Wolfgang, dein Europa-Enthusiasmus ist ja schön und gut. Aber bitte mache daraus keine Verwirrungstaktik.
Manche Leute können bitterböse Sprüche aus den 60ern und 70ern nicht
einordnen, als empfohlen wurde, den zu entwickelnden Fim aus
der Schmalfilmkamera solle man einfach in den Rhein oder in
die Elbe hängen, um ihn fertig entwickelt wieder heraus zu ziehen.
Also hat uns deiner Meinung nach die EU die sauberen Flüsse beschert. War es früher nicht der Krieg, den die EU verhindert hat? Was kommt als nächstes?
Wieder andere Menschen können sich nicht vorstellen,
was es für ein Unternehmen bedeutet, wenn ein mit allen
möglichen dringend gebrauchten Sachen vollgepackter Container
aus einem Nicht-EU-Land tagelang vom Zoll festgehalten wird,
weil eine von 297 Positionen der Ladung aus
Schutzkleidungsstücken besteht, bei denen der Zollbeamte
geklärt haben möchte, ob sie gewebt oder gestrickt sind.
Ja, und? Du beschreibst damit, dass die EU den Abbau von Handelsschranken organisieren sollte. Diese Entwicklung mag ja zu begrüßen sein. Nur gibt sie den Eurokraten von heute in keiner Weise das Recht, jetzt auch noch in alle möglichen sonstigen Bereiche hineinzuregieren. Wenn der freie Handel deiner Meinung nach so gut funktioniert, warum konzentriert man sich nicht darauf, diese Errungenschaften aufrechtzuerhalten und lediglich gezielt in einzelnen Bereichen (zB Zahlungsverkehr) zu verbessern?
Besonders lächerlich machen sich die Eurokraten momentan in Bezug auf den deutschen Exportüberschuss. Da will man erst den freien Handel haben. Wenn aber als Ergebnis unzähliger einzelner Handelsgeschäfte Deutschland ein Plus macht, dann ist das plötzlich auch nicht recht, man will es Deutschland zum Teil sogar verbieten. So ein Scheiß, freier Warenverkehr in unterschiedlich strukturierten Wirtschaftsräumen funktioniert nicht ohne Währungsausgleich. Nein, wer hätte das gedacht? Aber die Lösung hat man schon parat: Die ganzen Arbeitslosen in Südeuropa ziehen einfach nach Deutschland. Wirklich geschickt eingefädelt.
Oder bei denen man mit Währungsrisiken zu rechnen hat und Rechtsverfolgung
nur möglich ist, wenn man genug Bakschisch bereit hält.
Süditalien, Griechenland, Rumänien, Bulgarien - alles bekannte Horte der Korruptionsfreiheit.
Und dann tönt jemand, in sein Gartenhaus wurde eingebrochen, der
schöne neue Rasenmäher ist weg und das können nur Polen
gewesen sein. Deshalb sei die ganze EU Mist und wir müssen die
Grenzen zumachen.
Jetzt verhöhnst du auch noch die Opfer von Kriminalität. Aber das machst du auch sehr geschickt. Die Politik möchte keine europafeindliche Stimmung und kehrt die importierte Kriminalität unter den Teppich. Durch diese falsche Prioritätensetzung sind die Aufklärungsquoten äußerst niedrig. Werden die Täter nicht gefasst, weiß man auch nicht, wer es war. Somit kann man einfach behaupten, die signifikant ansteigenden Zahlen seien auf Einheimische zurückzuführen. Clever gemacht.
Die Hälfte unseres BIP geht in den Export, der Löwenanteil in
die Staaten der EU. Der freie Waren- und Kapitalverkehr ist
unser Lebenselixier. Wer daran herumsägt, gefährdet die
wirtschaftliche Basis ausnahmslos jedes einzelnen
Bundesbürgers.
Erzähl das mal einer Gruppe von griechischen oder spanischen Arbeitslosen. Die werden dir einen Blumenkranz um den Hals hängen, ehrlich!
Wirtschaftlich enge Verflechtungen führen zu
vernunfterzwingenden Abhängigkeiten, letztlich auch zum Zwang
zum Frieden.
Ach, da ist er ja, der Frieden. Was würdet ihr bloß ohne ihn machen?
Mut zeigte auch Brandt, als er um Versöhnung
mit ehemaligen Kriegsgegnern und Opfern warb - damals alles
andere als selbstverständlich.
Politische Zusammenarbeit ist auch ohne Aufgabe nationaler Souveränität möglich. In deinem Szenario ist es so, dass Mehrheiten aus bestimmten Staaten in andere Staaten hineinregieren können. Ob das für die politische Zusammenarbeit förderlich ist, darf stark bezweifelt werden. Im Gegenteil, es ist brandgefährlich!