Mobbing (Achtung: lang!)

Hallo Leute,

mein 13jähriges Tochterherz besucht die 8. Klasse eines Mädchengymnasiums in Ba-Wü.

Bis zu einem Landschulheimaufenthalt gegen Ende der 6. Klasse war sie Teil einer festen Clique; während dieser Woche kam es zum Bruch mit den anderen, da diese anfingen, eine Außenseiterin in der Klasse zu ärgern. In der Folgezeit artete dies zu massivem Mobbing aus, bis hin zu äußert unschönen Dingen im Internet.

Zusammen mit zwei anderen hat sich meine Tochter dem gemobbten Mädchen zur Seite gestellt und wurde so teilweise auch Zielscheibe der Attacken.

Die damalige Klassenlehrerin hat sich, obwohl sehr jung und frisch im Schuldienst, mit großem Einsatz darum gekümmert und mit Hilfe der Schulpsychologin versucht, die Sache mit der Klasse aufzuarbeiten; auch wurde diejenige, die im Internet zugange gewesen war, zeitweise vom Unterricht ausgeschlossen.

Leider hat dies nicht wirklich geholfen. Die verbalen Angriffe gehen unvermindert weiter, und sobald sich meine Tochter oder eine ihrer Freundinnen im Unterricht melden, wird es im Hintergrund unruhig; die einzelnen Vorfälle mögen dabei trivial sein, aber die Summe macht’s.

Am Freitag war nun Elternsprechtag, und ich hatte erstmals die Gelegenheit, die neue Klassenlehrerin kennenzulernen. Meine Tochter hatte mir bereits im Vorfeld erzählt, dass sich selbige bislang noch nicht wirklich des Problemes angenommen hat, sie und ihre Freundinnen, als diese um ein Gespräch gebeten hatten, zweimal versetzt hat, und auch die Klassenlehrerstunde stets bei ihrer 12. Klasse verbringt. Sie hatte mir deshalb aufgetragen, dass Thema anzusprechen.

Leider fühlte sich die Klassenlehrerin wohl persönlich angegriffen, denn sie pochte sofort darauf, dass sie alles getan habe, was ihr ihre jahrzehntelange Berufserfahrung eingeflüstert habe, und dass es ja viel besser geworden sei. Und daraufhin hob sie an, sich über die Verhaltensauffälligkeiten des eigentlichen Mobbingopfers auszulassen, und meinte, es wäre alles noch viel besser, wenn die vier Mädchen in der Pause nicht auf den Gang gingen, sondern im Klassenzimmer blieben (das sie aber gerade deshalb verlassen, um in Abwesenheit eines Lehrers nicht weiteren Angriffen ausgesetzt zu sein).

Noch dicker kam es späterhin in dem Gespräch mit einer Fachlehrerin - welche auch nicht Vertrauenslehrerin o.ä. ist -, als diese meinte: ‚Zum Mobbing gehört ja immer zweie‘. Sie hatte erst vor kurzem überhaupt davon erfahren und kannte ganz offenkundig die Hintergundgeschichte nicht, ja wusste noch nicht einmal genau, wer da wen gemobbt hatte. Sie lastete auf jeden Fall die Unruhe, die jedes Mal in der Klasse auftritt, wenn sie eine der viere drannimmt, diesen an, und sagte, dass sie diese deswegen jetzt auseinandersetzen möchte. Und zu schlechter Letzt wollte sie alles dadurch ergründen, dass meine Tochter aufschreiben solle, wie ihr Tagesablauf aussehe (wohlgemerkt kein Mobbingprotokoll!). Dies hatte sie bereits zuvor dem eigentlichen Mobbingopfer und einer weiteren Freundin aufgetragen.

Meine Tochter und ihre Freundinnen haben heute Vormittag deshalb mit der Schulpsychologin gesprochen; diese meinte aber nur, das müsse ein Missverständins gewesen sein …

Bislang habe ich mich noch nicht offiziell in die Sache reingehängt, da meine Tochter ja eigentlich nur indirekt betroffen ist und sich die Eltern des eigentlichen Mobbingopfers nicht darum kümmern (wollen); inzwischen verspüre ich aber den unbändigen Drang, in das Büro der Schulpsychologin zu stürmen.

