Museum Peenemünde / Arbeitslager

Bin im Urlaub und wollte die Produktionsstätte der V2 in Peenemünde besichtigen. Leider nicht reingekommen wegen reduzierter Corona-Öffnungszeiten.

Auf einem Flyer las ich, dass dort 20.000 Zwangsarbeiter umgekommen sind.

Ich finde es nicht logisch, Menschen dorthin zu transportieren, einzuarbeiten und dann zu vernichten.

Ich fürchte, man kann zu diesem Thema nicht sachlich diskutieren. Leider habe ich keine Gesprächspartner.

Kurti

Meines Wissen kamen bei der Produktion der V2 insgesamt etwa 20.000 Zwangsarbeiter an allen Standorten ums Leben. Das war nicht nur in Peenemünde. Der weitaus größte Teil starb in Thüringen.

Mir ist nicht klar, worüber du bei gesicherten Fakten „sachlich diskutieren“ willst.

In der geistigen Welt des Nationalsozialismus war es durchaus logisch, „minderwertige“ Menschen zu vernichten, aber vorher noch möglichst viel Arbeitskraft aus ihnen herauszupressen. Da wurden keine Facharbeiter ausgebildet. Zwangsarbeit bedeutete primitive, aber körperlich harte Fließbandarbeit, schwere Werkstücke von einer Maschine zur anderen schleppen, ungeschützt mit gefährlichen Substanzen hantieren. Wenn einer starb, dauerte es so gut wie keine Zeit, jemand anders an seine Stelle zu setzen.

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Ich bemühe mich, die Situation und Denkweise der damaligen Zeit nachzuvollziehen. Mit den heutigen Wertevorstellungen ist das nicht erklärbar.

Ich sehe auf alten Filmen, wie Massen von Menschen Hitler zujubeln. Nicht erklärbar, wenn Hitler als Verbrecher von Anfang an dargestellt wird.

Ich fürchte, die Menschheit hat sich nicht wesentlich weiterentwickelt.
Putin, Orban, Trump, Bolsonaro - die Menschen sind immer noch nur zu gerne bereit, Führerfiguren zu wählen, die mit „wir vs. die anderen“ die Ursachen aller Probleme denjenigen zuschreiben, die nicht „wir“ sind.

Wie so oft konnte man auch damals vorher nicht ohne weiteres sehen, was sich erst hinterher offenbarte. Viele wollten es auch nicht.
Es haben sich Heerscharen von Wissenschaftlern diverser Disziplinen damit beschäftigt, die Phänomene Hitler und Nationalsozialismus mit den daraus folgenden Verbrechen zu untersuchen und Erklärungen dafür zu finden.
Bevor man nun (sinnvoll) darüber diskutieren kann, sollte man sich erstmal die Grundlagen erarbeiten.
Für den Anfang:

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Ich fürchte, dazu muss man viel viel früher ansetzen. In der Zeit nach Karl dem Großen.

Da musst du nicht alte Filme bemühen, das findest du heute auch.
Guck dir doch mal diverse Demos an, wer da auftritt und wer dem zujubelt.
Und heute spenden sogar die dumpfbackigen „Normalbüger“ ihren Heilsbringern Geld damit diese sich ins Ausland verpissen und von dort weiter schwurbeln können.

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Hallo,

Wie @KeinesHerrenKnecht schon ausführte, waren solche Arbeiten so weit strukturiert, dass das Anlernen nur wenig Zeit in Anspruch nahm. Die Arbeiter bekamen zu wenig zu essen und zu trinken. Die Unterbringung und die Arbeitsbedingungen waren katastrophal.

Die Arbeiter wurden nicht als Arbeiter angesehen, sondern als „Menschenmaterial“, das man verbrauchen kann. Für einen Toten verschleppte man zwei neue „Einheiten“ aus Konzentrationslagern oder besetzten Gebieten.

Ich glaube, wenn man das nachvollziehen möchte, muss man als erstes akzeptieren, dass es Menschen gab, die anderen Menschen das Menschsein absprachen. Ich kann es akzeptieren, aber für mich selbst nicht nachvollziehen.

