Minderheiten als Opfer von Volksentscheiden

Zu diesem Zweck wurde schon vor Jahrzehnten das Prinzip der
„Leistung“, des „Wettbewerbs“, das „Recht des Stärkeren“, der
„Staatsbürgerschaft“ oder wahlweise der Zugehörigkeit zu einem
„Kulturkreis“ in allen Bildungsinstitutionen, sozialen
Einrichtungen, vor allem in sämtlichen medialen
Veranstaltungen, bis in Beziehungen aller Art hinein als
Leitmotive installiert, vermehrt, vervielfacht, verstärkt, bis
sich die Alternativlosigkeit dieser Denkmuster überall
ausgebreitet hat und humanistische Prinzipien wie die
universellen Menschenrechte und das Recht auf Asyl wie Relikte
aus der alten Zeit wirken und damit durch und durch unpopulär
werden.

Bei dem Text, den ich zitiert habe, handelt es sich um einen (!) Satz. Man bekommt den Eindruck, du wolltest durch ausschweifende Formulierungen etwas übertünchen, nämlich deine schlichte und fehlgeleitete Argumentationsweise.

Warum fehlgeleitet? Weil du bestimmte grundlegende Erkenntnisse noch nicht erfasst hast. Hier steht etwas über die Problematik:http://taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/linke-… Ja, der Artikel ist tatsächlich aus der taz.

Gruß
Ultra

Bei dem Text, den ich zitiert habe, handelt es sich um einen
(!) Satz.

*schmunzel* ja, der ist wirklich etwas sehr lang ausgefallen. Kann passieren, wenn man so viel wie möglich unterbringen möchte.

Man bekommt den Eindruck, du wolltest durch
ausschweifende Formulierungen etwas übertünchen, nämlich deine
schlichte und fehlgeleitete Argumentationsweise.

Dieser Eindruck sei dir unbenommen. Aber „übertünchen“ wollte ich damit ganz sicherlich nichts. Der von dir zititerte Satz stellt einen Versuch dar, meine umfangreichen Ausarbeitungen zu dem Thema zusammenzufassen. Ist mir offenbar nicht ganz so erfolgreich gelungen. Dann halt beim nächten Mal.

Aber anstatt dich über die nicht ganz gelungene Konstruktion des Satzes aufzuregen, hättest du dich ja auch einmal mit den Inhalten auseinandersetzen können. Wenn sie so „schlicht“ sind, dann wäre es doch die leichteste Übung für dich, mich zu widerlegen. Der Link auf den taz-Artikel zählt nicht.

Warum fehlgeleitet? Weil du bestimmte grundlegende
Erkenntnisse noch nicht erfasst hast.

Nee, Schätzchen, das sind keine grundlegenden „Erkenntnisse“, sondern der Versuch, irrationale Denkmuster zu rationalisieren. Dass die taz in diesen Chor eingestimmt hat, wundert mich hingegen nicht besonders.

Die Widerlegung der „Mythen“ belegt bedauerlicherweise nur einmal mehr meine Ausführungen vom unhinterfragten Konsens: Der Wettbewerb ist gesetzt. Der „Standort Deutschland“ das höchste Gut. Alles muss sich dem unterordnen. Auch das Recht auf dieselbe Behandlung. Wer sich nicht anpasst, hat verloren. Wer keinen Wert für den Standort hat, wird aussortiert (oder kommt eben gar nicht erst rein).

Das ist die Logik des taz-Artikels, inklusive Aufwärmung der Integrationsdebatte. Aber dieser Artikel wurde nicht im luftleeren Raum geschrieben, sondern knüpft an den dominanten Prinzipien und Diskussionen an. Diese Vorläufer habe ich versucht in meinem gestrigen Artikel darzustellen. Dem Autor ist es offenbar nicht gelungen, sich davon zu lösen, und verkauft dies als „Entmythodologisierung“. Das wäre echt drollig, wenn es nicht so traurig wäre.

Hallo Menschine,

Dieser Eindruck sei dir unbenommen. Aber „übertünchen“ wollte
ich damit ganz sicherlich nichts. Der von dir zititerte Satz
stellt einen Versuch dar, meine umfangreichen Ausarbeitungen
zu dem Thema zusammenzufassen. Ist mir offenbar nicht ganz so
erfolgreich gelungen. Dann halt beim nächten Mal.