Wie gehe ich die Sache wohl am besten an, ohne den Lehrerinnen allzu sehr auf die Zehen zu treten und ohne Negativkonsequenzen für meine Tochter heraufzubeschwören?

Beste Grüße

=^…^=

Hallo =^…^=,

das ist ein typisches Verhalten an vielen Schulen - leider (nicht an allen). Zunächst einmal war es richtig, dich mit der Lehrerin zu unterhalten, auch wenn das Ergebnis unbefriedigend ist.

Hier ein paar Links:
http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_S…
oder
http://www.mobbing-in-der-schule.info/
und
http://www.mobbing-web.de/html/schueler-mobbing_mobb…

Zum Schluss noch ein guter Rat:
Lass dich nicht einschüchtern und wenn es nicht anders geht, dann werde massiv. Mobbing ist kein Scherz und leider sehen manche Lehrer das „Zugeben“ von Mobbing als Negativbild ihrer Schule. Daher ist häufig die Aussage: „Das kann nicht sein…, das sehen Sie wahrscheinlich falsch…, vielleicht sollte Ihr Kind mal an seinem Verhalten arbeiten/was ändern…“, Standard.
Also: nicht unterkriegen lassen, nicht dein Kind ändern, sondern die Schule muss aktiv werden!

Grüße
nyke

Hallo,

mir wird ganz schlecht, wenn ich das lese…

Meiner Tochter ging es ähnlich, nur über einen längeren Zeitraum. Es dauerte leider lange, bis wir die immer heftiger werdenden Vorfälle als Mobbing erkannten, denn seitens der Lehrer kam immer nur die Behauptung, man habe nichts bemerkt, unsere Tochter sei zu sensibel, blablabla.

In der 6. Klasse sackte unsere Tochter notenmäßig stark ab und wurde regelrecht krank durch die Situation. Irgendwann konnte man die Dinge auch nicht mehr leugnen, zudem gaben die Hauptmobber auch einiges zu.

Leider waren dies Kinder der „Dorfelite“. Deren Eltern wurden informiert und bestanden darauf, dass IHRE Schätzchen so etwas nicht machen. Der Schulleiter hat dann „beschlossen“, dass da NIX war.

Wir haben daraufhin unsere Tochter von dieser Schule genommen - sie war verzweifelt genug, um damit einverstanden zu sein.

Das ist jetzt rund drei Jahre her, und noch heute muss ich sagen, dass das die beste Entscheidung war, sie kam nur etwas spät. An der neuen Schule ist Mobbing nicht erwünscht, und es wird SOFORT sehr kompetent eingegriffen, wenn es auch nur harmlose Zickereien gibt. In dieser Hinsicht fühlen meine Töchter (inzwischen gehen beide auf diese Schule) sich dort sehr gut aufgehoben.

Wenn die Schule nicht mitzieht, „gewinnen“ die Mobber. Das ist leider unsere Erfahrung.

Alles Gute für Euch wünscht
Insel

Hallo Kamikaze,

ich habe jetzt länger überlegt ob ich mich melden soll, habe mich jetzt doch dazu entschlossen.

Erstmal finde ich es ganz, ganz toll, dass du dich so für dein Kind einsetzt!
Das ist nicht selbstverständlich, von meinen Eltern habe ich damals nur ein „Reagier nicht drauf, die hören schon auf“ zu hören bekommen. Was übrigens darin resultierte, dass ich mit 4 cm dicken Ästen verprügelt wurde.

Ich wurde 10 Jahre gemobbt und bin es teilweise selbst schuld. Als ein Schulwechsel anstand (in die weiterführende Schule) hatte ich die Wahl zwischen einer ganz neuen Klasse und einer mit ein paar alten Bekannten.

Weil ich naiv war und noch nicht von der Schlechtigkeit der Menschheit überzeugt, gab ich denen quasi noch eine „Chance“ und ging in letztere Klasse.

Das habe ich in den folgenden Jahren bitter bereut.

