Mitte in der Unendlichkeit

Ob das so ist, hängt von den Definitionen von „Unendlichkeit“ und „Mitte“ ab.

  1. Gegenbeisipel: Die Menge aller reellen Zahlen im Intervall [0;1] ist beispielsweise nichtabzählbar unendlich. Trotzdem endet sie links bei 0 und rechts bei 1.

  2. Gegenbeispiel: Die Menge der Kehrwerte aller natürlichen Zahlen ist abzählbar unendlich und endet bei steigenden natürlichen Zahlen tatsächlich nicht. Trotzdem hat sie einen Mittelwert - nämlich Null.

Jetzt wirst Du wahrscheinlich einwenden wollen, dass Du Dir unter „Unendlichkeit“ und „Mitte“ etwas anderes vorgestellt hast. Aber genau da liegt das Problem. Solange es nicht definiert ist, reden alle nur aneinander vorbei. Deshalb wiederhole ich es nochmal: Erst definieren und dann ausrechnen.

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Die Formulierung der Ursprungsfrage lässt derweil nahelegen, daß der Poster mit den Ausdrücken „Unendlichkeit definieren“ und „Mitte definieren“ und „ausrechnen“ nicht viel anfangen kann.

In dem Fall wird er auch mit den anderen Antworten nicht viel anfangen können.

Hallo,

kannst Du mir erklären, warum 0 und nicht z.B. 7 die Mitte ist?

Gruß,
Paran

Ich hätte jetzt vermutet, dass alles, was mit natürlichen Zahlen (und nicht mit irgendwelchen negativen Operatoren) zu tun hat, zwangsläufig größer Null ist und deswegen der Mittelwert nicht Null sein kann. Die Ansage „1“ könnte ich mir besser herleiten.

@paran & @C_Punkt

limn→∞ 1/n​ ∑ (k= 1→n) 1/k​ = 0

Gruß

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Es ist zu vermuten, daß du hier eine räumliche Vorstellung von „unendlich groß“ im Sinn hast? Denn es gibt, wie von anderen bereits angedeutet, viele Arten bzw. Begriffe von Unendlichkeiten (unter anderem ja auch das unendlich Kleine).

Vielleicht angeregt durch die neueren Erkenntnisse der Kosmologie (Auswertungen der WMAP Messungen 2001), daß das Universum - anders als noch im vorigen Jhdt. angenommen - nicht bzw. nur ganz gering „gekrümmt“ ist. Im ersten Fall wäre es tatsächlich unendlich groß, in zweiten Fall ca 78 ·109 Lj (78 Milliarden Lichtjahre) groß.

In beiden Fällen gibt es aber nicht soetwas wie eine „Mitte“. Wenn es unendlich groß ist, ist jede „Stelle“ darin geometrisch gleichwertig.

Weil du schreibst:

hast du vielleicht im Sinn, was man im Zusammenhang mit der Urknalltheorie ziemlich missverständlich oft sagt: Wenn das Universum aus einem winzigen Volumen heraus expandiert ist, dann ist die „Stelle“, wo sich dieses winzige Volumen befand, heute „überall“ zugleich. Das ist aber irreführend, denn wenn es tatsächlich nicht gekrümmt, also unendlich groß sein sollte, dann war es immer unendlich groß, auch zur Zeit des „Urknalls“, also „vor“ der Expansion. (Die daraus folgende Geometrie ist kompliziert, die kann ich hier nicht beschreiben)

Wenn es aber „gekrümmt“ ist, dann ist es zwar nur endlich groß, aber es gibt keinen Mittelpunkt. Analog wie es auf der 2-dimensionalen Kugeloberfläche keinen Mittelpunkt gibt. Denn der Mittelpunkt der Oberfläche ist nicht in der Oberfläche, und die Oberfläche hat ja keinen Rand, sie ist zwar nur endlich groß, aber unbegrenzt… Das ist aber nur eine Vorstellungshilfe, das Universum ist ja räumlich mindestens 3-dimensional.

Ebenso wäre auch das gekrümmte Universum, auch wenn es nur endlich groß sein sollte, unbegrenzt. Es gibt daher auch keinen Mittelpunkt darin.

Von einer Mitte eines Volumens kannst du sprechen, wenn das Volumen Grenzen hat. Nimm eine begrenzte Gerade, also eine „Strecke“. Die Grenze dieser Strecke besteht in den zwei Punkten, die die größtmögliche Distanz voneinander haben. Die Mitte ist dann der Punkt, der von den Grenzpunkten die gleiche Entfernung hat. Eine unendliche Gerade dagegen hat aber keine Grenzpunkte, folglich gibt es auch keinen Mittelpunkt. Denn es gibt keine größtmögliche Distanz zweier Punkte darin.

Etwas anderes ist, wenn man von dem heute beobachtbaren Universum spricht. Das ist ja jedenfallls kleiner als das tatsächliche Universum - unter anderem, weil das von entfernteren Orten ehemals ausgegangene Licht heute noch nicht bei uns angekommen ist und wgegen der Expansion auch niemals bei uns ankommn wird. Dieses beobachtbare Universum ist natürlich ein Kugelvolumen, dessen Mitte wir selbst als die Beobachter sind.

