Mutter Gottes

Hallo,

Maria wird als „Mutter Gottes“ bezeichnet.
Wer weiß, wieso das so ist?

Ist es nicht merkwürdig, dass die vielen Gläubigen, die eine Maria verehren, nicht auc primär die Mutter anbeten, da sie doch „Gott“ hervorbrachte? Oder tun das doch viele, aber sie geben es nicht zu?

Grüße
Istiden

Moin,

Oder tun das doch viele, aber sie
geben es nicht zu?

der Muttergotteskult ist doch speziell in der Vorlksgläubigkeit sehr stark ausgeprägt und überhaupt nichts verstecktes.

Es gibt Theorien, daß ohne diesen Kult das Christentum in Europa gar nicht hätte ‚landen‘ können, weil es hier recht starke Göttinen gab, diem nanicht so einfach vom Tisch wischen konnte. Zudem war die Rolle der Frau eine wesentlich andere als in Nahen Osten. Die katholische Kirche brauchte Jahrhunderte, um die Macht der Frauen zu brechen.

Gandalf

Hallo.

„Mutter Gottes“ heisst Mutter Jesu. Die Bezeichnung wurde schon in der alten Kirche offiziell eingeführt, um kurz und klar auszusagen, dass Jesus laut Christologie und Trinitologie göttlich ist. Hier stecken tiefgründige theologische Diskussionen dahinter. Wenn Jesus auch Gott ist, ist Maria „Mutter Gottes“. Wenn Jesus nicht Gott, sondern z.B. nur Prophet oder eine Art Engel ist, ist Maria nicht Mutter Gottes.

Beste Grüsse,
TR

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Entwicklung der Vorstellung Mutter Gottes
Hallo Istiden,

Maria wird als „Mutter Gottes“ bezeichnet. Wer weiß, wieso das so ist?

Das Neue Testament berichtet von einer Zeugung Jesu bei Maria durch den Hl. Geist. Im ersten Konzil im Jahre 325 wurde die „Trinität“ beschlossen, die Einheit von Vater, Sohn und Hl. Geist. Damit wurde Maria zur Mutter Gottes. Das Christentum wurde zur Staatsreligion erklärt und durch Missionierungen in weiten Teilen des römischen Reiches verbreitet. Es fehlte jedoch eine geeignete Ausbildungs-Basis für den Inhalt des alten Wissens. So verliefen die Missionierungen und deren spätere Folgewirkungen unglücklich. Ich habe auch den Eindruck, dass so ein Christentum wohl mehr mit dem Schwert als mit der Logik verbreitet wurde.

Heutige Christen sehen die Kombination - Mutter Jesu ist gleichzeitig die Mutter Gottes, weil Jesus wahrer Gott und wahrer Mensch sei (auch ein Konzilbeschluss). Gleichzeitig wurde die „Mutter Gottes“ verehrt, weil sie das gefühlvolle Gegenstück zu einem grausamen Gott der Bibel bildete und als Fürsprecherin sowie Anklang zur gefühlvollen Vorstellung bietet, die mit Liedern besungen wurde.

Ganz ANDERS war jedoch die FRÜHERE Basis.
Die Trinität war die Zusammenfassung der Lehre des Alten Testamentes, die von einer gerechten Entwicklung der Wünsche und dem Verständnis handelt, das eine Einheit bilden soll.

Das AT bedarf der Auslegung. Die malerische Erzählung ist nicht DER Inhalt. Deshalb kommt man mit der übersetzten Bibel nicht auf den wörtlichen Rückbezug „Dreieinigkeit“. Erzählt wurde die mehrdimensionale Dichtkunst sowohl im AT als auch im NT. In dieser mehrfachen Sicht gesehen wird durch die Ignorierung der Bitterkeit die Erlösung geboren, wenn ein heiliger Sinn da ist und das Beste herauskommt. Andere sagen im Glaubensbekenntnis zwar die gleichen Worte, meinen aber: Eine Jungfrau Maria wurde vom Hl. Geist geschwängert und hat Jesus geboren.

Stoff für die Erzählung der Bibel gab es durch Ähnlichkeiten damaliger Ereignisse, Namen und Personen. Manche reimten dann marim (Maria) als erbittert sein, gleichzeitig aber auch ma rim, was ist hoch. Damit war „sie“ gleichzeitig Fürsprecherin, und „Mutter Gottes“ sprachlich dazu - hilfreich beim Hervorbringen des Besten.

Die traurige Geschichte damaliger historischer Begebenheiten verlor sich … und … allmählich verloren auch geschnitzten Statuen den Glanz wegen dem Kult einer rein äußerlichen Betrachtungsweise. Die stehen nun verstaubt als „Bitterkeit“ in den Kirchen, die kaum einer mehr betritt, weil keiner im Zeitalter der Aufklärung wirklich inbrünstig an eine Jungfraugeburt glaubt.

