Hallo Chili,
Kann es nicht sein, dass ein Kind, das sehr viel Aufmerksamkeit fordert lernt unangemessenes Verhalten an den Tag zu legen um Aufmerksamkeit zu bekommen (auch wenn es negative Aufmerksamkeit ist)?
Natürlich. Aber: Diese Aufmerksamkeit würde es auch bekommen, wenn es in der Klasse verbleibt und dort permanent stört. Dort wäre die Aufmerksamkeit nur negativ. Man muss ja davon ausgehen, dass das Kind Aufmerksamkeit braucht, sonst würde es sich nicht so verhalten. Wenn das Kind rausgenommen wird, hat das mehrere Vorteile:
- Die Klasse wird nicht weiter gestört.
- Das Kind hat Gelegenheit, sich zu beruhigen.
- Pädagogische Gespräche können geführt werden. Ein möglicher Inhalt kann dabei z.B. sein, mit dem Kind eine Verhaltensvereinbarung für den Rest des Unterrichts zu treffen und eine Belohnung für die Einhaltung in Aussicht zu stellen. Dadurch bekommt das Kind eine Chance, durch erwünschtes Verhalten positive Zuwendung zu bekommen.
Was ist, wenn das Kind auf einem Stuhl sitzen bleiben muss. Alleine und im Ausschluss der Gruppe. Das ist doch Isolation, oder?
Das kann man von verschiedenen Seiten betrachten.
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Abhängig vom Alter des Kindes und dessen Verhalten kann es schlicht und ergreifend ein aufsichtstechnisches Problem werden, wenn nicht gewährleistet ist, dass das Kind z.B. das Schulgebäude nicht verlassen oder nicht irgendetwas anstellen kann. Solche Dinge müssen im Vorfeld unbedingt Berücksichtigung finden.
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Es ist durchaus eine Frage der Umstände und davon, wie das Ganze eingeführt wurde. Wir hatten z.B. einen Jungen (9 Jahre, Asperger-Syndrom - eine leichte Form von Autismus), dem es öfter zuviel wurde, in der Klasse zu sein. Das zeigte sich in großer motorischer Unruhe, wobei er auch Stühle umwarf oder Material von den Tischen fegte. Für ihn war es eine große Erleichterung, wenn er zwischendurch für eine Weile alleine in einen Nebenraum konnte. Dort entspannte er sich und kam wieder zur Ruhe. Anfangs wurde er dorthin gebracht und wieder geholt, nach einigen Monaten entschied er selbst, wann er gehen und zurückkommen wollte.
Wenn die Kinder das Time out als eine Maßnahme erleben, die ihnen hilft, sich wieder zu fangen, stellt es nach meiner Überzeugung auch keine negative Form von Isolation dar. Das Kind wird nicht vor die Tür geschickt, weil es stört und man es nicht mehr haben will. Es bekommt vielmehr die Möglichkeit, seinen Erregungslevel runter zu fahren und mit der Rückkehr in die Klasse quasi einen Neuanfang zu machen. Wenn es wiederkommt, wird es kurz willkommen geheißen und nahtlos ins Unterrichtsgeschehen integriert. Es bekommt positive Zuwendung für seine Bekundung, von jetzt ab erwünschtes Verhalten zu zeigen und wird in der Folge dafür auch immer wieder bestärkt.
Bei manchen Kindern klappt das „Wohlverhalten“ zunächst nur für wenige Minuten. Nach und nach können die Kinder aber lernen, dass es sich lohnt, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten. Bezeichnend fand ich an unserer Schule, dass das Time out grundsätzlich gerne von den Kindern angenommen wurde. Dass man die Kinder dabei sitzen und sie nicht spielen oder andere Dinge tun lässt, ist meistens (nicht immer) sinnvoll, da es natürlich spannendere Sachen zu machen gäbe, als im Unterricht zu hocken. Zudem würde weiterer Aktionismus das zur Ruhe Kommen behindern.
Ich kann mir allerdings schon vorstellen, dass das Time out auch zu einer Art Strafmaßnahme werden kann. Im Sinne der Pädagogik ist das in meinen Augen nicht.
Schöne Grüße,
Jule