Offene Konzepte
Hallo,
Ich wäre mit den Vorgehensweisen von Kindergärten heute überhaupt nicht einverstanden. Die Kinder werden nicht mehr in Gruppen betreut, sondern können den ganzen Tag das machen, wozu sie Lust haben. Es gibt also keine erwachsene Bezugsperson mehr, die sich für eine Gruppe verantwortlich fühlt.
Mir scheint, du hast entweder das Konzept der offenen Gruppen nicht verstanden oder du bist auf Einrichtungen gestoßen, die es selbst nicht begriffen hatten.
Ein gutes offenes Konzept ermöglicht neuen Kindern die Zuordnung zu einer Stammgruppe, in der sie sich in den ersten Wochen ihrer Kindergartenzeit vorwiegend aufhalten. Sie lernen dabei nach und nach alle Kinder der Einrichtung kennen, die einzeln oder in Grüppchen in diesen Raum kommen. Mit zunehmender Sicherheit entwickeln die neuen Kinder nach und nach Explorationsverhalten und eignen sich zunehmend auch andere Räume an.
Jede Erzieherin ist für ihren Raum verantwortlich, den sie pädagogisch betreut. Dabei hat jeder Raum einen Handlungsschwerpunkt (Bauen/ Rollenspiel/ Werken…), den die Kinder bewusst wählen, wenn sie sich diesem Raum zuordnen. Während ihres Aufenthaltes dort werden sie von der betreffenden Erzieherin begleitet und sehr wohl beobachtet. Beobachtung ist einer der Schwerpunkte von offenen Konzepten.
Gleichzeitig kennt jede Erzieherin jedes Kind, so dass Fallbesprechungen auf einem ganz anderen Niveau stattfinden können, als in klassischen Konzepten.
Die Kinder lernen, Entscheidungen zu treffen und sich zu organisieren. Sie entwickeln die Fähigkeit, Langeweile zu spüren und dieser durch eigenen Antrieb zu begegnen, anstatt ständig beschäftigt und bespaßt zu werden. In normalen Konzepten ist es einem Kind kaum möglich, mal 10 Minuten nichts zu tun, ohne von der Erzieherin pädagogisch belästigt und zu neuem Tun animiert zu werden.
Durch die Beobachtung ist es möglich, die Vorlieben und Stärken eines Kinder zu entdecken. Dabei fällt häufig auf, dass scheinbar einseitige Interessen sich nach einiger Zeit von selbst auf neue Interessen ausweiten, wenn das Kind ausreichend Raum und Zeit hatte, seine Vorlieben auszuleben. Idiotische Anweisungen, wie z.B. das zwangsweise Spielen von Brett-/Tischspielen als „Ausgleich“ zu den echten Interessen der Kinder erübrigen sich dabei von selbst. Durch die Beobachtung mehrerer Erzieherinnen in unterschiedlichen Umgebungen wird sowohl die Gefahr rein defizitärer Betrachtungsweisen als auch die Sündenbockbildung reduziert.
Spielimpulse geben die Erzieherinnen selbstverständlich dennoch. Sie orientieren sich hierbei aber an den beobachteten Interessen der Kinder, anstatt ihnen Angebote überzustülpen, die nicht passend sind.
Die Kinder können sich frei bewegen, leben ihren Bewegungsdrang den ganzen Tag aus und in der Schule könnne sie kaum noch still sitzen und sich an Regeln halten.
Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ausgiebige Bewegung im Kleinkindalter sorgt für die Fähigkeit zur Konzentration und Ruhe. Aus Waldkindergärten ist bekannt, dass diese Kinder deutlich problemloser ruhig im Unterricht sitzen können als Kinder, die in Regelkindergärten „Stillsitzen“ geübt haben. Zudem ist Bewegung entscheidend wichtig für die Sprachentwicklung. Eine Stunde Turnen in der Woche reicht da bei weitem nicht aus.
Das die Schüler immer dümmer werden, wen wundert es da noch.
Mich wundert das keinesfalls: Kindergärten stopfen die Kinder mit Angeboten und Lernprogrammen („Würzburger Sprachtraining“, „Zahlenland“ und wie sie alle heißen) voll, anstatt das zu tun, was ihre Aufgabe wäre: Sie in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen. Kinder, die den Großteil des Tages draußen verbringen und dort vielfältige Möglichkeiten zu Bewegung und Entdeckung haben, werden sich zu weit besseren Schülern entwickeln als die, die man den Großteil des Tages daran hindert, ihre Interessen auszuleben.
Diesen vergehen nämlich Neugier- und Explorationsverhalten. Man gewöhnt ihnen ab, Fragen zu stellen, weil man sie stattdessen mit Antworten vollstopft, die sie nicht brauchen. Für das Lernverhalten in der Schule hat das fatale Auswirkungen, weil man ihnen frühzeitig beibringt, sich in Konsumhaltungen zu begeben.
Somit sind die Eltern für den Rest verantwortlich und müssen nacherziehen.
Per Definitionem sind Kindertageseinrichtungen familienergänzende Institutionen. Heißt: Die Erziehungsarbeit liegt bei den Eltern, die KiTa ergänzt diese lediglich.
Bei Tisch still sitzen, sich ruhiger Verhalten und durchhalten, bis alle fertig sind mit dem Essen.
Normalerweise müssten Kinder die Erfahrung des gemeinsamen Essens von Zuhause mitbringen, was sie merkwürdigerweise nicht tun. In einer entspannten gemeinsamen Essenssituation, bei der man Essen nicht als Abfüttern versteht, sondern als kommunikativen Akt, lernen Kinder im Übrigen von ganz allein, zur Ruhe zu kommen. Stillsitzdressuren, möglichst noch mit Schweigezwang, verleiten Kindern diese positive Erfahrung allerdings.
Schöne Grüße
Jule