Aber anstatt dich über die nicht ganz gelungene Konstruktion
des Satzes aufzuregen, hättest du dich ja auch einmal mit den
Inhalten auseinandersetzen können. Wenn sie so „schlicht“
sind, dann wäre es doch die leichteste Übung für dich, mich zu
widerlegen. Der Link auf den taz-Artikel zählt nicht.

das interpretiere ich so, dass du dich für dich mit dem Thema beschäftigst hast und dir dazu bereits „umfangreiche Ausarbeitungen“ überlegt hast, in denen du zu bestimmten Schlüssen kommst. Bei solchen Ausarbeitungen ist es im Nachhinein immer fraglich, ob der Verfasser wirklich ergebnisoffen eine Frage untersucht oder vorher schon eine bestimmte Meinung vertreten hat und diese dann nur noch in eine wissenschaftliche Hülle packt.

Mir scheint, du setzt dich in politischer Hinsicht gegen Ausländerfeindlichkeit ein und überträgst deine politischen Ansichten auf die Frage der Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern. Inhaltlich ist dir sehr leicht zu entgegnen, weil du – nur um mal einzelne Argumente von dir herauszugreifen – einen angeblichen Verstoß gegen die Menschenrechte konstatierst und außerdem sinngemäß eine Doppelbestrafung siehst, die ja bekanntlich verboten ist. In beiden Punkten liegst du allerdings falsch.

Ich habe bereits (und zwar in diesem Thread, in dem wir uns gerade befinden) erläutert und auch durch Zitat belegt, dass eine Abschiebung kein Verstoß gegen die Menschenrechte darstellt, sofern ein rechtsstaatliches Verfahren dabei eingehalten wird. Die Souveränität eines jeden Staates begründet auch das Recht, normative Vorgaben über den Aufenthalt von Ausländern zu treffen. Ich hoffe, dass du diesen Schluss nachvollziehen kannst.

Ähnliches gilt für die angebliche Doppelbestrafung. Diese gibt es in der vorliegenden Situation nicht, denn strafrechtlich wird jede Straftat nur maximal einmal sanktioniert. Die Entscheidung über den Aufenthaltsstatus ist demgegenüber eine ausländerrechtliche Frage, die in einem ganz anderen Rechtsweg erfolgt und nicht mit einer strafrechtliche Sanktion gleichzusetzen ist. Da kein Ausländer ein naturgegebenes Recht auf unbegrenzten Aufenthalt in einem Land hat, ist die Entscheidung einer Ausweisung unter Einhaltung des Rechtsweges ein Verwaltungsakt. Zweifellos besteht eine belastende Wirkung für den Betroffenen, doch wird man keinesfalls in den Bereich „ne bis in idem“ kommen. Übrigens können unter gewissen Umständen auch Ausländer abgeschoben werden, die sich nie etwas zu Schulden kommen lassen haben.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass einem Staat normativ grundsätzlich das Recht zusteht, straffällige Ausländer abzuschieben. Dass du das gerne anders hättest, hilft uns da nicht weiter. Es ist einfach so. Für die weitere Diskussion ist daher die grundsätzliche Erkenntnis unerlässlich, dass es sich dabei um eine politische Entscheidung handelt.

Doch auch für deine Linie ist das gar nicht unbedingt schädlich. Der Gesetzgeber kann eine Entscheidung treffen. Die Entscheidung kann auch lauten, dass es derartige Abschiebungen nicht geben soll. Insofern kannst du gerne hervorheben, dass du eine Lösung wie in der Schweiz für politisch falsch hältst. Nur darfst du nicht jede Entscheidung, die du für politisch verkehrt hältst, als rechtswidrig oder unmenschlich darstellen.

Viele Grüße
Ultra

Oh mein Gott, wie ist das arm, sich über Leute mit Legasthenie lustig zu machen!

das interpretiere ich so, dass du dich für dich mit dem Thema
beschäftigst hast und dir dazu bereits „umfangreiche
Ausarbeitungen“ überlegt hast, in denen du zu bestimmten
Schlüssen kommst. Bei solchen Ausarbeitungen ist es im
Nachhinein immer fraglich, ob der Verfasser wirklich
ergebnisoffen eine Frage untersucht oder vorher schon eine
bestimmte Meinung vertreten hat und diese dann nur noch in
eine wissenschaftliche Hülle packt.

