Hey Du,
Meine Mutter hatte in dieser Beziehung (eine Frau muß gut
aussehen, sonst bekommt sie keinen Mann ab) keinen guten
Einfluß auf mich. Jeder körperlicher Makel wurde genausten
bedacht, begutachtet und bewertet.
Genau da haben wir es - ich habe noch nie erlebt, dass ein Mann das macht? Oder selbst wenn, dass es einer Frau dermassen zusetzen wuerde?
Dass einzige, das meine Mutter in dieser Hinsicht je zu mir gesagt hat, war als ich so um die 13 war und anfing mich zu entwickeln. Ich erinner mich noch genau daran - wir waren einkaufen und ich hab eine Hose anprobiert und die war knalleng. Ich dreh mich also vor dem Spiegel hin und her und meine Mutter sagt „Du hast aber einen ganz schoenen Hintern gekriegt“.
Das ist in dem Alter sehr schwer wegzustecken, fand ich - war doch so schon alles schwierig genug mit dem Frau-werden und dann kriegt man auch noch zu hoeren, dass man dick geworden ist.
Ansonsten kann ich mich aber wirklich nicht ueber meine Erziehung beschweren.
Es gibt unter diesen Superdünnen Menschen
deren Körper keine Freundlichkeit ausstrahlen. Meine
langjährigste Freundin ist sehr dick, und ich sehe ihr
Aussehen gar nicht mehr.
Siehst Du - darin liegt vielleicht auch der Unterschied: Bei den Superduennen siehst DU „superduenn“ als erstes. Bei Deiner Freundin die blitzblauen Augen! Schoenheit liegt IMMER im Auge des Betrachters.
Und Schoenheit ist fuer mich persoenlich auch nicht nach Mass festzulegen: Es sind die kleinen Dinge, die fuer mich einen Menschen attraktiv machen, wie jemand laechelt oder sich eine Haarstraehne aus dem Gesicht streicht. Mein Ex hatte eine ganz bestimmte Art, sich einen Schlips umzubinden, die ich SO sexy fand.
Du scheinst Dich sehr wohl in dem Körper zu fühlen, nicht wahr?
Mein Koerper ist der einzige, den ich habe. Mein zu Hause. Was auch immer passieren wird, solange ich lebe, ich werde „mich“ immer haben.
Jeder hat die Moeglichkeit entweder jahrelang deprimiert zu sein, weil die Oberschenkel etwas „zu dick“ sind, oder sich der Bauch woelbt und der Busen zu klein ist oder was weiss ich, oder man kann sich einfach auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren, froh sein ueber das, was man hat.
Es scheint im allgemeinem der Gesellschaft (speziell manchen
Eltern) schwerzufallen, sich von Klischeebildern über Frauen
und Männer zu verabschieden, aus Angst, dass die Geschlechter
nicht mehr einordenbar sind.
Naja, so unbegruendet finde ich diese Angst nicht, weil die Grenzen ja nun wirklich immer mehr verschwimmen. Stell Dir mal vor, die Geschlechterentwicklung waere anders lang gegangen und jetzt haetten viele Maenner lange Haare, wuerden Roecke anziehen, und einfach sehr weiblich werden. Wuerdest DU das attraktiv finden??
Alles in allem glaube ich - bitte widerspreche mir, wenn ich
mich irre - dass die Frauen um die 20 (die jüngere Generation)
sich nicht mehr so sehr mit Selbstzweifel plagen.
Hm, ich kann hier natuerlich nicht fuer meine ganze Generation sprechen, aber vielleicht hat es ja damit was zu tun, dass gutes Aussehen, um einen Mann zu kriegen und damit einen gewissen Lebensstandard zu erreichen, nicht mehr notwendig ist?
Ansonsten finde ich schon, dass viele meiner Alterngenossinnen Problem damit haben, sich selbst zu akzeptieren. Da gibt es die, die Diaet-besessen sind, andere kennen ganze Kalorientabellen auswendig, wieder andere werden ihres Lebens nicht mehr froh, wenn da mal ein Pickel auf der Stirn ist und die ganz ausgetickten verletzen sich selbst oder uebergeben sich nach jedem Essen.
Am gluecklichsten sind die, die sich nicht auf ihr Aussehen verlassen, die lieber Spiegel als Bravo lesen und die Prioritaeten im Leben irgendwie auf die Reihe kriegen.
Liebe Gruesse,
psi