Hi Desperado,
danke, dass du einen Versuch gestartet hast, das Thema hier anzusprechen. Ich teile deine Ansicht, dass der Volksentscheid einen zutiefst diskriminierenden Kern enthält, der Beunruhigung hervorruft. Ich fände es interessant zu erfahren, wie präsent die Fürsprache dieser Regelung in der medialen Verbreitung gewesen ist oder ob eine ausgeglichene Berichterstattung erfolgt ist, die den Schweizern zumindest die Chance gegeben hätte, sich ein umfassendes Bild über die Gesamtsituation zu machen.
Angesichts der Antworten hier, die mich echt erschüttert haben, möchte ich meine Antwort in zwei Teile teilen:
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An alle, die die Abschiebung von „kriminellen Ausländern“ befürworten: Wie ist das eigentlich, denkt ihr, weil ihr in der brd oder in der Schweiz geboren wurdet - was wohlgemerkt ein Zufall war, weder eine Vorhersehung noch etwas, das ihr spezifisch beeinflussen habt können - dass ihr etwas besseres seid und deshalb eine bevorzugte Behandlung verdient? Wie kommt ihr überhaupt darauf, dass eingewanderte Menschen nicht dieselben Rechte genießen dürfen? Noch einmal klar für euch: Staatsbürger erhalten für einen Rechtsübertritt eine Strafe, „kriminelle Ausländer“ werden abgeschoben. Das eine Strafmaß ist mit dem anderen nicht vergleichbar, mal abgesehen davon, dass „Ausländer“ zumindest in der brd gegen Gesetze verstoßen können, die es für „Deutsche“ gar nicht gibt (z. B. die Residenzpflicht http://de.wikipedia.org/wiki/Residenzpflicht_%28Asyl…
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@ Desperado:
Demokratie ist die Diktatur der Masse.
Ich verstehe, was du damit ausdrücken möchtest, aber ich würde es um ein paar Wörtchen ergänzen: Eine Demokratie, die auf Mehrheiten angewiesen ist, ist eine Diktatur der geformten Masse.
Zur Erklärung ein paar Erläuterungen, die anfangs so klingen mögen, als gehörten sie nicht zum Thema, am Ende jedoch klar wird, worauf ich hinaus wollte. Ich sehe das als Gesamtpaket.
Mehrheiten sind insbesondere für die parlamentarische aber auch für die direkte Demokratie elementar. Diese Mehrheiten werden gebildet, entstehen manchmal aber auch ganz zufällig. Da diese Zufälle zum einen keine verlässliche Größe darstellen und zum anderen auch zumindest theoretisch das Risiko einer Opposition beinhalten, sollen sie unter allen Umständen minimiert werden.
Zu diesem Zweck wurde schon vor Jahrzehnten das Prinzip der „Leistung“, des „Wettbewerbs“, das „Recht des Stärkeren“, der „Staatsbürgerschaft“ oder wahlweise der Zugehörigkeit zu einem „Kulturkreis“ in allen Bildungsinstitutionen, sozialen Einrichtungen, vor allem in sämtlichen medialen Veranstaltungen, bis in Beziehungen aller Art hinein als Leitmotive installiert, vermehrt, vervielfacht, verstärkt, bis sich die Alternativlosigkeit dieser Denkmuster überall ausgebreitet hat und humanistische Prinzipien wie die universellen Menschenrechte und das Recht auf Asyl wie Relikte aus der alten Zeit wirken und damit durch und durch unpopulär werden.
Mit dem Effekt, dass selbst auf Ungerechtigkeiten gestoßen, diese auch noch verteidigt werden. Mit dem Effekt, dass sie die ihnen vorgekauten Vorurteile als Handlungsorientierungen akzeptieren, weil sie so herrlich von den eigenen Schwächen und Fehlern ablenken, als dass man all die Schlechtigkeiten dieser Welt auf diese eine oder mehrere Gruppe projizieren kann. Das hat leider schon immer sehr gut funktioniert (und greift auch in diesen ach-so-„ideologiebefreiten“ Zeiten).
Anders formuliert: Der Bevölkerung werden Angebote unterbreitet, ihren Frust zu kanalisieren, um sicherzustellen, dass ihre Leistungsbereitschaft und ihre Fürsprache darunter nicht leiden. Diese Angebote werden bereitwillig angenommen, weil sie ohnehin vorhandene und von Kindesbeinen an antrainierte Angstreflexe und dem Wunsch nach Anpassung entgegen kommen und deshalb scheinbar die Interesse vieler widerspiegeln. Diese Interessen sind aber hausgemacht. Sie beruhen auf einen unhinterfragten Konsens, der sich vielgestaltig zeigt, mindestens unterschwellig wirksam ist und sich stets von neuem re-generiert (und das Bewusstsein der Menschen insgesamt degenerieren lässt).
M.E. waere die einzige Moeglichkeit ein eigentlich recht gutes
direktes Demokratiesystem menschlich zu machen die Rechte von
Minderheiten zu garantieren.
Ganz deiner Meinung. Dazu ist es jedoch unerlässtlich, dass der unschätzbare Wert und der Inhalt universeller Menschenrechte verstanden - und nicht auswändig gelernt - wird. Dann klappt es vielleicht auch mit der Demokratie, die als wesentliche Voraussetzung die Anerkennung und Garantie der gleichen Rechte für alle haben muss. Wenn aber Prinzipien dominant und salonfähig werden, die die Demokratiefähigkeit einer Gesellschaft permanent aushöhlen, ist es schlecht bestellt um die Demokratie und zeigt sich dementsprechend auch in ihren „Volksentscheiden“: Im Namen der Demokratie werden dann die Menschenrechte abgeschafft. Besser hätte es gar nicht laufen können für diejenigen, die sowieso noch nie von der Gleichwertigkeit aller Menschen überzeugt waren.