Muslimischer Kalender

Hallo!
Lebt man in Ägypten wirklich danach, in dem Sinne, dass der Abend eines Tages eigentlich der Morgen ist, weil die Nacht ja Tag ist? Oder so… Der muslimische Kalender ist ein Mondkalender, aber hält man im alltäglichen, modernen Leben noch daran fest?

Gruß,
Eva

Servus,

im Lauf der zurückliegenden neun Monate waren bei mir im Steinbruch einige libyschen Ingenieure zu Gast, die im Zeitraum 1370 - 1385 geboren sind (ich hab ihre Pässe auf Einwohnermeldeamt, Ausländerbehörde etc. geschleift).

Mondkalender heißt nicht zwingend, daß Nacht Tag ist und umgekehrt (je nach Stand des Mondes sieht man ihn oft genug am Taghimmel stehen) - es heißt, daß ein Jahr kürzer ist als ein Sonnenjahr (vgl. das jährliche Vorrücken des Ramadan - und aller anderen Feiertage), so daß man anders als z.B. bei der römischen Rechnung A.U.C., die einigermaßen passt, nicht einfach die Jahre umbasieren kann. Eine brauchbare, aber immer noch ungefähre Näherungsformel hab ich hier gefunden:

http://www.eslam.de/begriffe/i/islamischer_kalender.htm

Einige der Übersetzer in Deutschland, die ordentlich von ihrem Beruf leben können, sind die von den Botschaften verschiedener arabischer Länder zugelassenen, die in der Lage sind, ein in einem europäischen Pass eingetragenes Geburtsdatum sauber umzurechnen. Umgekehrt helfen sich z.B. die libyschen Behörden damit, daß in den dort ausgestellten Pässen für die Zeitrechnung außerhalb der islamischen Welt unter „Geburtsdatum“ nur ein Kalenderjahr zu finden ist. Das noch mit Monat und Tag zu versehen, wäre zu kompliziert.

Im Alltag hat der Mondkalender vor allem hinsichtlich der Lage des Ramadan und des Eid al Fitr eine Bedeutung: Einen Monat lang geht nichts, so daß man alle möglichen Dinge darauf orientieren muß, wenn man nicht auf diese oder jene Weise in die Röhre kucken will. Vergleichbar mit den sechs Wochen ab 14.07. im früheren Frankreich.

Natürlich sind auch andere Feiertage (Neujahr, Opferfest etc.) im Alltag bedeutend.

Wie wir aus den zurückliegenden zwanzig Jahren wissen, ziehen die ehrenwerten Herren aus dem Pentagon für Überfälle und Vernichtungsfeldzüge gegen andere Länder den Ramadan vor. Einer von dem oben genannten Team, mit dem ich nicht bloß wegen des fast gleichen Geburtsdatums, und weil wir beide gerne Musik von Queen hören, einige Sympathie verbindet, hat mir das beschrieben, wie ich mit ihm in unserem hässlich schönen Mannheim unterwegs war und ihm das typische Mannheimer Haus gezeigt habe: bis zur Beletage von 1900, der Rest von einer Luftmine weggerissen und durch eine Wiederaufbauschachtel ersetzt - er fand diese Häuser sympathisch und beschrieb, wie sie der namen- und gesichtslosen Angst einen Namen geben, die er über zwanzig Jahre lang besonders während des Ramadan erlebt hat, und die erst jetzt ein wenig nachlässt: „Wann kommt der nächste unangemeldete Besuch mit B-2 und Tomahawk?“

Aber das führt zu weit ab, und gilt für Ägypten nur eingeschränkt…

Schöne Grüße

MM

Hallo Eva, es ist so wie die anderen auch geschrieben haben, der islam. Kalender hat Mondmonate, daher verschiebt sich z.B. der Ramadan jedes Jahr, aber da ich zehn Jahre in Ägypten gelebt habe und auch heute noch im Jahr öfter und länger dort bin kann ich Dir versichern, der Tag ist dort Tag und die Nacht ist Nacht, nur im Ramadan wird die Nacht teilweise ‚zum Tag gemacht‘ da viele Arbeiten die sonst am Tag erledigt werden auf die Nacht verschoben werden. Liebe Grüße von gübschen

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Hallo, Martin!

danke für diese nicht nur informative, sondern auch zum Schmunzeln (und Nachdenken)anregende Antwort!!!

Einige der Übersetzer in Deutschland, die ordentlich von ihrem
Beruf leben können,

Die gibbet?

Im Alltag hat der Mondkalender vor allem hinsichtlich der Lage
des Ramadan und des Eid al Fitr eine Bedeutung:

Natürlich sind auch andere Feiertage (Neujahr, Opferfest etc.)
im Alltag bedeutend.

