Lieber Martin,
also gut, lassen wir mal die Sau raus und reden Klartext:
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ich bin an einer städtischen Grund- und Hauptschule tätig, und zwar seit 1972 im 7.-9. (teils jetzt auch 10.) Schuljahr.
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ich liebe meinen Beruf und ich freue mich jeden Tag auf den Unterricht - hat sich was mit burning out! Ehrlich!
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ja, ich „liebe“ auch meine Schüler/innen. Die Anführungszeichen sind, weil es nicht „erotisch“ gemeint ist. Und ich glaub’, die mögen mich auch.
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ich habe meine Arbeit schon lange, bevor es Kultusminister entdeckten, als erziehend UND unterrichtend aufgefasst.
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ich BEKLAGE MICH NICHT!!!. Ich stelle nur fest:
a) ich kann keine Schüler/innen an andere Schulen „loswerden“, selbst wenn ich wollte (nein, auch nicht an Förderschulen!)
b) ich habe im Vergleich zu Kollegen anderer Schularten die meisten Unterrichtsstunden zu halten und verdiene von allen am wenigsten
Trotzdem: siehe Punkt 5.
Nur eines vertrage ich nicht: Wenn mir dann einer mit „Ferien“ und „Halbtagsjob“ kommt.
Warst du nicht!
Und nun erlaube ich mir zu bemerken, dass ein bisschen Erziehungsarbeit und -mithilfe auch noch bei den Eltern bleiben sollte. Ihr wisst gar nicht, wieviel inzwischen der Schule überlassen bleibt …
Selbst das Grüßen, das „korrekte“ Entgegennehmen eines Telefonanrufs und vieles mehr.
Ich tu’s ja. Ich tu’s ja wirklich … Seit fast drei Jahrzehnten. Aber ich verbitte mir dann den Wunsch (auch) an mich, Schule müsse erziehen …
Ich beziehe das auf „meine“ Schulart. Ich weiß auch, dass an anderen Schularten da teils ganz anders gehandelt wird.
a) dort ist die Lehrerausbildung fachbezogen und kennt das Wort „Pädagogik“ kaum
b) dort hat der Lehrer wenige Stunden je Klasse und kennt die Schüler/innen kaum
c) dort gibt es auch noch vergleichsweise viele intakte (was immer das ist) Elternhäuser, die Erziehungs- und Bildungsarbeit außer der Schule leisten (können)
Und die, die diesem Raster nicht entsprechen, leiden und fliegen früher oder später raus. Schuld ist dann „die Schule“, gemeint ist ein bestimmter Schultyp.
Zuletzt: Von meinen Kollegen (-innen) weiß ich von (fast) allen, dass sie ihren Auftrag ernst nehmen, ihre Klassen lieben und deswegen völlig zu Unrecht zu den misstrausich Beäugten oder gar Gescholtenen gehören (wollen).
Zu Unrecht gescholten, beleidigt und verdächtigt zu werden, schmerzt doppelt. Und drum sollte nicht jeder, der Gymnasium meint, „Schule“ sagen. Dass es Ausnahmen (positive wie negative) an allen Schularten gibt, weiß ich auch.
Nun ist mein Statement länger geworden als vorgesehen. Aber vielleicht musste es sein.
Ludwig