„Ergebnisoffen“ in dem Sinne, dass ich vorher nicht genau weiß, wie sich meine Ausarbeitung argumentativ entwickeln wird: ja. „Ergebnisoffen“ in dem Sinne, dass ich jede Position unkritisch übernehme: nein. Sagt dir das Stichwort „repressive Toleranz“ etwas?

Unter den Geisteswissenschaftlern hat es sich - zum Glück - auch bereits herumgesprochen, dass es keine Objektivität gibt (unter den Juristen offenbar noch nicht). Deshalb besteht der Knackpunkt während seiner wissenschaftlichen Ausbildung gerade darin, sich über seine eigenen Voraussetzungen bewusst zu werden. Ich bin mir meiner bewusst, aber ob für dich dasselbe gilt, wage ich doch zu bezweifeln.

Inhaltlich ist dir sehr leicht zu
entgegnen, weil du – nur um mal einzelne Argumente von dir
herauszugreifen – einen angeblichen Verstoß gegen die
Menschenrechte konstatierst und außerdem sinngemäß eine
Doppelbestrafung siehst, die ja bekanntlich verboten ist.

Von einer „Doppelbestrafung“ habe ich nicht gesprochen, sondern von einer ungleichen und unverhältnismäßigen Bestrafung. Um dir die Widerrede gleich zu nehmen: die gültige Rechtssprechung hat in diesem Punkt m. E. ohnehin schon längst versagt und kommt für mich deshalb nicht in Betracht. Jurististische Spitzfindigkeiten fallen übrigens in dieselbe Kategorie.

In beiden Punkten liegst du allerdings falsch.
Ich habe bereits (und zwar in diesem Thread, in dem wir uns
gerade befinden) erläutert und auch durch Zitat belegt, dass
eine Abschiebung kein Verstoß gegen die Menschenrechte
darstellt, sofern ein rechtsstaatliches Verfahren dabei
eingehalten wird.

… was die Unmenschlichkeit dieses Verfahrens aber nur verschleiert und pseudo-professionalisiert. Ich empfehle dir hierzu den Film „Abschiebung im Morgengrauen“ anzuschauen. Das ist ein recht anschauliches Beispiel dafür, auf welche Weise rechtstaaatliche Grundsätze als Vorwand verwendet dafür werden, keine Einzelfallprüfungen zuzulassen und Menschenleben zu zerstören.

Die Souveränität eines jeden Staates
begründet auch das Recht, normative Vorgaben über den
Aufenthalt von Ausländern zu treffen. Ich hoffe, dass du
diesen Schluss nachvollziehen kannst.

Ich kenne dieses Argument zugenüge. Es läuft darauf hinaus, dass der Staat alles ist, und der Einzelne nichts. Um es abzukürzen und du hast dies ja schon recht gut erfasst: Genau das akzeptiere ich nicht.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass einem Staat normativ
grundsätzlich das Recht zusteht, straffällige Ausländer
abzuschieben. Dass du das gerne anders hättest, hilft uns da
nicht weiter. Es ist einfach so.

Es muss aber nicht so bleiben.

Für die weitere Diskussion
ist daher die grundsätzliche Erkenntnis unerlässlich, dass es
sich dabei um eine politische Entscheidung handelt.

Ja, darauf können wir uns tatsächlich einigen, aber damit stehen wir leider wieder am Anfang. Ich hatte meine Ausführungen ursprünglich damit begonnen, zu versuchen zu erklären, wie die Akzeptanz dieser politischen Entscheidungen sichergestellt wird, welche Anknüpfungspunkte zu anderen Denkmustern bestehen und warum die Demokratie unter diesen Voraussetzungen nicht gedeihen kann.

Und jetzt kommst du und hältst diesen Ausführungen die staatliche Souveräntität entgegen? Ein jeder möge daraus seine Schlussfolgerungen ziehen.

Apropos Schluss: für mich ist diese Diskussion an dieser Stelle beendet.

Oh mein Gott, wie ist das arm, sich über Leute mit Legasthenie
lustig zu machen!

Du hast den Gag also nicht verstanden.
Nur so viel: es wurde sich nicht lustig gemacht, sondern der Beitrag ist durchaus als ein Argument zu verstehen.

Gruß TL

Hallo

  1. An alle, die die Abschiebung von „kriminellen Ausländern“
    befürworten:

Ich fühle mich also mal angesprochen.