Bei mir sah es so aus: In der Grundschule wurde das ganze von den Lehrern grundsätzlich nicht ernst genommen. Wir hatten aber auch eine Grundschule in der in jedem Klassenzimmer ein Schlafsofa (!) rumstand und die Lehrer im abgehalfterten Strickpulli rumgurkten. So war dann auch deren Mentalität.
Spott wurde nicht beachtet, wenn ich mal wieder verprügelt wurde und zur Lehrerin ging hieß es „Ja und was soll ich da jetzt machen?“
Und das fragt eine ausgebildete Lehrerin ein 7-8 Jahre altes Kind.
Wenn meine Eltern kamen, hieß es immer nur „Ja, die hat Probleme mit ihren Mitschülern, die kann sich nicht integrieren.“

Sogar auf meinen Zeugnissen (!) stand drauf „Leider hatte X über das ganze Semester wieder Probleme mit ihren Mitschülern…“ als wäre es meine Schuld. Auf den Zeugnissen der Verursacher stand übrigens kein Eintrag, ich wurde quasi gebrandmarkt.

Auf der weiterführenden wurde es noch extremer, weil die Mobber dort plötzlich zur Elite-Clique gehörten und die ganze Klasse mit 1-2 stillen Ausnahmen gegen mich aufhetzten. Ein junger, engagierter Lehrer hat schließlich einen Jungen mit der Roten Karte (die es extra für solche Fälle gab) nach Hause geschickt. Keine Viertelstunde später stand Muttern mit ihm wieder in der Schule und hat den Lehrer zur Sau gemacht, was ihm denn einfalle den Jungen nach Hause zu schicken „nur“ weil er ein Mädchen angegriffen habe und überhaupt.

In den folgenden Jahren sah es so aus, dass die Mobber überhaupt keine Konsequenzen sahen. Je nach Lehrer wurde alles komplett ignoriert, oder es gab wenigstens eine Standpauke- während die Mobber vor sich hin grinsten und sich natürlich gar nichts änderte.

Ich war am Ende psychisch so fertig, dass ich heute noch Probleme mit dieser Zeit habe.
Ich habe die Klasse gewechselt und plötzlich hatte ICH überhaupt keine Integrationsprobleme mehr.
Das erste Halbjahr war natürlich wacklig weil ich neu war, aber danach war es eine gute, normale Klasse. Mit der einen verstand man sich besser, mit der anderen weniger, normal eben.

Fazit:
Lass es nicht soweit kommen! Wenn deine Tochter keinen Rückhalt bei den Lehrern hat, kannst du es vergessen. Die Lehrer sind die einzigen, die genug Autorität haben um deine Tochter zu schützen.
Du kannst ihr keinen Bodyguard mitgeben.
Sie darf sich nicht verteidigen, sonst bekommt sie die Akteneinträge.
Es beschützt sie sonst niemand.
und die Mobber werden nicht aufhören, das tun sie nie. Vor allem wenn es den Eltern scheißegal ist.

Es gibt nur soviel wie man sprechen kann, wenn sie sich nicht ändern, werden sie es auch nicht mehr tun.

Schau, ob ein Klassenwechsel möglich ist, oder mehr ein Schulwechsel. Sprech mit den anderen Eltern der betroffenen Kinder.
Wenn nämlich plötzlich eine Batterie Kinder wegen Mobbings von der Schule genommen wird, dürften auch bei der Schule langsam die Alarmglocken klingeln- sonst Prost Mahlzeit.

lg
Kate

Hallo,

es stimmt schon, zum Mobbing gehören immer zwei Seiten. Die die mobben und die die sich mobben lassen.
Gefährlich wirds dann, wenn man Schuld ins Spiel bringt. Auch dies gilt, zumindest für die erste professionelle Intervention für beide Seiten.

Daher kann es kontraproduktiv sein, die vermeintlichen Mobber erstmal einfach nur abzustrafen. Das gilt nicht für bestimmte Verhaltensweisen, die ganz offensichtlich nicht ok. sind! Aber da ist es mit Strafe alleine auch nicht getan!

Mobbing ist eine destruktive Form der Kommunikation:
Die Mobber fühlen sich in der Regel im Recht, die gemobbte Person auszugrenzen. „Die ist ja selbst Schuld!“
Mit irgend einem Verhalten (oder einer Eigenschaft) des Opfers sind die Mobber nicht einverstanden. Dies wird dann per Mobbing kommuniziert.
Leider lassen sich sogar Lehrer immer wieder davon überzeugen. „Der oder die verhält sich ja auch wirklich komisch, …!“
Was Mobbing mit den Gemobbten macht ist natürlich auch sehr tragisch:

  • das Selbstwertgefühl geht in den Keller,
  • das Selbstbild kann sich verzerren
  • Schulunlust, …

Oft verhalten sich Gemobbte so, dass sie durch ihre Verhalten auf das Mobbing erst recht Angriffsfläche bieten.