Danke für eure aufschlussreichen Antworten!

Grüße
Istiden

Hallo,

Maria wird als „Mutter Gottes“ bezeichnet.
Wer weiß, wieso das so ist?

weil das dritte Ökumenische Konzil von Ephesos im Jahr 431 per (ziemlich zweifelhaftem) Mehrheitsbeschluss ihr den Titel ‚Theotókos‘ (eigentlich ‚Gottesgebärerin‘) verlieh. Entsprechend lateinisch ‚Dei Genitrix‘, im populären Ave-Maria-Gebet mit Rücksicht auf das Verständnis des einfältigen Volks zu ‚Mater Dei‘ umformuliert. ‚Mutter Gottes‘ ist die deutsche Übersetzung davon.

Mit Trinität hat das übrigens nur sehr mittelbar etwas zu tun, die war nämlich im Konzil zu Ephesos allseitig unstrittig. Es ging vielmehr um eine christologische Frage bzw. das Gezänk zwischen der theologischen Schule von Alexandria (vertreten durch den Patriarchen von Alexandria Kyrill) und der von Antiochia (vertreten durch den Patriarchen von Konstantinopel Nestorius). Mit Macht- und Prestigefragen (genauer: den Primat der jeweiligen Patriarchen) hatte der Streit selbstredend nichts zu tun :wink:. Der Patriarch von Rom - Papst Coelestin I. - hielt sich geschickterweise aus dem Streit heraus, er ging nicht selbst nach Ephesos sondern schickte Legaten, die praktischerweise erst eintrafen, als die stärkere Partei feststand, der sie sich dann anschließen konnten.

Nestorius vertrat - grob zusammengefasst - die Auffassung einer Doppelnatur von Jesus, einer menschlichen (Christus) und einer göttlichen. Da nur die menschliche Natur geboren wurde, sei Maria eine ‚Christusgebärerin‘ (Christotókos), jedoch nicht ‚Gottesgebärerin‘ (Theotókos), also Mutter eines Gottes. Wobei letzterer Titel auch noch den Schönheitsfehler hat, dass man ihn sich bei den Heiden ausgeborgt hatte. Kyrill (der die Auffassung einer ungeteilten Natur vertrat) entschied den Streit weniger durch einleuchtende Argumentation für sich als dadurch, dass er das Konzil noch vor Eintreffen der römischen Delegation und des vierten Patriarchen Johannes von Antiochia durch den Bischof von Ephesos eröffnen ließ und so die (noch) sichere Mehrheit benutzte, gleich in der ersten Sitzung Nestorius absetzen und exkommunizieren zu lassen. Was Patriarch Johannes seinerseits nach seinem Eintreffen zum Anlass nahm, nun wiederum Kyrill und den ephesischen Bischof zu exkommunizieren, woraufhin Kaiser Theodosius II. in salomonischer Weisheit sowohl Nestorius als auch Kyrill verhaften ließ. Gütige, heilige Männer unter sich, von christlicher Demut durchdrungen. Letzterer (Kyrill) wurde allerdings recht zügig wieder freigelassen, während Nestorius in der Verbannung starb. Hatte wohl die besseren Beziehungen …

Endgültig bestätigt wurde die theotókos-Entscheidung von Ephesos im vierten ökumenischen Konzil von Chalcedon 451, seitdem ist Maria bei orthodoxen, katholischen und evangelischen Christen unangefochten ‚Gottesgebärerin‘. Das war allerdings kein Sieg von Kyrills Schule - sondern der eines merkwürdigen Kompromisses von einer untrennbar ‚vermischten‘ Natur. War mit Ephesos (bzw. in der Nachfolge) die Assyrische Kirche des Ostens (die sog. ‚Nestorianer‘) zu Häretikern erklärt worden, so wurden nun in Chalcedon praktischerweise auch deren alexandrinische Gegner, die sog. Monophysiten, zu ausgestoßenen Häretikern. Machtpolitische ‚Gewinner‘ auf kosten Antiochias und Alexandrias waren die Patriarchate von Rom und von Konstantinopel - also die spätere katholische und orthodoxe Kirche. Die asiatischen nestorianischen und monophysitischen Kirchen wurden von der offiziellen Reichskirche mit staatlicher Unterstützung verfolgt, was dann später keinen unerheblichen Faktor für den schnellen Erfolg des Islam in Syrien und Ägypten darstellte. Lieber zahlte man einem islamischen Kalifen Kopfsteuer und ließ sich von den Muslimen ein wenig drangsalieren, als von den christlichen Glaubensbrüdern massiv verfolgt zu werden.

Freundliche Grüße,
Ralf

Vom Isiskult abgekupfert
Hi.