Wie ist das eigentlich, denkt ihr, weil ihr in
der brd oder in der Schweiz geboren wurdet - was wohlgemerkt
ein Zufall war, weder eine Vorhersehung noch etwas, das ihr
spezifisch beeinflussen habt können - dass ihr etwas besseres
seid und deshalb eine bevorzugte Behandlung verdient?

Naja, mit der Geburt allein ist es zumindest in Deutschland ja noch nicht getan. Doch wenn, dann sind wir halt zufällig Staatsbürger - mit einem nur der Staatsbürgerschaft inhärenten unbedingten Aufenthaltsrecht. Etwa so, wie das verbriefte Eigentum an einer selbst errichteten oder vom eigenen Geld gekauften oder von den Vorfahren ererbten Immobilie das exklusive Haus- wie Verwertungsrecht daran begründet.

Wie
kommt ihr überhaupt darauf, dass eingewanderte Menschen nicht
dieselben Rechte genießen dürfen?

Es kommt wohl auf die Art der Einwanderung an: Legal oder illegal. Und als Einwanderer (statt nur als _Gast_arbeiter, um diesen altmodischen Begriff mal wieder zu verwenden), also definitionsgemäß mit dem Willen, sich dauerhaft hier zu integrieren, und das auch noch als nützliches und nicht als schmarotzendes Mitglied der Gesellschaft unter Beweis zu stellen, sollte man sich schlüssigerweise auch um die Staatsangehörigkeit bemühen. Oder um im Bild zu bleiben: Miteigentumsanteile an der Immobilie erwerben und neben Rechten eben auch Pflichten beim Unterhalt des Gebäudes übernehmen - statt mietfrei, aber ohne Stimm- und Wohnrecht ins Gästezimmer zu ziehen. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft setzt allerdings natürlich zumindest schon einmal einen legalen Aufenthaltsstatus voraus, und übrigens auch den Willen, nicht mehr abschiebbar zu sein.

Staatsbürger erhalten für einen Rechtsübertritt eine Strafe,
„kriminelle Ausländer“ werden abgeschoben. Das eine Strafmaß
ist mit dem anderen nicht vergleichbar,

Insbesondere handelt es sich bei letzterem um keine Strafe, sondern um einen Verwaltungsakt. Oder um wiederum im Bild zu bleiben: Mein Sohn randaliert mit seinem Freund in meinem Haus herum. Mein Sohn geht auf sein Zimmer und wird später bestraft, der Freund hingegen wird rausgeschmissen. Wer ist nun schlimmer dran? Und wer von beiden wollte sich ob der ihm zuteil werdenden Behandlung gegenüber dem anderen benachteiligt fühlen?

mal abgesehen davon,
dass „Ausländer“ zumindest in der brd gegen Gesetze verstoßen
können, die es für „Deutsche“ gar nicht gibt (z. B. die
Residenzpflicht

Umgekehrt gibt es in Deutschland Gesetze, gegen die nur Deutsche, nicht aber Ausländer verstoßen könne, so zum Beispiel die Wehrgesetzgebung oder das Beamtenrecht. Übrigens ist die „Residenzpflicht“ in meinem Haus so geregelt, dass nicht alle Gäste zu jedem Zimmer Zutritt haben.

Aber so wie ich deine Argumentation verstehe, verneinst du von vornherein das Recht von Gesellschaften, Staaten zu gründen und den Zutritt dorthin zu beschränken. Ebenso wäre dann das Recht von Individuen zu verneinen, überhaupt Grundeigentum zu erwerben. Denn die Erdoberfläche - und alles was auf ihr ist - gehört allen.

Leider können wir die Erde nur schwer in zwei gleiche Hälften teilen und selbst mit unserem Land wird das nicht gelingen: In der einen Hälfte wohnen die, die das „alte“ System bevorzugen, in der anderen wohnt die Weltkommune. Ideal wäre die Lösung schon, den man könnte jenseits allen Theoretisierens eine, sagen wir mal: Zehn Jahre währende vergleichende Feldstudie machen.

Bis dahin einstweilen meine Antithese: Die Aushöhlung der Demokratiefähigkeit und der Bereitschaft zur Achtung universeller Menschenrechte erfolgt primär durch die Anwälte einer kriminellen Minderheit, die den durchaus vorhandenen Langmut der Mehrheit gegenüber dieser kriminellen Minderheit überstrapazieren und ihr damit letztlich einen Bärendienst erweisen. Die Schweiz ist kein Zufall, sie ist notwendige Folge der Bewusstwerdung der Mehrheit, zu der die Minderheit sich so lange so sehr in Kontrast setzt, dass sie als ein Problem der Mehrheit schlicht nicht mehr ignoriert werden kann. Die einzelnen Mitglieder der Minderheit werden dann selbstverständlich zu „billigsten“ Preisen unschädlich gemacht: Die einen (integrierten), indem man sie festsetzt, die anderen (nicht integrierten), indem man sie rauswirft.

