Sehr geehrte/r Herr/Frau Bibelleser,
vielen Dank für Ihre Frage. Um es gleich vorweg zu schicken: ich versuche, mich in diese spezielle Frage hineinzuversetzen, da ich aber selbst aktiver Soldat bin, gelingt mir das nicht zu 100%.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass wir aufgrund der Staats- und Gesellschaftsform, die wir in unserem Land haben, JEDER das Recht und auch die Freiheit hat, seine Meinung zu sagen. Nicht alles, wozu man eine Meinung hat, muss man selber erlebt/durch- oder überstanden haben. Natürlich ist es (auch im eigenen Interesse) durchaus sinnvoll, sich vorher mit verschiedenen Meinungen auseinanderzusetzen, um auch unterschiedliche Sichtweisen kennenzulernen.
Natürlich ist es von Vorteil, wenn man Dinge, zu denen man eine Meinung vertritt, auch tatsächlich kennengelernt hat. Gerade im Bereich des Afghanistan-Einsatzes ist es meines Erachtens sehr erstaunlich, dass viele Rückkehrer nach Hause kommen und sagen, dass sie wieder runtergehen würden, um ihren kleinen Teil zum Aufbau beizutragen. Auch wenn in ihrem Kontingent Todesfälle zu betrauern waren. Die Angehörigen und Freunde können dies oftmals nicht wirklich verstehen… hier fehlt einfach die Erfahrung, die die Soldaten vor Ort gemacht haben, die Erlebnisse, die sie hatten, die Bilder, die sie gesehen haben und und und.
Ich denke, gerade im Bezug auf den Afghanistan-Einsatz sollte man sehr vorsichtig sein, welche Meinung man aus welchen Gründen wirklich vertritt.
Es fällt natürlich sehr einfach zu sagen: kein Krieg in Afghanistan. Doch was ist mit den Hintergründen? Wie sehen es die Menschen vor Ort? Ist das, was in unseren Medien veröffentlicht wird, wirklich die Meinung der einfachen Menschen da unten? Was passiert dort wirklich? Reicht es wirklich, wenn wir uns so schnell wie möglich wieder zurückziehen? Können die Menschen, die hier in diesem Land leben, die seit über 50 Jahren die Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, … um es kurz zu machen: unser Grundgesetz und somit Demokratie haben und leben und noch nie ein Land im Kriegszustand erlebt haben (damit meine ich natürlich nicht alle, aber einen Großteil unserer Bevölkerung), erahnen, was in so einem Land, das dieses Glück nicht hat, tatsächlich passiert?
Wir müssen uns hier schließlich keine Sorgen machen, wenn wir mal über ein Feld laufen, dass dort eine Mine liegen könnte. Wir sehen es als selbstverständlich an, dass in der Schule Mädchen und Jungen nebeneinander sitzen… dort werden Menschen verstümmelt und/oder umgebracht, weil sie Mädchen unterrichten… und die Beispiele ließen sich beinahe unendlich lange fortsetzen.
Jeder, der sich wirklich eingehend mit dem Thema beschäftigt darf und sollte seine Meinung kundtun. Um aber wirklich eine ernsthafte Diskussion darüber führen zu können, muss man versuchen, sich in die Situation der Menschen vor Ort hineinzuversetzen, sich damit auseinandersetzen,… denn mit der Wiedergabe von Stammtischparolen („dann sollen sie halt die Minen wegräumen, schon ist es sicherer“, „die Soldaten gehen doch bloss wegen dem Geld dahin“ etc.) ist wirklich niemandem gedient.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort ein wenig weiterhelfen.
Wenn Sie noch Fragen haben sollten, stehe ich Ihnen gerne weiter zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für ein langes Wochenende,
DieKo