieb Oswald Hahn 1997, dass sich die Betriebswirtschaft und das Militärische gar nicht mal so unähnlich sind. Besonders den Führungsprozess und die Logistik beschrieb er als ziemlich ähnlich. Natürlich ist das Handwerk der Offiziere und der zivilen Vorgesetzten eines Betriebes sehr unterschiedlich, aber die Mechanismen sind ähnlich. Mir fallen da zum Beispiel die SOPs, die es sowohl im militärischen, als auch zivilen Bereich gibt.

Letztendlich entstand das Buch aber noch vor dem Kosovo- und vor allem vor dem Afghanistaneinsatz. Heute würde Hahn seine Behauptung vielleicht revidieren oder umformulieren. Denn ich kann mir vorstellen, dass sich die Unterschiede zwischen Streitkraft und zivilem Betrieb im Einsatz potenzieren, denn mir fällt auf Anhieb kein Beruf im zivilen Leben ein, bei dem Gewalt und Tod eine derart zentrale Rolle spielen - abgesehen von vielleicht dem SEK o.ä.

Herzlichen Dank für Deine Anregungen.

Beste Grüße

DaBenn

Zum Thema Einzigartigkeit des Militärs:
In der „Militärbetriebslehre“ beschrieb Oswald Hahn 1997, dass
sich die Betriebswirtschaft und das Militärische gar nicht mal
so unähnlich sind. Besonders den Führungsprozess und die
Logistik beschrieb er als ziemlich ähnlich.

Diese „Ähnlichkeiten“ sind in dem Sinne gar keine Ähnlichkeiten sondern Gemeinsamkeiten. :wink:
Das hat damit zu tun, dass der seit über hundert Jahren in Deutschland praktizierte militärische Führungsprozess von findigen Geschäftsleuten (irgendwas müssen ja auch Offiziere nach ihrer Dienstzeit machen :wink: ) ins zivile eingebracht und „übersetzt“ wurde.
Wenn du den in der Bundeswehr gebräuchlichen militärischen Führungsprozess mal mit den in der BWL gelehrten Prozessen vergleichst hast du da mindestens 90% (eher mehr) Übereinstimmung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rischer_F%C3…

Militärische Logistik ist aber in der Wirtschaft so nicht mehr wirklich zu finden, da hat sich zivil viel zu viel verändert durch „just in time“, „outsourcing“, Lagerabbau, usw. Tatsächlich verändern sich heutige Streitkräfte mal mehr mal weniger mit dem Ziel wirtschaftlicher zu arbeiten, was eine Übernahme einiger heutiger zivilen Prozesse mit sich bringt.
Allerdings muss man da regelmäßig feststellen, dass man damit schnell mal gegen die Wand fährt. Outsourcing kann für Streitkräfte kaum sinnvoll funktionieren. Denn wenn man das gleiche Ergebnis von einem externen Produzenten/Dienstleister bekommen will, das vorher eigenes Personal geleistet hat stellt man schnell fest: der externe Dienstleister ist eigentlich immer teurer/schlechter/unzuverlässiger. Warum? Wenn outgesourced wird will man für das gleiche Geld mindestens das gleiche bekommen. Nur spielen bei der Kostenberechnung streitkräfteintern Personalkosten kaum eine Rolle und zudem will ein privater Anbieter Geld verdienen. Wenn also beim privaten Anbieter am Ende das Plus herauskommen soll, dann geht das auf Qualität oder Zuverlässigkeit - oder es wird massiv teurer.
Da hat die Bundeswehr in den letzten 15 Jahren bitter für zahlen müssen.
Auch Lagerhaltung lässt sich beim Militär kaum durch „just in time“ Lieferung ersetzen. Denn wenn man bestimmte Dinge (z.B. Ersatzteile oder Munition) dann tatsächlich braucht (z.B. im Kampfeinsatz), dann regelmäßig in großer Menge. Und da es auch andere Staaten mit Streitkräften gibt, die vielleicht ebenfalls den gleichen Bedarf haben ist der Markt ruck zuck leer. Oder aber man stellt plötzlich fest, das die Lieferantennationen nicht mehr liefern, weil eigener Nachschub vorgeht (Beispiel: mangelnde Ersatzteilversorgung für CH-53 Hubschrauber in Afghanistan führte mutmaßlich zu Absturz mit mehreren Toten).
Oder nimm den Afghanistaneinsatz: Plötzlich gehen alle Nationen raus und auf dem zivilen Transportmarkt wird wohl ruck zuck jede Kapazität erschöpft sein - auf Jahre.
Aber Hauptsache wir warten immernoch auf unsere neuen Transportflugzeuge und „überbrücken“ bis dahin primär mit zivilen Anmietungen. :wink:

Nur so ein paar Ansätze.

Gruß Andreas