Hi Fantoe,
unsere Hörgewohnheiten bei Musik liegen glaube ich ziemlich weit auseinander. Es kann also nicht mehr als eine Anregung sein, wenn ich Dir jetzt mal ein paar Musiken zu deutschen Weinen vorstelle, wie sie mir passend erscheinen.
Erstmal ein Chardonnay aus der Mittelhaardt. Der hat alles - Nase, Körper und Abgang. Schöne Harmonie, ein klasse Wein, aber man merkt ihm halt doch irgendwie an, woher er kommt: Aus der Haardt stammt das Dubbeglas, das deswegen so aussieht, weil man es leicht am Tisch weitergeben kann, ohne dass es aus der Hand rutscht. Da kommen auch die ‚Hüttenschorle‘ her, die nach dem Prinzip BMW (= bissi meh Woi) eingeschenkt werden, und dort ist es auch keineswegs verwerflich, einen hochkarätigen Riesling oder Chardonnay 1:1 mit Sprudel zu taufen. Jedenfalls trägt der Chardonnay, der hier auf dem Tisch steht, einerseits den Gedanken an eines der wenigen in Deutschland erhaltenen eingefriedeten ‚Clos‘ in Herxheim am Berg, andererseits aber im Hintergrund auch den an das Riesenrad und die Schubkärchler vom Dürkheimer Wurstmarkt.
Hier die Musik, die ich dazu hätte. Die ist übrigens wie ich finde gar nicht spießig, sondern für ihre Zeit modern - eine Art sehr früher Techno - die Konzertorgeln aus der Zeit um 1900 liefen mit Lochstreifen gesteuert vollautomatisch:
So, dann kommt ein Wein, der dazu in einem Winkel von fast 180 Grad steht: Ein Sylvaner aus Iphofen, fränkisch forzdrogge. Zu diesem braucht man nicht viele Worte zu machen - die Franken tun es auch nicht. Brillant, jubilierend, barock:
Und wenn wir grad bei trockenen Weißen aus Deutschland sind: Jetzt kommt einer aus der Ecke, wo der Riesling Klingelberger heißt. Ein Durbacher Klingelberger: Riesling at its best - ich erinnere mich, wie ich in einem früheren Leben mit meinem Bruder zusammen dort bei der Lese geholfen habe. Ich, im Milchviehrhytmus des vorderen Allgäus an die Landwirtschaft gewöhnt, fand es schon eher unverschämt, dass wir erst um neune dort angekommen sind - und die ganze versammelte Mannschaft noch in der Stube vorfanden, wo sie - „bis der Tau abgetrocknet ist“ sich gemeinsam mit einem Chriesewasser auf die kommenden Taten vorbereiteten. Obwohl die Ortenau ein ganz feines Rieslingland ist und den Unfug mit halbtrockenem und lieblichem Ausbau nie recht mitgemacht hat, und dort auch jeder Weinbauer zwar an die (nicht schlechte) Genossenschaft liefert, aber parallel auch seinen eigenen Stoff ausbaut (an die Flaschen ohne Etikett, die wir fürs Helfen bekommen haben, habe ich mich sehr lange erinnert!), bleibt sie eben doch „terre à terre“ mit den Füßen auf dem Boden. Zu einem Durbacher Klingelberger täte ich die ‚Bauernhochzeit‘ aus Smetanas Moldau auflegen:
Jetzt ein Niersteiner „Roter Hang“ - boaah, was für ein Wein! ‚Zum Augenblicke möcht‘ ich sagen (etc.)’ - Auf den zweiten Schluck allerdings merkt man, dass es dort den Reben richtig gut geht: Da sind keinerlei Dissonanzen, keine mineralischen Ecken und Kanten - ein Mozart-Divertimento:
Aber, obwohl sie die Nase so hoch tragen - irgendwie haben die Winzer in Hochheim, Kiedrich, Oestrich usw. schon auch Recht. Strahlende Weine - der Boden passt, die Südexposition passt, alles passt. Deutscher Gewürztraminer? Ja, schon, durchaus - wenn man ihn recht auszubauen weiß. Hier einer aus Hochheim - strahlend, mit Frucht, Körper und Fülle:
Die schon angesprochene ‚Rheinische‘ von Robert Schumann würde ich übrigens nach etwas Überlegen doch nicht dem Rhein, sondern der Mosel widmen. Konkret einem Reiler Sorentberg vom Rotschiefer, trocken - stahlig wie es der Mosel gehört - von einer Steillage, die aufgegeben war und jetzt von zwei jungen befreundeten Winzern (einer von dort, einer aus Südtirol!) wieder zu dem Charakter gebracht wurde, der leider an der Mosel immer noch gar zu oft von halbgaren, halbtrockenen, banalen Kegelklub- und Chefsekretärinnenweinchen überdeckt wird. Aber hier ist ein Moselwein, wie et mut: Mit allen Zwischentönen, mit der asketischen Dürre an den Steillagen im Sommer, mit der stahligen Strenge, die entsteht, wenn sich die Wurzeln der Rebstöcke durch wenig verwitterten Fels arbeiten müssen, um ihren Stock zu ernähren, aber auch mit der Fülle, die entstehen kann, wenn jedes Quäntchen Kaltluft sofort nach unten abfließt - ein deutscher Wein!:
Soweit ein paar Splitter; wenn Du damit ein wenig Zugang zu Musiken gefunden hast, die Du sonst gar nicht magst, täte es mich freuen.
Sehr zum Wohle!
MM