Ich sehe aber täglich um mich herum kleine Ansätze dieser Ideologie. Am ehesten gegenüber Putzkräften, die behandelt werden, als wären sie nicht vorhanden (dabei räumen sie anderen Menschen ihren Dreck nach, von dem sie sich selbst zu fein sind, ihn wegzumachen): morgens in der S-Bahn, im Kino, im Treppenaufgang des Mehrfamilienhauses, in den Schulen, im Supermarkt, im Hotel …

Und jedes kleine Vorurteil, dem man sich zwischen dem inneren Rassisten und der äußeren Umwelt Bahn brechen lässt, ist ein kleiner Baustein in Richtung einer menschenverachtenden Einstellung, die in der bewussten Ausrottung ganzer Volksgruppen gipfelt.

Grüße
Piere

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Nur eine Randbemerkung.
Wenn du mal viel Muße hast, lies ein Buch von Yehiel Feiner, am besten das ‚Haus der Puppen‘.

Das ist zwar ‚nur‘ eine literarische Verabeitung seiner Erfahrungen in Ghetto und KZ und kein abbildhafter Tatsachenbericht, aber zeigt anschaulich, wie auf dem „Planeten Auschwitz“ (Feiners Begriff für die gesamte Konzentrierungs- und Vernichtungsmaschinerie) solche ökonomischen Grundregeln ausgesetzt waren wie auf fremden Planeten unsere Schwerkraft.

Das Menschenmaterial war einfach unerschöpflich, so dass diesen Menschen nicht nur kein ethischer Wert als Mensch, sondern nicht mal ökonomischer Wert als ausbeutbare Arbeitskraft zugesprochen wurde.

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Von welcher ökonomischen Grundregel sprichst du hier bitte? Von der Regel: „Wenn eine Maßnahme Kosten verursacht, dann führen wir diese Maßnahme nicht durch!“? Ich bin zwar kein Wirtschaftswissenschaftler, dennoch lasse ich mich hier mal zu der Behauptung hinreißen, dass es diese ökonomische Grundregel nicht gibt. Zumindest nicht auf unserem Planeten. Und auf dem „Planeten Auschwitz“ auch nicht.

Auf beiden Planeten gab/gibt es jedoch sehr wohl die ökonomische Grundregel: „Wenn eine Maßnahme Kosten verursacht, dann führen wir die Maßnahme nur dann durch, wenn der Nutzen dieser Maßnahme die Kosten dieser Maßnahme überwiegt.“

Und bei den Zwangsarbeitern ist das NS-Regime nun mal zum dem Ergebniss gekommen, dass deren Nutzen die Kosten (dazu zählt auch Transport und Einarbeitung) übersteigt. Ganz einfach und überhaupt nicht unlogisch und in keinerlei Widerspruch zu den heute noch geltenden ökonomischen Grundregeln.

Dass diese widerwärtige Auslegung der heute noch gültigen ökonmischen Grundregel im größtmöglichen Widerspruch zu unseren menschlichen Grundregeln steht versteht sich von selbst.

Von der Grundregel, dass die Produktionsfaktoren (darunter die menschliche Arbeitskraft) knapp und daher effizientem ökonomischem Handeln unterworden sind.

Andeutungsweise habe ich gehört / gelesen, dass wohl auch das Hab und Gut der verschleppten Menschen unter Preis verschachert wurde. So hatten viele „Arier“ (kann man das so schreiben?) einen Vorteil und stützten das Regime.

Doch das kann / konnte nicht offen diskutiert werden, denn die Hehler lebten ja noch. Ich kenne die Diskussion um Rückgabe der Raubkunst, aber was ist mit Immobilien, Wertpapieren, Edelmetallen? Da wurden damals vermutlich keine Quittungen ausgestellt.

Wer von Vernichtungen profitiert, wird ihnen kaum widersprechen. Ein Ansatz zum Verständnis der Hitler-Begeisterung, auch in späteren Jahren der Herrschaft?

Und was genau versteht man unter effizientem ökonomischem Handeln?
Genau: Handeln ist genau dann ökonomisch effizient, wenn der Nutzen, der aus dem Handeln resultiert, die Kosten, die das Handeln verursacht, übersteigt. Und genau das war nach Ansicht des NS-Regimes bei der damals herrschenden Form der Zwangsarbeit der Fall. Also immer noch alles logisch und unter rein ökonomischen Gesichtspunkten nachvollziehbar, auch aus heutiger, rein ökonomischer Sicht.