Deshalb ist es wichtig bei Mobbing immer mit beiden Seiten zu arbeiten.

Dazu gehört, den Mobbing-Anlass der Täter erstmal ernst zu nehmen, doch das Mobbing-Verhalten auf keinen Fall zu tolerieren. Ich habe es schon öfters erlebt, dass Täter sich mir anvertraut haben, dass sie jemanden mobben, aber das gar nicht wollen.

Die Opfer benötigen Hilfe, um ggf. ihr Selbstvertrauen wieder herzustellen und Handwerkszeug, wie sie mit Mobbing umgehen können und evtl. wieder tragfähige Beziehungen aufbauen können.

Nicht zu vernachlässigen sind auch die Dulder und Wegschauer. Auch diese müssen in die Verantwortung genommen werden.

Was das für die Eingangsfrage bedeutet:
Wichtig ist:

  1. Stärke deiner Tochter den Rücken, gib ihr Mut und zwar ohne die Täter zu verurteilen!
  2. Renn in das Büro der Schulpsychologin und teil ihr deine Sorge mit! Auch die Sorge, dass die Lehrerin deiner Meinung nach nicht das Nötige unternimmt und dass die Fachlehrer Gefahr laufen, Teil des Mobbingsystems zu werden.
  3. Versuche niemals selbst mit den Tätern „die Sache zu klären“. Dieser Griff landet zu 80 Prozent im Klo.

Manchmal ist es ein langwieriger Prozess, festgefahrene Mobbingstrukturen aufzubrechen. Bleib dran!!!

Die Schulpsychologin sollte dir helfen können.

Liebe Grüße und viel Durchhaltevermögen
Stefan

Abmahnung an die Schule

…sie und ihre Freundinnen, als diese um ein Gespräch
gebeten hatten, zweimal versetzt hat, und auch die
Klassenlehrerstunde stets bei ihrer 12. Klasse verbringt…

Das wäre mir eine schriftliche Abmahnung (Mitteilung, Verweis) an die Schulleitung wert. Lehrer sind schnell bei der Hand mit solchen Briefchen bei Kleinigkeiten an die Eltern und sollten daher Vorbild sein - was hier wohl nicht der Fall ist.
Also: Abmahnen mit der Forderung um Unterzeichnete Rückgabe für deine Unterlagen - wie es halt die Schule auch macht.
Das meine ich übrigens ernst.

… Und zu
schlechter Letzt wollte sie alles dadurch ergründen, dass
meine Tochter aufschreiben solle, wie ihr Tagesablauf aussehe
(wohlgemerkt kein Mobbingprotokoll!). Dies hatte sie bereits
zuvor dem eigentlichen Mobbingopfer und einer weiteren
Freundin aufgetragen.

Auch hier gilt Gleichberechtigung. Als Vater würde ich erstmal nen schriftlichen Tagesablauf von der „Lehrerin“ einfordern, um mir ein Bild zu verschaffen, mit wem ich es denn da zu tun habe und wem ich mein Kind anvertraut habe…
Vielleicht dämmert der Lehrerin dann mal, was sie da überhaupt fordert.
Auch das meine ich ernst.

…inzwischen
verspüre ich aber den unbändigen Drang, in das Büro der
Schulpsychologin zu stürmen.

Würde ich tun, aber ohne „stürmen“. Der Ruhigere ist im Vorteil, der „Stürmer“ blamiert sich meistens.

Wie gehe ich die Sache wohl am besten an, ohne den Lehrerinnen
allzu sehr auf die Zehen zu treten…

Warum nicht auf die Zehen treten?

und ohne Negativkonsequenzen für meine Tochter heraufzubeschwören?

Keine Angst - wenn alle erstmal ordentlichen Respekt vor die haben, hat deine Tochter nix zu befürchten. Lehrer sind Menschen und gehen meist den Weg des geringsten Widerstandes.
Dein Widerstand muss also nur hoch genug sein.

Viel Erfolg und nimms sportlich als Herausforderung.!
Tu es für dein Kind!

Timsy