Gruß
Metapher

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So macht es total Sinn. Keine Ahnung, was ich gestern Abend las, dachte oder mir vorstellte.

Danke!

Natürlich stimmt die Grenzwertberechnung von @Metapher und @DrStupid, aber ich finde es trotzdem etwas befremdlich, dass jeder einzelne Beitrag größer ist als der Mittelwert. Das entspricht nicht meiner intuitiven Vorstellung davon, was ein Mittelwert sein sollte.

Darum nehme ich das Ergebnis für mich als eine Veranschaulichung der Aussage „in jeder Umgebung der Null sind fast alle Kehrwerte“.

Liebe Grüße in die Runde. :slight_smile:

Vielleicht ist das Befremdliche auch nur ein Missverständnis:

Natürlich ist die Folge {1/n} konvergent:
limn→∞ 1/n = 0
also

„in jeder Umgebung der Null sind fast alle Kehrwerte“.

Aber die harmonische Reihe ist divergent:

limn→∞(k=1→n) 1/k = ∞

Der Mittelwert der Folge bzw. Menge {1/n} ist für jeweiliges n:
1/n ∑(k=1→n) 1/k

Und die Folge der Mittelwerte ist für n→ ∞ ist wieder konvergent:

limn→∞ 1/n ∑(k=1→n) 1/k = 0

(weil der Nenner schneller mit n wächst als der Zähler)

Gruß

Danke für die Bestätigung, dass Darwin recht hatte!
„Der Mittelpunkt des Universums ist in Dir selbst!“

Also Darwin, der Delfin (Seaquest), nicht der Forscher.

Gruß

Hallo @Metapher,
vielen Dank für die Erklärungen. :slight_smile: An der Rechnung habe ich auch gar nichts auszusetzen. Mein Befremden kommt tatsächlich aber aus der Anschauung, nicht aus der Rechnung.

Ich stelle mir die reellen Zahlen als Zahlenstrahl vor, eine Art von sehr dünner (masseloser) Stange, die mit „allen“ reellen Zahlen beschriftet ist. Wenn ich den Mittelwert von endlich vielen Zahlen berechnen soll, stelle ich mir vor, dass ich an die entsprechenden Werte auf dieser Stange einen Tennisball hänge. Und der Mittelwert ist dann der Schwerpunkt dieser Tennisball-Verteilung, also die Zahl, bei der ich die Stange aufhängen muss, damit sie wie ein Mobile im Gleichgewicht hängt. Physikalisch passt das auch, denn „im Gleichgewicht“ heißt ja, dass kein Drehmoment auf die Stange wirkt. Und aus der Bedingung „kein Drehmoment“ folgt direkt, dass (bei gleichen Massen und konstantem Ortsfaktor) die Aufhängung im Mittelpunkt der Ortskoordinaten liegen muss. Dieser Aufhängepunkt liegt natürlich immer an geeigneter Stelle zwischen den einzelnen Tennisbällen, sodass rechts und links die gleichen Hebelkräfte auftreten.

Hier tritt aber die für mich befremdliche Situation auf, dass alle Tennisbälle bei positiven Zahlen hängen, also alle auf der gleichen Seite der Null liegen. Der Aufhängepunkt liegt aber genau bei Null. Es gibt also keinen Tennisball, der genau anf der Achse hängt. Und es gibt auch keinen Tenisball, der auf der anderen Seite der Achse hängt. Ganz viele Bälle hängen ganz nahe an der Achse, das ist mir klar, aber alle liegen auf der gleichen Seite. Das hat mich überrascht.

Aus dem Umgang mit endlich vielen Zahlen bin ich es einfach gewohnt, dass jede Zahl den Mittelwert beeinflusst. Daher kommen Aussagen wie „Fast jeder Mensch hat überdurchschnittlich viele Füße.“ Denn wenn auch nur einem einzigen Mensch ein Fuß fehlt, dann liegt der Mittelwert unter Eins. Natürlich nur sehr wenig, weil der eine Mensch statistisch nur als einer in der gesamten Weltbevölkerung eingeht.

Vielleicht macht das mein Erstaunen klarer. An der Mathematik liegt es wirklich nicht, die Summe der ersten n Kehrwerte wächst wie ln(n) an und mit dem Nenner n im Nenner geht ln(n)/n -> 0.

Liebe Grüße
vom Namenlosen

Das ist auch meine Vorstellung, ein Strang ohne Anfang und ohne Ende.

Der Mensch ist nicht für die Unendlichkeit geschaffen, er kann sie einfach nicht begreifen. Wenn er das versucht, läuft immer gegen eine Wand.
Die (menschliche) Mathematik kann mit menschlich definierten Zahlen rechnen und insofern Hilfe bieten - aber das Ergebnis verstehen wir auch nicht.
Selbst wenn jemand verkünden würde, dass er die Grenzen des Unendlichen erreicht und verstanden hätte, würde er sofort gefragt: was ist jenseits der Grenze?
In kurzen Worten: die Mathematik hilft uns auch nicht die Unendlichkeit zu verstehen.

