Missachtung von Arbeitsschutz

Hallo zusammen.
Ein Arbeitnehmer verletzt sich Unabsichtig, und/oder durch leichtsinniges Verhalten während der Arbeit.

Beispiel: Handwerker, arbeitet mit Handschuhen an einer Drehbank und die Hand wird eingezogen.

Welche Konsequenzen kommen auf beide Seiten (Arbeitnehmer/Arbeitgeber) zu?

Endet es mit einer erneuten Belehrung oder gibt es eine Abmahnung/Kündigung?
Wie sieht es mit Versicherung durch die Berufsgenossenschaft aus?

(Das Beispiel ist tatsächlich rein theoretisch, antworten wären sehr nett, danke im voraus)

Versicherungsschutz bleibt (wohl) bestehen.

MfG
duck313

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Hallo,

ich bin kein Anwalt für Arbeitsrecht, kann nur auf meine Arbeitsschutzbelehrungen und im Umfeld erlebten Arbeitsunfälle aufbauen.

In der Gesetzgebung und Rechtsprechung unterscheidet man zwischen Fahrlässigkeit, grober Fahrlässigkeit und Vorsatz.

Von Fahrlässigkeit geht man aus, wenn das Schadenspotential erkennbar sein müsste, man es aber trotzdem in Kauf genommen hat. Beispiel: man trägt unbehandeltes Holz von A nach B. Die Späne sind erkennbar und dass man sich einen Span einreißt, ist eigentlich nur eine Frage der Zeit und trotzdem zieht man keine Handschuhe an.

Bei grober Fahrlässigkeit lässt man bewusst vorgegebene Verhaltensregeln außer Acht und verstößt gegen diese leichtfertig. Beispiel: man trägt jeden Tag Holz von A nach B. An jedem Arbeitsplatz hängen überall Schilder, dass man Handschuhe zu tragen hat und der Arbeitgeber stellt die dem Arbeitnehmer zur Verfügung und trotzdem läuft Paul Panther ohne Handschuhe (z.B. weil im zu warm ist.)

Von Vorsatz spricht man, wenn man die schädigende Handlung aktiv gewollt durchführt und um die folgende Schädigung weiß. Beispiel: Paul Panther sägt sich ganz bewusst den Daumen ab, um arbeitsunfähig zu werden und Rente zu kassieren.

Die möglichen Strafen gehen fließend durch die drei Tatbestandskategorien und können bei einer erneuten Belehrung und Einführung von verbindlichen Regeln beginnen (bei Fahrlässigkeit) gehen weiter Über Abmahnungen bis hin zu fristlosen Kündigungen (wahrscheinlich erst ab grob Fahrlässig) und werden erst bei Klagen vor Gericht enden (bei Vorsatz, vor allem anderen Menschen gegenüber).

Ich kenne einen Fall von grob fahrlässigem Verhalten persönlich (Reinigung eines elektrischen Schaltschrankes - eigentlich hätte der Schaltschrank abgeschaltet werden müssen, oder der Kollege hätte Handschuhe tragen müssen, die bis 1.000 V isoliert hätten. Statt dessen lehnte er mit dem Unterarm auf einer Metallstrebe, wischte mit dem Pinsel den Staub weg, rauchte dabei mit der anderen Hand und schloss drei Phasen mit kleinem Finger und Handkante gegen das Gehäuse kurz.) „Erfolg“: schwerste Verbrennungen an kleinem Finger, Muskeln der Hand und Unterarm. Der kleine Finger musste Amputiert werden, mit starken Einschränken in der Bewegung der Hand musste gerechnet werden. Arbeitsrechtliche Folgen: sofortige fristlose Kündigung, Nichtanerkennung als Betriebsunfall durch die BG, damit keine „Unfall-Rente“ und kein „Krankengeld“ (ich habe vergessen, wie sich die Lohnersatzleistung der BG nennt), sowie Streit mit dem Krankenhaus über die Zahlung der Kosten.

Ich habe den Fall damals nicht weiter verfolgt, kann also nicht sagen, wer die Kosten der Behandlung zu tragen hatte.

