Müssen Fische im Bio- Unterricht seziert werden?

Hallo!

Erstmal danke für die Erläuterungen - das hat tatsächlich einiges an Klarheit gebracht. Vor kurzem habe ich hier jemandem geraten, im Zweifelsfall einen Beitrag wörtlich zu nehmen, bevor man Ironie oder Sarkasmus vermutet, wo gar keiner ist. Nun geht es mir ganz ähnlich: Ich hatte geglaubt in Deinen Äußerungen den Vorwurf zu lesen, etwas unrechtmäßiges zu tun. Da hätte ich mich mal besser an meinen eigenen Rat halten sollen und Dich tatsächlich wörtlich nehmen. Also sorry für die eventuell aufgetretenen Missverständnisse.

… Ich habe es auch nicht mit dem Auftrag Ängste zu
überwinden begründet, sondern damit, dass ich es für wichtig
halte.

Ich habe darauf hingewiesen, dass im Konfliktfall Schüler und
Eltern ein Recht darauf haben, dass ihnen die
Unterrichtsinhalte und die damit angestrebten Ziele begründet
werden und auch wenn dich das stören sollte ist „Mir ist
das wichtig“
dazu nicht ausreichend.

Naja, insgesamt gestaltet sich das ja ein bisschen anders. Es ist ja nicht so, dass ich beschließe, dass die Kinder ihren Ekel überwinden sollen und dass ich deswegen mit ihnen Fische seziere. Vielmehr schreibt mir der Bildungsplan vor, dass ich die Anatomie der Wirbeltiere mit den Schülern behandeln muss. Nun habe ich die Wahl zwischen verschiedenen Medien und Methoden und ich bin als Lehrer in dieser Wahl frei. Ich entscheide mich für die Sektion des Fisches aus zahlreichen Gründen. Einer dieser Gründe ist der, dass Schüler lernen, dass das Innere eines Körpers nicht eklig sondern interessant ist, und dass man viel lernen kann, wenn man mal über seinen eigenen Schatten springt und sich nicht durch Ängste, Scheu, Ekel (egal wie man das nennen mag) davon abhalten lässt. (Das meinte ich mit "Überwinden von Ekel). ICH halte das für einen wichtigen Grund und weil Gottseidank in Baden-Württemberg der Lehrer noch die freie Wahl der Methoden hat, ist hier auch MEINE persönliche Entscheidung maßgebend.

Eltern oder Schüler, die dagegen Einspruch erheben wollen, müssen mir erst einmal nachweisen, dass die Sektion eines Fisches nicht im Einklang mit den Bildungszielen steht. Die Beweislast ist also genau umgekehrt als Du es darstellst.

Letztlich müssen sich alle Lernziele schlüssig auf
entsprechende Rechtsgrundlagen zurückführen lassen. Ob dir
oder mir das passt oder welche Meinung wir dazu haben, ist im
Konfliktfall irrelevant.

Müssen sie das wirklich? Jetzt frage ich mal Dich: Hast Du einen Beleg für diese Aussage? Gibt es einen Paragrafen, der mir vorschreibt, dass ich nur Lernziele verfolgen darf, die in bestimmten Erlassen niedergeschrieben sind? Ich meine nicht.

Und noch ein Wort zum Konfliktfall: Was kann man mir denn vorwerfen? Dass ich unnötig Tiere töte? Dagegen habe meine Argumente schon Cora gegenüber genannt. Dass es den Schülern unangenehm ist? Was glaubst Du, wie unangenehm mir das Lernen von Vokabeln war! Dass ich Kinder zwinge, Dinge anzufassen, vor denen sie sich ekeln? Das tue ich nicht. Kein Schüler wird zu irgendwas gezwungen. Dass ich Kindern ihren Respekt vor dem Leben nehme? Das mache ich auch nicht, denn nach meiner Überzeugung fördert die enge Auseinandersetzung mit einem Lebewesen eher diesen Respekt.

Sollten also Eltern sich weigern, ihre Kinder in meinen Bio-Unterricht zu schicken, weil die Sektion eines Fisches ansteht, dann haben diese Eltern schneller einen Termin beim Schulleiter wegen unentschuldigtem Fehlen als ich beim nächsten Gericht wegen Verstoß gegen … ja, gegen was eigentlich?

Michael

Hallo

ich möchte das wirklich nicht noch viel weiter treiben. Ich denke es ist klar geworden wo ich das Problem sehe, wobei dies in Bezug auf die Ursprungsfrage ohnehin wohl nur ein Randaspekt ist.

Eltern oder Schüler, die dagegen Einspruch erheben wollen,
müssen mir erst einmal nachweisen, dass die Sektion eines
Fisches nicht im Einklang mit den Bildungszielen steht. Die
Beweislast ist also genau umgekehrt als Du es darstellst.

Also das kenne ich bei Einsprüchen gegen Verwaltungsakte, und darum handelt es sich bei Schulischem Handeln, anders. Erhebt ein Bürger einspruch muss er keine Rechtsquellen benennen, sondern die Verwaltung (hier Schule).

Letztlich müssen sich alle Lernziele schlüssig auf
entsprechende Rechtsgrundlagen zurückführen lassen.

Müssen sie das wirklich? Jetzt frage ich mal Dich: Hast Du
einen Beleg für diese Aussage?