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Man muss noch nichtmal davon profitieren, um zuzustimmen.

Die Kriegspropaganda wirkt ja auch heutzutage.

Erst muss man die „Freiheitskämpfer“ unterstützen, die einem bösen Diktator entgegentreten. Wenn die sich dann vom Unterstützer abwenden, nennt man sie „Terroristen“ und müssen getötet werden. Z.B. mit ferngelenkten Bomben.

Terroristen sind die Untermenschen unserer Zeit und dürfen abgeschlachtet oder jahrelang ohne Rechte (in Guantanamo, Kuba) weggesperrt und gefoltert werden.

Für so eine Diskussion braucht es Historiker, nicht mich, der ich nur eine Randbemerkung einbringen wollte.

Aber um einen Gedanken beizusteuern: Ich glaube durchaus, dass das NS-Regime hinsichtlich des Zwangsarbeitssystems natürlich auch ökonomisch rationale Ansichten hatte, immerhin galt es, die Arbeitskraft der Soldaten in der heimischen Wirtschaft zu ersetzen usw., aber das heißt noch lange nicht, dass es in der Realität der verschiedenen Lager so rational ablief.
Hohe Vernichtungssraten zeugen nun nicht gerade von einem ökonomisch rationalen Umgang mit dem Faktor Arbeitskraft und die Tatsache sehr unterschiedlicher Vernichtungsraten in den verschiedenen Lagern legt nahe, nicht alles über einen Kamm zu scheren, sondern die jeweiligen Lager für sich zu betrachten.

Es ging viel früher los. Sofort nach 1933 wurde sehr viele Juden gezwungen, Geschäftlleitungen, Universitätsstellen und andere berufliche Stellungen aufzugeben. Außerdem wurden Juden, wie der Besitzer von Kaufhof als eines von unzähligen Beispielen, gezwungen, ihren Besitz für einen Bruchteil des Wertes zu verkaufen.

Wie du sagst: Es gab viele Menschen, die sich einfach nur freuten, eine frei werdende Stelle zu bekommen. Oft wurde das eigene Gewissen beruhigt mit der eigentlich sinnfreien Meinung: Das haben die hinterhältigen Juden ja nicht anders verdient!

Lieber Kurti, Hitler war in den Augen vieler Deutscher ein Held, ein Star, zum Teil eine Art Gott! Mein Führer, der mir neuen Mut gibt! Der Deutschland endlich zu neuer Größe führt! Es gibt Geschichten von Menschen, die sich tagelang nicht die Hände wuschen, nachdem der Führer ihnen die Hand gedrückt hatte.

Servus,

in Mittelbau Dora war keine bedeutende „Einarbeitung“ nötig, so wenig wie im Buna-Werk usw. usf. - es ging da um einfachste Arbeitsgänge, die von Häftlingen ausgeführt wurden, um Maschinen zu sparen. Es fand übrigens auch kein „dann Vernichten“ statt - Die Leute starben sozusagen „neben der Arbeit her“ an Hunger, Entkräftung, Infektionen, Schlafmangel (die Sprengungen für Erweiterungsstollen fanden während der „Nachtruhe“ statt).

David Rousset beschreibt im leider nicht ins Deutsche übersetzten „Les jours de notre mort“, wie in Mittelbau Dora in der Fertigung einzelne „Funktionshäftlinge“ für einzelne Arbeitsgänge dergestalt „verantwortlich“ waren, dass sie eine Punze mit ihrer Nummer in das Werkstück einschlagen mussten. Sie wussten, dass sie bei auftretenden Qualitätsmängeln gehenkt würden - das war die wesentliche „Einarbeitung“. Eine erstaunliche Leistung, dass dennoch die - gemessen an ihrer annähernd genialen Konstruktion - miserable Zielgenauigkeit der V2 vermutlich in einigem Umfang auf Sabotage durch absichtliche Fehler bei der Fertigung zurückging. Ebenfalls nach Rousset glaubten die Häftlinge in Mittelbau Dora übrigens, sie würden Riesentorpedos für die deutsche U-Boot-Waffe bauen.

Schöne Grüße

MM

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