Übrigens bei beiden Varianten ein sehr humaner Unterschied zu früheren Zeiten: Wenn man damals Kriminelle entsorgen wollte, hat man sie ganz ohne Ansehung ihrer Herkuft ganz einfach für vogelfrei erklärt. Das war nicht gerade feinsinnig, aber zumindest ging es damals in deinem Sinne gerechter zu.

smalbop

Hallo smalbop,

auch wenn ich arg zeitverzögert auf deine Antwort reagiere, hoffe ich, dass du sie noch lesen kannst, bevor die Diskussion ins Archiv wandert. Ich habe nämlich zu deiner Antithese noch ein paar wichtige Verständnisfragen, bevor ich darauf reagiere.

Aber vorab noch ein paar Kommentierungen zu deinen übrigen Aussagen. An dieser Stelle schon einmal danke für die Vorlagen, weil sie mir die Gelegenheit geben, auf ein paar wesentliche Punkte aufmerksam zu machen, die im öffentlichen Diskurs leider häufig ignoriert werden.

Es kommt wohl auf die Art der Einwanderung an: Legal oder
illegal.

Es gibt kaum noch Möglichkeiten der „legalen“ Einwanderung nach Deutschland, weil das Recht auf Asyl mit der Drittstaatenregelung de facto abgeschafft wurde (vgl. beispielsweise http://www.asyl.net/index.php?id=85 - oder http://www.proasyl.info/presse98/mai26.htm ). Menschen, die es trotzdem geschafft haben, erhalten dann den Status der „Duldung“, der jedoch kein Aufenthaltstitel ist. Unter dem folgenden Link eine kurze Übersicht über die Rechte und Pflichten: http://infonet-frsh.de/aufenthalt0/die_duldung/

Die Rechte, die dort benannt werden, z. B. darauf, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, werden in der Praxis jedoch sehr viel rigoroser abgelehnt, als es theoretisch den Anschein hat. Ich weiß wovon ich rede, weil ich jahrelang Menschen mit dem Duldungsstatus in die Ausländerbehörde begleitet habe: selbst wenn sie sich anmaßen, eine Stelle als Geringfügig Beschäftigte à 10 Stunden die Woche annehmen zu wollen, um sich wenigstens etwas mehr leisten zu können, wie beispielsweise Nachhilfe für ihre Kinder oder auch Sprachkurse, die meistens nicht kostenlos angeboten werden, wird ihnen das in der Regel verwehrt. Das Prozedere ist nämlich so, dass die freie Stelle, die sie ausfindig gemacht haben, zu allererst als freie Stelle dem Arbeitsamt gemeldet wird und wenn es einen Deutschen gibt, der diese übernehmen könnte, ist die Stelle weg und die Arbeitserlaubnis wird abgelehnt.

Das Gleiche gilt für Kinder, die den Status der Duldung haben: wenn diese versuchen, eine Ausbildungsstelle zu finden, ist die Minderheit der Verantwortlichen der jeweiligen Ausbildungsstellen selbst bei grundsätzlichem Interesse nicht dazu bereit, ihnen die Ausbildungsstelle zu geben, weil ihre potentiellen Lehrlinge/Auszubildende schließlich noch während der Ausbildung abgeschoben werden könnten (eine Duldungszyklus beläuft sich jeweils auf einige Wochen oder maximal einige Monate, die zwar auch verlängert werden, aber es gibt eben keine Garantie dafür). Es gibt über diese desolate Situation der betroffenen Jugendlichen eine sehenswerte Dokumentation, die ich nur wärmstens empfehlen kann: http://www.statusgeduldet-derfilm.de/

So viel zum Punkt „Schmarotzertum“. Es ist sehr leicht zu behaupten, dass alle „Ausländer“ nicht arbeiten oder sich nicht integrieren wollen. Dass es jedoch strukturelle Benachteiligungen gibt, die sie vom Arbeitsmarkt ausschließen, fällt dabei aber meistens unter dem Tisch. Auf diese Weise wird das Urteil jedoch verfälscht. Es unterstellt eine mangelnde Motivation, obwohl es sich tatsächlich um strukturelle Benachteiligungen handelt (welche übrigens - das muss man der Vollständigheit halber wenigstens auch kurz erwähnen - nicht nur „geduldete“ Menschen betrifft, sondern auch generell ökonomisch schlechter gestellte Menschen - die BRD wird nicht umsonst häufiger für ihre diskriminierendes Bildungssystem gerügt).

