Hallo,
zur Offenlegung meines persönlichen Bias und meiner Kompetenz: Ich bin selbst privat Katholik und beruflich Univ.-Prof. an einer kath.-theol. Fakultät.
Zur Sache: Eine komplexe Frage. Vieles Sinnvolles ist vorher schon gesagt worden, wobei ich der These, dass es nie einen Krieg des Glaubens wegen gegeben habe (RentierBV) nicht zustimme. Ich denke sehr wohl, dass einige Kriege durchaus Glaubenskriege waren, nicht zuletzt und gut belegbar die Aufstände des jüdischen Volkes gegen seine römische Besatzung 70 und 125 n.Chr., und es gibt in der Geschichte noch einige weitere Beispiele (wenn auch eine kleine Zahl).
Eine Religion als organisierte Ausdrucksform des Glaubens an ein transzendentes Seiendes und die eigene Transzendenzfähigkeit muss - notwendigerweise - immer einen Wahrheitsanspruch stellen. Die monotheistischen Hochreligionen in ihrer jeweils orthodoxen Ausprägung legen diesen Wahrheitsanspruch oft exklusivistisch aus, d.h. sie verorten die Wahrheit strikt an einem und nur einem „Platz“, den sie dann selbst einzunehmen glauben. John Hick, einer der Bearbeiter der pluralistischen Religionstheologie, hat aber darauf hingewiesen, dass es neben dem „strikten“ auch einen gemäßigten Exklusivismus geben kann und auch strikten und gemäßigten Inklusivismus. Daraus ergeben sich zahlreiche interessante Konsequenzen bis hin zu der Überlegung, die auch das II. Vatikanische Konzil als für die katholische Kirche verbindlich definiert hat (der Wert und der Wahrheitsgehalt nichtchristlicher Religionen im Dokument „Nostra Aetate“), wo naturgemäß von Judentum und Islam im Hinblick auf die Verehrung des einen Gottes besonders ehrenvoll gesprochen wird. Und potentiell reicht der Ansatz weit darüber hinaus.
Faktisch haben wir aber ein anderes Problem: Einerseits massive mimetische Rivalitäten (s.u., Blumepeder) und andererseits durchaus auch wirtschaftliche Interessen (s.u., RentierBV).
Noch nicht genannt wurde schlicht Angst. Nicht nur davor, den eigenen Wohlstand zu teilen (was Jesus radikal eingefordert hat und auch heute wieder einfordern würde), andererseits schlicht vor „dem Unbekannten“, das uns, wenn es die Transzendenz und damit einen Gutteil unseres Wertesystems betrifft, noch wesentlich intensiver ängstigt als wenn es um etwas einfachen und klar parametrisierbares geht.
Nicht zuletzt spielt auch die Angst lokaler Religionseliten mit, durch fremdkulturellen Einfluss eine Abnahme der religiösen Disziplin im eigenen lokalen Bekenntnis ausgelöst zu sehen (Stichwort „Boko Haram“).
Das sind natürlich alles nur Puzzlesteine. Die Annäherung zwischen der (leider relativ kleinen) Fraktion der jeweils dialogbereiten Religionsrepräsentanten ist das eine Problem, das Fehlen einer weltweiten Dialogautorität in allen Religionen ausser dem Katholizismus und der Koptischen Kirche ist ein weiteres, das man nicht unterschätzen darf. Auch wenn es z.B. an meinem Arbeitsort ein wunderbares Gesprächsklima zwischen jüdischer, Teilen der islamischen und den christlichen Gemeinden gibt, kann das weltweit nicht umgesetzt werden, denn wer könnte wie zB der Papst für die Katholiken für alle Muslime oder wenigstens für alle Schiiten weltweit erklären, dass es nun eine Zeit der Annäherung und Versöhnung braucht?
Diese Unabhängigkeit von einer Zentralautorität hat viele Vorteile, wie ja auch innerchristlich die protestantischen und die Freikirchen zeigen. Im Sinne von koordinierter Initiative und Verbindlichkeit hat sie auch gravierende Nachteile.
soweit meine 5 cent dazu …