mutmaßlich

Hallo Wissende,

dieses Wort, mutmaßlich, geht mir allmählich auf den Zeiger.
Was bedeutet das eigentlich genau? Doch eigentlich, daß noch nicht genau feststeht, ob eine Sache tatsächlich so ist?

In den Nachrichten höre ich das Wort ständig. Der mutmaßliche Entführer, Mörder, etc. Oft auch in Fällen, in denen der Täter schon feststeht und verurteilt wurde.
Das ist so ein Nachrichten-Modewort geworden, achtet mal darauf.
Jedes 10te Wort lautet „mutmaßlich“.

Gruß vom Asterix

hi,

dieses Wort, mutmaßlich, geht mir allmählich auf den Zeiger.
Was bedeutet das eigentlich genau? Doch eigentlich, daß noch
nicht genau feststeht, ob eine Sache tatsächlich so ist?

ja. kommt vom verb „mutmaßen“. würde sagen: etwas glauben und dem eine relativ hohe wahrscheinlichkeit zuschreiben.

In den Nachrichten höre ich das Wort ständig. Der mutmaßliche
Entführer, Mörder, etc. Oft auch in Fällen, in denen der Täter
schon feststeht und verurteilt wurde.

auch wenn ein täter verurteilt wurde und berufung eingelegt hat, müsste noch die unschuldsvermutung gelten, meine ich.

Das ist so ein Nachrichten-Modewort geworden, achtet mal darauf.

find ich an sich nicht schlecht, wenn die radiosender die nötige differenzierung zwischen tatsachenbehauptung und (zwar wahrscheinlicher, aber doch eben erst) annahme durchführen.

Jedes 10te Wort lautet „mutmaßlich“.

ich glaub, du hast da nicht recht. deine fixierung auf das wort lässt es dich häufiger wahrnehmen.

michael

Hallo Asterix,

Das ist so ein Nachrichten-Modewort geworden,

Hier irrst du. Das ist deine selektive Wahrnehmung, die dich zu dieser Annahme führt.
In den 70ern wurde das Wort „mutmaßlich“ noch viel häufiger gebraucht. Die mutmaßlichen Terroristen waren in allen Medien allgegenwärtig.
Und davor waren es die mutmaßlichen Kriegsverbrecher usw.

Aber vielleicht achtest du mal darauf, wie häufig inzwischen das Wort „Modewort“ benutzt wird :wink:
und das auch für Wörter, die schon „ewig“ in Gebrauch sind. Z.B. das Wort:

mutmaßen
schwaches Verb, Standardwortschatz (14. Jh.), spmhd. muotmãzen Stammwort. Zu muotmãze „Bemessung nach dem Sinn, nach der Vermutung“.

Quelle: Kluge

Gruß
Roland

OT: mutmaßlich
In meiner Kindheit waren die Damen und Herren Baader, Meinhof, Raspe und Ensslin niemals, nie, zu keiner Zeit, ohne das Adjektiv „mutmaßlich“ unterwegs. Ich dachte daher, da dieses Wort grundsätzlich nur paarweise mit „Terrorist“ auftauchte, es bedeute eine besondere Gefährlichkeit. Davon hat es sich in meiner Wahrnehmung nie erholt. Wann immer ich „mutmaßlich“ höre, denke ich reflexartig zunächst an Mörder und Bombenleger.

Ja, ne? „Mutmaßlicher Anrufer“ oder so klingt da ganz komisch. :smile:

  • André

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo, Michael

find ich an sich nicht schlecht, wenn die radiosender die
nötige differenzierung zwischen tatsachenbehauptung und (zwar
wahrscheinlicher, aber doch eben erst) annahme durchführen.

Ganz deiner Meinung. Nur dass die Sender (und auch Zeitungen) das nicht ganz freiwillig machen, sondern weil sie schon was auf den Deckel gekriegt haben, wenn sie die Unschuldsvermutung ignoriert haben. Da gab es vor ein paar Jahren eine Verschärfung der Mediengesetze. Seitdem _müssen_ sie einfach vorsichtiger sein.

Wie von Asterix beschrieben, wird das Wort in der Zwischenzeit dank der restlichen Formulierungen im Artikel schon mit gefährlich assoziiert. Im ganzen Artikel wird der betroffene als überführter Täter dargestellt, nur wird halt vor dem Wort „Täter“ noch schnell „mutmaßlich“ platziert, um dem Gesetz genüge zu tun.

Livia
(Journalistin, die der Lokalredaktion glücklich entkommen ist)

Hallo in die Runde,

ich hab mir vor Jahren auch mal Gedanken zum Ursprung der Silbe ‚mut‘ im Wort
‚mutmaßlich‘ sowie ‚Mutmaßung‘ und auch ‚vermuten, vermutlich‘ gemacht und bin
dabei auf den Bergbauberuf des ‚Muthers‘ (auch ohne ‚h‘ geschrieben zu finden) gestossen.
(Im Netz unter den Stichworten Bergbau und ‚Muter‘ schnell zu finden)

Der Muther war derjenige, der bis in 18 Jahrhundert hinein z.T. mittels Wünschelruten, Pendeln und u.ä. auf die Suche nach Mineralienvorkommen ging und diese dann beim Bergamt (die gab es schon im tiefen Mittelalter) anmeldete, bzw. beanspruchte.