Oder um wiederum im Bild zu
bleiben: Mein Sohn randaliert mit seinem Freund in meinem Haus
herum. Mein Sohn geht auf sein Zimmer und wird später
bestraft, der Freund hingegen wird rausgeschmissen. Wer ist
nun schlimmer dran? Und wer von beiden wollte sich ob der ihm
zuteil werdenden Behandlung gegenüber dem anderen
benachteiligt fühlen?

Mit Verlaub, aber das ist wirklich kein Beispiel, das du als Vergleich heranziehen kannst: Der Freund deines Sohnes verliert durch den Rausschmiss nicht sein komplettes Lebensumfeld und landet auch nicht an einem Ort, der ihm möglicherweise sein Leben kosten könnte.

Umgekehrt gibt es in Deutschland Gesetze, gegen die nur
Deutsche, nicht aber Ausländer verstoßen könne, so zum
Beispiel die Wehrgesetzgebung oder das Beamtenrecht.

OK, der Hinweis ist berechtigt. Die Wehrgesetzgebung halte ich tatsächlich auch für höchst problematisch, aber das gehört ja auch bald der Vergangenheit an.

Trotzdem halte ich beides nicht für vergleichbar. Deshalb zur Residenzpflicht noch eine Bemerkung: Die Residenzpflicht untersagt dir, ein Bundesland (manchmal auch nur einen Stadtbezirk) zu verlassen: es schränkt dich massiv in deiner Bewegungsfreiheit ein. Hast du überhaupt eine Vorstellung davon, was das für die Betroffenen bedeutet?

Da ihre Familienangehörige teilweise über das ganze Land verstreut leben (sie haben kein Mitspracherecht, in welchem Bundesland sie leben dürfen), können sie andere Familienangehöre nicht besuchen, selbst wenn diese schwer krank sind. Es kann auch mal sein, dass sie die Hilfe eines Arztes in einem anderen Bundesland benötigen, weil es diese Spezialisten in deinem eigenen Bundesland nicht gibt.

Du meinst, da wird doch bestimmt eine Ausnahme gemacht? Nein, machen sie nicht. Anträge auf eine befristete Aussetzung der Residenzpflicht werden von den Beamten der Ausländerbehörde mit der flapsigen Bemerkung kommentiert: „Ist doch nicht mein Problem.“ Das haben ich (und viele weitere Mitglieder von Flüchtlingsberatungssstellen) wie gesagt mehrmals erlebt. Um „Einzelfälle“ handelt es sich dabei nicht. Das hat System: sie sollen zermürbt werden, damit sie das Land „freiwillig“ verlassen.

Übrigens
ist die „Residenzpflicht“ in meinem Haus so geregelt, dass
nicht alle Gäste zu jedem Zimmer Zutritt haben.

Nochmals: auch dieses Beispiel halte ich für unzulässig. Hier geht es nicht darum, dass Leute in deinen Privatbereich eindringen wollen, sondern sich lediglich im Land frei bewegen wollen. Sollen sie es doch trotzdem machen, fällt schon nicht auf?

Pustekuchen: Gerade Migranten werden wegen ihres vermeintlich „fremden“ Aussehens x-Male häufiger von Sicherheitskräften aller Art kontrolliert. Das bedeutet, dass ihre „kriminelle“ Handlung nicht nur keine Handlung ist, die der Gesellschaft Schaden zufügt, sondern auch insbesondere dass diese „Täter“ auch viel häufiger bei ihrer „Tat“ „erwischt“ werden und deshalb erheblich schneller in die Kategorie „Kriminelle Ausländer“ rutschen, bei denen eine Abschiebung „berechtigt“ erscheint. Das einmal ganz grundsätzlich dazu.