Kann mir jemand diese Rechnung diese Rechnung erklären bin erst in der 9. Klasse :smiley:
L.G

Das hat etwas mit einer unendlichen Folge von Zahlen zu tun: 1/2, 1/3, 1/4 … 1/n …, die ja immer kleiner werden, wenn n immer größer wird, und daher (wie man in der Mathematik sagt) „gegen 0 streben“. Das heißt, 0 ist der sogenannte „Grenzwert“ dieser Folge von Zahlen. Das hat aber nichts mit deiner ursprünglichen Frage zu tun. Es ist ein anderer Begriff von „Unendlichkeit“ als der, den du meintest.

War denn das, was ich dir → hier zu deiner eigenen ursprünglichen Frage schrieb, für dich verständlich?

Hallo @Der_Namenlose,

Das ist interessant: Demnach wäre diese deine Anschauung noch unberührt von der Erfindung der Differentialrechnung bzw. dem Grenzwert-Begriff. Und sie, die Anschauung, würde sich dann auch von den Paradoxien des Zenon beeindrucken lassen. Insbesondere von dem sog. Teilungspardoxon … Das lebt ja davon, daß es sich tatsächlich der Anschauung entzieht, daß eine unendliche Summierung einen endlichen Wert haben kann.

Es liegt vielleicht auch daran, daß in einem Ausdruck
limn→∞ f(n) = 0
das Gleicheitszeichen kontraintuitiv ist. Der Ausdruck bedeutet ja „strebt gegen 0“. D.h. eigentlich ist es nur „potentiell unendlich“. Die Differentialrechnung macht aber mit „gleich 0“, also dem Grenzwertbegriff, daraus eine „aktuale Unendlichkeit“, die sich aber der Anschauung entzieht, wie schon Aristoteles behauptete … → hier.

In der mathematischen Ausdruclksweise kommt das ja trickreich zur Geltung, z.B. „Die Glieder der Folge {1/n} sind für jedes ε > 0 alle bis auf endlich viele < ε“

In deinem netten Bild mit der Zahlen-Stange drängen sich ja die Tennisbälle zwar (bei der Folge der Reziproken) immer enger an die Null. Die Stange kippt aber immer zur positiven Zahlen-Seite, weil endlich viele Bälle eben jenseits der Null hängen. Die Anschauung übersieht dabei aber, daß egal wieviele 10irgendwiewviel dort hängen, immer noch unendlich viele noch näher bei der Null hängen. Und der Grenzwertbegriff macht dann daraus, daß unendlich viele auf der Null höngen. Die paar beliebig vielen „endlich vielen“ können dagagen nicht anzappeln.

Daher ja auch die Rechenregel: ∞ - a = ∞ für jedes(!) a.

Schönen Gruß
Metapher

addendum

oder hier besser:
„Die Glieder der Folge {1/n} liegen für jedes ε > 0 alle bis auf endlich viele innerhalb des Intervalls [0, ε]“ Also einschließlich(!) Null.

Hallo @Metapher.

Deine Argumentation überzeugt mich hier nicht recht. Denn meines Erachtens hängen nicht endlich viele Bälle jenseits der Null. Sondern, so wie ich die Situation verstehe, hängen alle unendlich vielen Bälle jenseits der Null im positiven Bereich. Es gibt keinen Ball, der genau auf der Null hängt. Deswegen argumentiert man vielleicht besser folgendermaßen:

  • Hängt man die Stange bei einer negativen Zahl auf, so hängen alle Bälle auf der positiven Seite der Aufhängung und die Stangs kippt in diese Richtung.
  • Hängt man die Stange bei einer beliebigen positiven Zahl auf, so hängen höchstens endlich viele Bälle auf der positiven Seite der Aufhängung und unendlich viele Bälle auf der negativen Seite der Aufhängung. Diese unendlich vielen Bälle auf der negativen Seite überwiegen natürlich, obwohl sie eventuell sehr nahe an der Aufhängung gelegen sind. Darum kippt die Stange zur negativen Seite hin.
  • Wenn die Stange bei Aufhängung in jeder positiven Zahl ins Negative kippt und bei Aufhängung in jeder negativen Zahl ins Positive kippt, dann muss dazwischen der Gleichgewichtspunkt liegen. Und die einzige Zahl zwischen positiv und negativ ist die Null.

Trotzdem bleibt es aber bei der Absonderlichkeit, dass alle Bälle auf der gleichen Seite der Aufhängung liegen. Kein Ball hängt im Negativen und kein Ball hängt genau an der Null. Jeder Ball hängt bei einer positiven Zahl.

Liebe Grüße
vom Namenlosen

Genau deine Argumentation mit den Bällen ist das Mittel, mit dem Zenon seine Zuhörer zu verblüffen verstand :blush: Solange halt, bis die Differentialrechnung erfunden wurde.

Demnach hast du Recht: Archilles kann die Schildkröte nicht einholen!

Gruß

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