Der Muther ‚vermuthete‘ also zunächst mal, dass an der gefundene Stelle die gesuchten Mineralien
durch Grabung/Schürfung zu finden wären und sicherte sich dann schnellstmöglich das Recht auf das Gebiet.
Woran erinnert das ? An die Goldgräber im ‚Wilden Westen‘, die ihren ‚Claim absteckten‘ und anmeldeten, damit ihnen möglichst niemand mehr das Recht auf die Fundstelle streitig machen konnte.
Dazu wurden, wie das Wort ‚Muthmaßung‘ schon vermuten läßt an den Ecken des Gebietes Pflöcke eingeschlagen und dazwischen dann gern Seile aufgespannt, die gleichzeitig zur Ermittlung der Längenmaße genutzt wurden. Die Größe des Gebietes war ja bei der Anmeldung
natürlich eines der interessantesten Details.

Ich fand seinerzeit (das Internet gab es da noch nicht), dass das eine recht sinnvolle Herleitung
der Silbe ‚muth/mut‘ in den Worten ‚vermuten/vermutlich‘ sowie ‚Mutmaßung/mutmaßlich‘ sei.

Da das ‚muthen/vermuthen‘ ja sehr oft entweder auf Grund eines (zu vermutenden;)) ‚siebten Sinnes‘ des Muthers oder aber mit Wünschelruten, Pendeln u.ä. von statten ging, rücken (und das ist jetzt meine Spekulation) auch Worte, wie ‚Gemueth/Gemüt‘ und damit eventl. auch Worte wie Mut, Edelmut, Anmut, etc. in die mögliche Bedeutungs-Reichweite. Immerhin geht es ja beim ‚Muthen‘ um eine
(nach wie vor) ziemlich unerklärliche, schwer rational erfassbare und besondere Fähigkeit desjenigen, der da ‚vermuthet‘. Da wären wir also schnell auch im Bereich der sogenannten Tugenden. Wie, Demut, Anmut, Edelmut oder eben ‚Mut‘ pur ;). Diese Charakter-Eigenschaften, Haltungen, aber auch Stimmungen, Gefühle (Fühlungen, Einfühlungen, Muthungen) wie (Demut, Schwermut, Unmut) haben ja in irgendeiner subjektiven unbeweisbaren Ecke :wink: vielleicht auch etwas mit der besonderen ‚Fähigkeit des Muthens‘ zu tun.
Objektiv ist das alles natürlich nicht. Aber ist Demut, Edelmut oder Empathie eine objektiv messbare Größe? Wohl auch nicht. Liegt aber ‚gefühlt‘ alles nah beieinander.
Wie gesagt, ist Letzeres eine vielleicht etwas weitreichende „Spekulation“.

Gruß, Claude

Hallo Claude,

ein Blick in Grimms Wörterbuch zeigt, dass Du da etymologisch auf dem Holzweg bist, weil die Grundbedeutung des Verbs muoten (alt- und mittelhochdeutsch) eben nicht vermuten, sondern begehren ist. Dazu übrigens auch lt. Grimm bereits mhd muotmâzunge = Schätzung.

Zu umfangreicheren Auskünften in der Etymologie --> Kluge/Götze, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.

Etymologie sollte aber keinesfalls auf Gefühlen, sondern auf Fundstellen gebaut sein - natürlich gibt es da viele nicht wieder heilbare Lücken, die u.a. die Kreuzfahrer mit dem Verbrennen von Bibliotheken gerissen haben. Aber die kann man auch mit schönen Ideen nicht wieder ganz machen.

Schöne Grüße

MM

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Ich lerne in Zeiten des Internets immer gern dazu MM. Dank Dir.
Das ‚mutmaßliche‘ im Sinne von die Maße eines Claim ‚abmessen‘ hatte ich irgendwo im Netz gefunden und find es leider nicht mehr wieder. Da lag es nahe sich vorzustellen, dass man das
im Mittelalter sicher ähnlich gemacht haben wird.
Aber ‚Gold‘ und ‚begehren‘ passt ja auch sehr gut :wink:

Im Übrigen gilt: „Nur der Wahnsinnige ist sich IMMER ganz sicher“ :relaxed: :face_with_hand_over_mouth:

Nein, das war eigentlich schon immer journalistischer Standard, dass man Menschen, die noch nicht überführt und verurteilt wurdem, als „mutmaßliche Täter“ bezeichnet. Geändert hat sich mE nur die Bereitschaft in der Gesellschaft, sich damit abzufinden, dass ein Twitter-Shitsorm für eine Verurteilung nicht ausreicht. Da ist natürlich das Wort mutmaßlich der Stachel im Fleisch, der an die Unschuldsvermutung erinnert, wo man doch jemanden auch so schön außergerichtlich aburteilen könnte.

M.

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