Was den gern angeführten Punkt der Gewalt betrifft, bestehe ich darauf, dass es sich um ein soziales Problem handelt und nicht um ein kulturelles: Perspektivlosigkeit und mangelnde Akzeptanz als Mensch führt zum Rückzug oder zu Gewalt, aber diese Perspektivlosigkeit ist ein politisch und sozial verursachtes Problem, von dem ebenso auch Deutsche betroffen sind, die nicht minder gewaltlos agieren. Viele sind angesichts ihrer Situation frustriert. Sie gehören zu den „Überflüssigen“ und das wird ihnen auch in jeder Situation deutlich gemacht. Das ist keine Frage der „Kultur“, die Stellung in der sozialen Hierarchie ist hier das entscheidende, aber auch das wird natürlich ungern öffentlich thematisiert.

Aber so wie ich deine Argumentation verstehe, verneinst du von
vornherein das Recht von Gesellschaften, Staaten zu gründen
und den Zutritt dorthin zu beschränken.

Ja, genauso meine ich das. Es mag im vorletzten Jahrhundert eine Zeit gegeben haben, in der die Nationsbildung als eine Lösung erschien, aber die Bildung von Nationen hat auch dazu geführt, dass Migration - ein seit Beginn der Menschheit existierendes Phänomen - zu einem Problem stilisiert wurde. Dabei hat jede Nation davon „profitiert“, dass es zu einem Austausch gekommen ist.

Bis dahin einstweilen meine Antithese: Die Aushöhlung der
Demokratiefähigkeit und der Bereitschaft zur Achtung
universeller Menschenrechte erfolgt primär durch die Anwälte
einer kriminellen Minderheit, die den durchaus vorhandenen
Langmut der Mehrheit gegenüber dieser kriminellen Minderheit
überstrapazieren und ihr damit letztlich einen Bärendienst
erweisen.

… weil diese „Anwälte“ die strukturellen Benachteiligungen nicht ausblenden wollen. Wenn das Recht auf Chancengleichheit und das Recht auf Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben wirklich gegeben wären, bräuchte es auch diese „Anwälte“ nicht.

Die Schweiz ist kein Zufall, sie ist notwendige
Folge der Bewusstwerdung der Mehrheit, zu der die Minderheit
sich so lange so sehr in Kontrast setzt, dass sie als ein
Problem der Mehrheit schlicht nicht mehr ignoriert werden
kann. Die einzelnen Mitglieder der Minderheit werden dann
selbstverständlich zu „billigsten“ Preisen unschädlich
gemacht: Die einen (integrierten), indem man sie festsetzt,
die anderen (nicht integrierten), indem man sie rauswirft.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich hier richtig verstehe: Sagst du damit, dass sich die Minderheit von der Mehrheit selbst abgegrenzt hat und deshalb zu einem Problem für die Mehrheit geworden ist, auf das die Mehrheit notwendigerweise reagieren musste? Dann verstehe ich aber die Einleitung zu deinem zweiten Satz nicht, denn unter dieser Voraussetzung wäre die Festsetzung doch die notwendige Konsequenz aus der Problematisierung der Minderheit? Was mir daran das Verständnis erschwert, ist, dass du schreibst, dass sie "„zu den „billigsten“ Preisen unschädlich gemacht werden“: Ich lese einen Hauch Kritik an dem Vorgehen heraus, der aber mit dem Rest deiner Aussagen nicht zusammenpasst. Oder meinst du die Aussage wirklich sinngemäß genauso, wie du es schreibst: sie „unschädlich“ zu machen?

Gruß
menschine

Es gibt kaum noch Möglichkeiten der „legalen“ Einwanderung
nach Deutschland

Wie bitte?

Gruß TL

Es gibt kaum noch Möglichkeiten der „legalen“ Einwanderung
nach Deutschland

Wie bitte?

Ok, ich präzisiere: es gibt kaum noch Möglichkeiten der „legalen“ Einwanderung für Menschen außerhalb der EU. „Kaum noch Möglichkeiten“ bedeutet nicht, dass es überhaupt keine gibt, aber sie sind begrenzt und darüber hinaus nur auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten. In diesem Interview kannst du mehr darüber erfahren (den unwahrscheinlichen Fall vorausgesetzt, dass es dich tatsächlich interessiert):

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28870/1.html

Gruß
menschine

(den unwahrscheinlichen Fall
vorausgesetzt, dass es dich tatsächlich interessiert):

Es gäbe in der Tat dazu noch einiges zu sagen, aber mit dieser Bemerkung hast du dich leider als Gesprächspartner disqualifiziert.

TL