Von dieser Situation bin ich ausgegangen. Aber man sagt nicht, wenn man sich tags begegnet. „Tolle Nacht, heute!“, oder? Und Donnerstagmorgen ist nicht Freitagabend? So lese ich es nämlich grade in einem Roman (aus der Neuzeit :wink: Und verkündet der Ruf des Muezzin am Abend den Beginn eines neuen Tages?

Dank und Grüße,
Eva

bin kann ich Dir versichern, der Tag ist dort Tag und die
Nacht ist Nacht, nur im Ramadan wird die Nacht teilweise ‚zum
Tag gemacht‘ da viele Arbeiten die sonst am Tag erledigt
werden auf die Nacht verschoben werden.

Hallo, Gübschen!
Danke Dir! So hatte ich es mir auch vorgestellt, aber die Bemerkungen in einem Roman, den ich grade lese, hatten mich doch etwas verwirrt in dieser Hinsicht.

Liebe Grüße,
Eva

Ein bissel neben der Spur
Hallo, Eva,
in dieser Weltgegend gibt es ja auch eine andere Religion, die den Tag mit dem Abend beginnt. Der jüdische Shabbath beginnt mit Sonnenuntergang am Freitag und endet am Abend des Sonntages.

Dazu gibt es eine Entsprechung im Islam wie ich gelesen habe. „Der Tagesbeginn ist immer Sonnenuntergang“ so auf der Seite http://www.kalendersysteme.de/deutsch/kalender/syste…

Ob dies aber in Ägypten so gelebt wird kann ich nicht sagen.

Gruß
Eckard

„Der Tagesbeginn ist immer Sonnenuntergang“ so auf der Seite
http://www.kalendersysteme.de/deutsch/kalender/syste…

Hallo, Eckard!
das war sehr informativ, die Seite habe ich mir gleich gespeichert. Wenn aber der Tag mit Sonneuntergang beginnt, ist das Abendgebet nach Sonnenuntergang das Morgengebet, oder nicht? Hach, alles sehr verwirrend :wink:

Gruß,
Eva

„Der Tagesbeginn ist immer Sonnenuntergang“ so auf der Seite
http://www.kalendersysteme.de/deutsch/kalender/syste…

Hallo, Eckard!
das war sehr informativ, die Seite habe ich mir gleich
gespeichert. Wenn aber der Tag mit Sonneuntergang beginnt, ist
das Abendgebet nach Sonnenuntergang das Morgengebet, oder
nicht? Hach, alles sehr verwirrend :wink:

meines Wissens spricht der gläubige Moslem das Abendgebet VOR Sonnenuntergang. Danach ist Nacht - bitte nicht vergessen, dass südlichere Breiten nicht die langen Dämmerungsphasen des Abendlandes kennen. Im Nahen Osten sinkt die Sonne sehr schnell, danach ist finster und meist auch überraschend kalt.

Unabhängig davon „rechnet“ sich der Beginn des neuen Tages. Das ist aber eine Konvention, sonst nichts. Vergiß nicht, dass in Deutschland bis in die 1960er Jahre die Woche offiziell am Sonntag anfing. Die Zeiten ändern sich oder wie schon der Lateiner sagte: tempora mutant mori.

viele grüße
geli

Korrigiere

und endet am Abend des Sonntages.

… muß natürlich heißen Sonnabends/Samstags

Eckard

Hallo,

das war sehr informativ, die Seite habe ich mir gleich
gespeichert. Wenn aber der Tag mit Sonneuntergang beginnt, ist
das Abendgebet nach Sonnenuntergang das Morgengebet, oder
nicht? Hach, alles sehr verwirrend :wink:

Morgen = wenn die Sonne aufgeht; Abend = wenn sie untergeht.
Dennoch kann der Sonnenuntergang der TAGESanfang sein.
So wie du das schreibst, klingt das nach verknoteten Hirnwindungen :wink:

Gruß
Elke

Tach zusammen…

warum denn in die Ferne schweifen?
Bei den Katholen beginnt der hl. Sonntag auch am Samstag um 16.00 mit entsprechendem Glockengeläut :wink:

Aber so ist das eben, wenn man wie wir in unserer Zeit vom Tick-Tack der Uhr terrorisiert werden, wo jede Sekunde so gar wichtig erscheint… In Früheren Zeiten, als alles noch ein wenig langsamer vonstatten ging, eine e-mail nicht existierte, Fax unbekannt war und ein Brief noch Wochen/Monate brauchte… da haben sich die Leute mit Sicherheit solche in ihren Augen bestimmt haarspalterische Fragen nicht gestellt.