Jetzt schlägst du mich mit meinen eigenen Waffen :wink:
Tatsächlich habe ich irgendwann im Referendariat mal gelernt, wie ich zu gültigen Lernzielen komme. Die Rechtsquelle kann ich dir nun aber auch nicht mehr benennen - vor allem natürlich nicht für dein „fremdes“ Bundesland.

Gibt es einen Paragrafen, der
mir vorschreibt, dass ich nur Lernziele verfolgen darf, die in
bestimmten Erlassen niedergeschrieben sind? Ich meine nicht.

Hier hast du mich wieder gründlich missverstanden. Ich sagte Lernziele müssen sich schlüssig herleiten lassen, nicht dass jedes einzelne Lernziel eines jeden Unterrichtes wörtlich in einem Erlass stehen muss.
Aber mal logisch zurückgefragt:
Woher sollte ich als Lehrer das Recht nehmen in der Bildung fremder Kinder Ziele nach persönlichem Gusto zu verfolgen?
Also da bin ich sehr zuversichtlich recht zu haben. Die Ziele der schulischen Bildung werden vom Schulgesetz allgemein definiert und dann über Richtlinien, Lehrpläne usw. bis hin zum Lernziel des einzelnen Unterrichtes konkretisiert.

Aber diese Frage werde ich gerne mal ins Rechtsbrett tragen.

Und noch ein Wort zum Konfliktfall: Was kann man mir denn
vorwerfen?
Dass ich unnötig Tiere töte? …

Auf diesen Teil der Ausführungen Coras habe ich mich bewusst nicht bezogen, weil ich diese für im Grunde irrelevant halte (auch wenn es sie persönlich umtreibt). Dass Sektionen zur Veranschaulichung sinnvoll sind, würde ich niemals in Frage stellen und ich glaube auch jede Beschwerde wäre mit dieser Begründung völlig aussichtslos.

Dass es den Schülern unangenehm ist?

Hier befinden wir uns auf einer begrifflichen schiefen Ebene. Es geht zwar auch um etwas unangenehmes, aber Ekel ist dann doch etwas spezifischer. Letztlich kommt es natürlich immer auf den Grad der Unannehmlichkeit an.
Ein Sportlehrer darf verlangen, dass sich Schüler anstrengen, er darf sie nicht überanstrengen.
Im Biounterricht muss sicher nicht auf das Thema Spinnen verzichtet werden, weil manche Menschen Angst davor haben. Aber darf man einen Schüler zwingen eine Vogelspinne auf die Hand zu nehmen, wenn er ernsthaft zum Ausdruck bringt er hätte davor große Angst - selbst wo Angst überwinden tatsächlich ein vorgegebenes Lernziel ist?

Und so würde letztlich der Grad des Ekels darüber entscheiden, ob man in der hier zur Diskussion stehenden Situation einem Lehrer etwas vorwerfen kann.

Du denkst jetzt an deine Unterrichtssituation. In diesem Szenario kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand an den Rand seiner Selbstbeherrschung getrieben würde, schließlich könnte ein entsprechend empfindlicher Schüler sich ja auch weiter weg stellen, abwenden, zur Decke schauen …

Wenn ich aber das Ziel Ekel überwinden mal ganz ernst nehme
Bitte ausdrücklich vorweg: Ich unterstelle Dir nichts dergleichen!
und mir vorstelle ein rabiater Biolehrer zwinge bei ausdrücklichem Ekel des Kindes (evtl. auch gegen den ausdrücklichen Wunsch der Eltern) einen Schüler dazu, einen Fisch selbst zu zerlegen (was anscheinend die Fragerin annimmt) und dieser Schüler muss dann erbrechen und anschließend zitternd und heulend nach Hause entlassen werden, dann könnte m. E. eine Nötigung vorliegen.

Gruß
Werner

Hallo!

ich möchte das wirklich nicht noch viel weiter treiben. Ich
denke es ist klar geworden wo ich das Problem sehe, wobei dies
in Bezug auf die Ursprungsfrage ohnehin wohl nur ein
Randaspekt ist.

Einverstanden. Nur noch zwei kurze Bemerkungen:

Im Biounterricht muss sicher nicht auf das Thema Spinnen
verzichtet werden, weil manche Menschen Angst davor haben.
Aber darf man einen Schüler zwingen eine Vogelspinne auf die
Hand zu nehmen, wenn er ernsthaft zum Ausdruck bringt er hätte
davor große Angst - selbst wo Angst überwinden tatsächlich ein
vorgegebenes Lernziel ist?

Ich hatte schon ausdrücklich gesagt, dass ich keinen Schüler zu einer Handlung zwinge, die ihm sehr widerstrebt. Außerdem hatte ich konkretisiert, was ich mit der Überwindung von Ekel meine, nämlich nicht die bloße Konfrontation.

Wenn ich aber das Ziel Ekel überwinden mal ganz ernst nehme

Wenn man dieses Ziel ernst nimmt, dann tut man nicht, was Du im Folgenden schreibst:

und mir vorstelle ein rabiater Biolehrer zwinge bei
ausdrücklichem Ekel des Kindes (evtl. auch gegen den
ausdrücklichen Wunsch der Eltern) einen Schüler dazu, einen
Fisch selbst zu zerlegen (was anscheinend die Fragerin
annimmt) und dieser Schüler muss dann erbrechen und
anschließend zitternd und heulend nach Hause entlassen werden,
dann könnte m. E. eine Nötigung vorliegen.

Das sehe ich auch so.

Michael