wer sich ein wenig mit dem Thema Militär auseinandersetzt,
stellt schnell fest, dass sich jede militärische Struktur
früher oder später mit den Themen Umstrukturierung,
Transformation o.ä. auseinandersetzen muss. Wir erfahren das
z.B. zur Zeit an unserer Bundeswehr.
„Zur Zeit“ ist der falsche Begriff.
Eine lageangepasste und zukunftsorientierte Struktur ist essentielle Voraussetzung für effektive Streitkräfte und möglichst hohen Kampfwert derselben.
Tatsächlich hat die Bundeswehr noch nie eine angestrebte Struktur jemals zu 100% eingenommen.
Doch irgendwie ist es schwer Änderungen in der Struktur zu
bewerten.
Vor allem muss man hier zunächst einmal zwischen geplanter Änderung und tatsächlich durchgeführter Änderung unterscheiden.
Und dann noch mal zwischen dem in der Planung angestrebten Effekt und dem, der tatsächlich durch eine neue Struktur eintritt. Um mit Loriot zu sprechen: „Das ist immer wieder ein großes Hallo!“
Otto-Normal-Bürger kennt sich ja so gut wie gar
nicht mit Organisationen, insbesondere militärischen
Organisationen aus. Deshalb möchte ich Euch fragen, ob Ihr
Tipps zum Einstieg in diese Thematik habt. Ich habe mir
bereits die Bücher „Landkriegsführung“ und „Militärische
Betriebslehre“ gekauft, finde die Darstellungen aber recht
oberflächlich.
Tja, in einer heilen Welt (so würde es wohl der Bund der Steuerzahler sehen) ist militärische Sruktur ausschließlich nach militärischen Erfordernissen (welche sich eigentlich aus den politischen Vorgaben und der sicherheitspolitischen Strategier ergeben) aufgebaut.
Aber bereits das ist nicht der Fall, obwohl eben diese militärischen Erfordernisse angepasst an die jeweilige Lageänderung an sich die einzig sinvolle Größe darstellen an der man sich orientieren müsste.
Das alleine wäre schon teuer genug, aber eben auch am effektivsten.
Das wird aber nie passieren, da in Deutschland schon im Grundgesetz steht, dass die Haushaltsmittel Umfang und Struktur der Streitkräfte bestimmen und nicht andersherum.
Eine logische Einrichtung, denn so bestimmt der Bundestag (Legislative) mit seinem Haushaltsrecht über den Aufbau der Streitkräfte (Exekutive), welche ja grundsätzlich von der Bundesregierung (ebenfalls Exekutive) geführt werden.
Und ab da fangen dann neben den systemimmanenten Problemen die hausgemachten an. Z.B. wird man kaum einen deutschen Politiker finden, der sich jemals wirklich mit deutscher Verteidigungspolitik, deutschen Sicherheitsinteressen (ja, es gibt sie ) oder gar der Bundeswehr selbst auseinander gesetzt hat. Irgendwie nicht die besten Voraussetzungen dafür, dass da dieses Jahr über 31 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt sind. Aber Verteidigungspolitik ist in Deutschland ein ungeliebtes Stiefkind der „wichtigen“ Politikfelder mit dem man sich nur befasst, wenn man muss. Und weder Staatssekretäre im BMVg, noch der Verteidigungsminister selber müssen heutzutage Ahnung von dem haben, was ihr täglich Brot ist. Aber „keine Ahnung haben“ ist ja auch nicht schlimm, denn es gibt ja genau dafür „Lobbyisten“, die Parlamentarier und Ministerien ganz uneigennützig mit Informationen versorgen.
Die Struktur der Bundeswehr ist also weniger ein Ergebnis militärischer Erfordernisse (natürlich hier und da auch), als eine Gemengelage des bundespolitischen Chaos in dem jeder versucht irgendwie seine Ziele durchzusetzen. Ganz nebenbei gibt es dann aber natürlich auch noch internationale Akteure, die UN, EU, NATO oder Bündnispartner wie die USA, die ihre Interessen und Vorgaben berücksichtigt sehen wollen.
Von daher wird es als „Außenstehender“ kaum möglich sein hier wirklich tief in die „Materie“ einzusteigen. Selbst als Betroffener erschließt sich einem vieles nicht.
Vermutlich ist es ausreichend, wenn ich mich in die
betriebswirtschaftliche Organisationslehre einlese, wäre aber
über militärspezifische Literatur sehr erfreut.
Betriebswirtschaftliche Organisationslehre hat aber mit der Bundeswehr nichts zu tun. Wenn dann volkswirtschaftlich Organisationslehre, aber ich wüsste nicht, dass es die gibt.
Da würdest du aber vermutlich auch schon dran scheitern. Dafür ist die Bundeswehr zu einzigartig als Institution und zu heterogen im Aufbau. Alleine schon die Trennung zwischen Streitkräften und Bundeswehrverwaltung und den damit einhergehenden Statusgruppen innerhalb der Bundeswehr ist sehr komplex und hat massive Auswirkungen auf alle Reformplanungen. Beamte kann man nicht einfach entlassen, Soldaten ebenfalls nicht; unterschiedliche Statusgruppen bedeuten unterschiedliche Rechtsstellungen; Unterstellungsverhältnisse Zivilist-Militär/Militär-Zivilist sind anders als Militär-Militär/Zivilist-Zivilist. Und zu guter letzt ist das deutsche Verwaltungsrecht mittlerweile so komplex, dass es kaum noch „einfache“ Wege gibt.
Und ganz praktisch betrachtet: Die Bundeswehr funktioniert in ihren Grundfunktionen quasi „planwirtschaftlich“ (wobei das Produkt „Sicherheit“ natürlich nicht erfasst oder sichtbar gemacht werden kann). Der Einzelplan 14 wird zerlegt und aufgeteilt und aufs Jahr verteilt. Die Ausgaben sind vorgegeben, Planungen im Friedensgrundbetrieb orientieren sich an den Haushaltsmitteln. Wer spart bekommt im ungünstigsten Fall im Jahr darauf weniger, wer zu viel ausgibt sitzt bis zum Ende des Jahres vielleicht plötzlich auf dem Trockenen.
Und am schönsten ist: Wenn vor 20 Jahren Flugzeuge bestellt wurden, die man heute gar nicht mehr braucht muss man sie trotzdem abnehmen und bezahlen.
Alleine diese ziemlich undurchsichtige „Finanzstruktur“ ist eine Wissenschaft für sich.
Ich hoffe der ein oder andere hat sich mal mit dem Thema
beschäftigt und kann mir hier behilflich sein.
Beschäftigt ja, aber helfen kann ich leider nicht.
Gruß Andreas