Wann begann also der Tag? Mit Sonnenaufgang des neuen Tages, mit Sonnenuntergang des alten Tages? Irgendwo dazwischen?

Das waren meine 2ct dazu - vielen Dank an alle anderen, die hier wirklich interessantes zu berichten wußten :wink:

Grüße

Midir

Dennoch kann der Sonnenuntergang der TAGESanfang sein.
So wie du das schreibst, klingt das nach verknoteten
Hirnwindungen :wink:

Hallo!
Das ist inzwischen auch in meinen Dickschädel gedrungen :wink:)) Ich war nicht ein „bissel neben der Spur“, sondern zu eingleisig.

Danke fürs Anschubsen.

Gruß,
Eva

Ich danke wieder einmal…
…sehr herzlich allen, die sich geäußert haben und viel Geduld bewiesen mit meiner Dickschädeligkeit :smile:

Grüße,
Eva

Servus,

Aber man sagt nicht,
wenn man sich tags begegnet. „Tolle Nacht, heute!“, oder?

Glaub eher nicht. Das ist jetzt nicht repräsentativ, aber ich hab innerlich geschmunzelt, wenn ich zu fast jeder Tageszeit von den bewußten Wüstensöhnen den Wunsch „Enjoy your meal!“ gehört habe. Ist doch der Gruß „Mahlzeit!“ für mich Inbegriff des ungeliebten Preußentums.

Tag und Nacht sind wegen des bekannten Sonnenuntergangstermins im Ramadan schon was wichtiges, und während dieses Monats steht die Tag- und Nachtrechnung schon auf dem Kopf, aber das kommt nicht vom Kalender, sondern davon, daß die aus christlichem Kulturkreis bekannte weihnächtliche dreitägige Fressorgie im Ramadan für die, die es sich leisten können und persönlich weit genug von dem eigentlichen religiösen Gehalt entfernt sind, nachtsüber stattfindet. Der Ramadan ist schon stark auf die Nächte orientiert. Vor ungefähr hundert Jahren (wohl Mitte der 1980er) habe ich in Tunesien, wo ich eher zufällig in den Ramadan gestolpert bin, in der einzigen französischsprachigen tunesischen Zeitung (irgendwo zwischen Le Monde und Süddeutsche anzusiedeln) einen Leitartikel gelesen, der der Frage gewidmet war, ob es wirklich im Sinn des Fastens wäre, wenn man im Ramadan ein paar Kilo zunimmt, weil man die ganze Nacht lang ausgesuchte Leckereien zu sich nimmt, u.a. Küchlein, die den deutschen Fasnachtskrapfen ähneln, aber nicht in Schmalz, sondern in Zucker schwimmend ausgebacken sind.

Etwas weiter südlich von Tunis gab es dann die Orte, wo kurz vor Sonnenuntergang die Suppe auf dem Tisch steht, und mit Rücksicht darauf, daß nicht so viele Leute Uhren tragen und die tägliche Zeitungsnachricht über den genauen Sonnenuntergang lesen, ein Böller den Zeitpunkt des Sonnenuntergangs verkündet.

Es dauert keine zwei Minuten, bis die Teller auf den Böllerschlag hin vielleicht auch zwei Mal vollgeschöpft und mit einer wenig salbungsvollen Gier leergelöffelt sind.

Diese besondere Nacht-Orientierung ist aber unter dem Einfluss der Rückbesinnung auf den eigentlichen religiösen Inhalt, die gar nicht unbedingt rauschebärtig und messerschwingend sein muss, wohl auf dem Rückzug zu Gunsten eines Verständnisses vom Fasten, das darauf zielt, daß die nächtliche Stärkung kein Widerspruch zum täglichen Fasten sein muß, sondern eine Ergänzung sein kann: Daß da der Teller Gemüsesuppe, den man maximal einnehmen kann, wenn man am anderen Tag wieder ohne Essen und vor allem auch ohne Wasser normal zurecht kommen will, eine ganz besondere Bedeutung bekommt und auf diese Weise eine Vorstellung von Gnade und Dankbarkeit vermittelt.

Interessant dabei, daß es zur gleichen Zeit mit oder ohne 9-11 und den ganzen Unfug, der damit einhergegangen ist, in der christlichen Welt genau analoge „fundamentalistische“ Entwicklungen zum Motiv des Fastens gibt.

Wenn in einem Text Nächtliches betont hervorgehoben ist, kann es dabei eventuell grade um den Ramadan gehen, in seinem städtisch-bürgerlichen Verständnis?

Schöne Grüße

MM