Grüße
Pierre

P.S.: Folgen für den Arbeitgeber hatte dieser Vorfall keine (bis auf den Papierkram), weil er nachweisen konnte dass der Mitarbeiter regelmäßig in Arbeitsschutz geschult wurde und ihm alle nötigen Arbeitsmittel zur Verfügung standen. (Genauso wie allen anderen Mitarbeitern mit der gleichen Beschäftigung.)

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Hallo,

gem. § 7 Abs. 2 SGB VII
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_7/__7.html
gilt der gesetzliche Unfallschutz mit Aussnahme des (meistens kaum nachweisbaren) Vorsatzes auch dann in vollem Umfang, wenn den AN am Arbeits- oder Wegeunfall ein (Mit-) Verschulden trifft.

Gerade auch in kleineren Betrieben versuchen Vorgesetzte oft, AN mit mehr oder weniger Druck vom Schreiben einer Unfallmeldung an die BG abzuhalten. Darauf sollte man sich als AN/ANin niemals einlassen, erst recht nicht dann, wenn es eine AU gibt. Dies gilt auch dann, wenn sich Folgen erst mit Verzögerung einstellen, denn für Leistungen der BGen gibt es grundsätzlich keine Verjährungsfrist.

Eine BG schaut sich eine Unfallmeldung schon genau an und setzt beim Verdacht auf strukturelle Probleme beim Arbeitsschutz auch gerne mal Begehungstermine an. Bei diesen Begehungsterminen kann es auch dazu kommen, daß dem AG konkrete Auflagen gemacht werden.

Hält sich ein AG nicht an diese Auflagen und/oder ist die Unfallzahl aus sonstigen Gründen deutlich erhöht, muß der AG auch mit einer durchaus spürbaren Beitragserhöhung rechnen.

&tschüß
Wolfgang

Vorab: Du schreibst nicht, in welchem Land die Arbeitsstätte ist. Ich gehe von Deutschland aus …

Wie schon erwähnt wurde, zahlt die Unfallversicherung erstmal, kann aber in selten vorkommenden Fällen das Geld von Arbeitnehmer zurückfordern.

Seit 2002 hat der Arbeitgeber grundsätzlich zu allen Arbeitsplätzen, Geräten und Tätigkeiten eine s. g. Gefährdungsbeurteilung zu erstellen und daraus Schutzmaßnahmen sowie Handlungsanweisungen abzuleiten.

Diese muss er an die Mitarbeiter regelmäßig allgemein verständlich kommunizieren und auf deren Einhaltung achten … wenn nötig, sind diese Regeln auch mithilfe von Abmahnungen und Kündigungen durchzusetzen.

Daraus resultiert, dass im Falle des Falles in der Regel der Arbeitgeber etwas (gewollt oder nicht gewollt) übersehen hat bzw. etwas falsch eingeschätzt hat. Was ihn da blüht, hängt von seinen Bemühungen bzgl. Arbeitssicherheit ab.

Sind die Ergebnisse seiner Gefährdungsbeurteilungen logisch nachvollziehbar und sind Arbeitsunfälle im „normalen“ Bereich, wird nicht viel passieren. Nur die Erhöhung seines Beitrags wird fällig. Aber auch die ist moderat, wenn nicht zu häufig Arbeitsunfälle vorkommen.

Auflagen sind seit der Einführung der Gefährdungsbeurteilungen eher selten der Fall, soweit man die Überarbeitung der Beurteilung nicht als Auflage versteht.

Ein Arbeitgeber ist gut beraten, eigeninitiativ den Unfall zu analysieren und die Beurteilung sowie seine Unfallverhütungsmaßnahmen anzupassen. Begehungen werden dann oft gar nicht mehr durchgeführt bzw. klein gehalten, solange der Betrieb nicht negativ auffällig ist.

Hallo,

natürlich ist das eine Auflage, wenn eine BG entweder die vorgelegten GBUs für nicht ausreichend erachtet oder aber gar keine GBZ vorgelegt wird. Nachdem die „Schonfristen“ für AG schon lange vorbei sind, wird sowas auch förmlich per Bescheid und mit Bußgeldandrohung bei Nichterfüllung auferlegt.

Nach wie vor gibt es leider viel zu Viele schlecht beratende oder beratungsresistente AG.

&tschüß
Wolfgang