Jean Piaget sagte, dass man, wenn man etwas verstehen will, sich ansehen solle, wie es entstanden ist. Das christliche Muttergottes-Mythologem fiel nicht vom Himmel (man könnte diesen Eindruck der creatio ex nihilo aber haben, betrachtet man die bisherigen Antworten), sondern es entwickelte sich aus älteren Vorstellungen.

Das Christentum hat sich nämlich dabei, wie bei all seinen Mythologemen, nur bei bestehenden Religionen bedient. Nichts im Christentum ist wirklich originell.

Muttergottheiten gab es schon immer, sie waren sogar die ersten höchsten Gottheiten („Große Mutter“) überhaupt. Erst ab dem 4. Jt. v.u.Z., als sich der Wandel vom Matriarchat zum Patriarchat vollzog, wurden männliche Götter an die Spitze der himmlichen Hierarchie gestellt. Das war um so wichtiger, als die Fortpflanzungslinie nicht mehr matri-, sondern patrilinear galt. Einer Theorie zufolge hatte das seinen Grund darin, dass die Männer die Erträge einer durch Arbeitsteilung gesteigerten Arbeitsproduktivität auf ihre Nachkommen übertragen wollten.

Religiöse Mythen sind allerdings erst seit der patriarchalen Zeit im Detail überliefert, so dass wir in der orientalischen Geschichte kein konkretes System kennen, das eine Muttergöttin an der Spitze der Götterhierarchie aufweist (für anderslautende Hinweise danke im voraus).

Die frühsumerische, aber bereits patriarchale Variante der Muttergöttin war zunächst ´Innana´, die Herrin des Himmels. Im späteren Babylon wurde sie zu ´Ishtar´. Beide Göttinnen hatten einen hohen Sexfaktor, was ein Charakteristikum des Götterdenkens jener Zeit war. Erst das Judentum und das Christentum entsexualisierten die Religion.

Die ägyptische Variante der Muttergöttin war Isis, deren Kult auf die Mytheme des Christentums besonders einflussreich war. Den Ägyptern galt sie als Liebesgöttin, als Meergöttin und als Gottesmutter.

Die Parallelen des Isiskultes (der kurz vor der Zeitenwende auch nach Rom gelangte) zum späteren marienverehrenden Christentum sind überwältigend:

Es gab eine Offenbarung und heiligen Schriften
Es gab Rituale, Exerzitien, Weihwasser und Reliquien
Isis brachte ihren Sohn, den Gott Horus, als Jungfrau zur Welt
Isis spendete Trost und Gnade
Isis wurden heilende Kräfte zugeschrieben (wie auch Maria, siehe Lourdes)
Isis´ Gatte Osiris wurde von seinem Bruder zerstückelt, es gelang Isis aber mithilfe von Anubis, Osiris wieder zum Leben erwecken (Auferstehung), was im Isis- bzw. Osiriskult jährlich gefeiert wurde

Die Parallen zwischen Isis´ Sohn Horus und Marias Sohn Jesus sind altbekannt:

beide werden von einer Jungfrau geboren
Vater ist ein Gott
beide werden in Darstellungen von ihrer Mutter als Kind auf dem Schoß gehalten
beider Geburt wird durch übernatürliche Wesen angekündigt
Horus wird am 25. Dez., Jesus am 24. Dez. geboren

Chan

Gottesgebärerin
Hallo Ralf,

weil das dritte Ökumenische Konzil von Ephesos im Jahr 431 per (ziemlich zweifelhaftem) Mehrheitsbeschluss ihr den Titel ‚Theotókos‘ (eigentlich ‚Gottesgebärerin‘) verlieh.

In diesem Streit zwischen der antiochenischen und der alexandrinischen Schule, in dem es tatsächlich, wie du ja auch ausführst, vor allem um Machtgeränkel ging, wurde die Bestimmung „theotókos“ lediglich explizit gegen Nestorius festgeschrieben.

Nestorius, der gegen den alexandrinischen Miaphysitismus (Christus ist ein undifferenzierbares Amalgam aus Gott und Mensch) die später ebenfalls dogmatisch festgelegte Zweinaturenlehre (ganz Gott & ganz Mensch) vertrat und damit insbesondere gegen die Nur-Gott-Tendenzen insistierte, wehrte sich gegen den sich seit dem 2. Jhdt. aufschaukelnden Marienkult und bestand daher auf dem Attribut „anthropotókos“ (Menschgebärerin).

Das wiederum wurde von der gegnerischen Seite als Widerspruch gegen die Gottessohnschaft aufgefaßt und daher als unvereinbar mit der Trinitätslehre.

Entsprechend lateinisch ‚Dei Genitrix‘, im populären Ave-Maria-Gebet mit Rücksicht auf das Verständnis des einfältigen Volks zu ‚Mater Dei‘ umformuliert.

Das geschah keineswegs als Appetithappen für das einfältige Volk. Die „Dei genetrix“ bzw „Theotókos“ war bereits seit dem 2. Jhdt geläufig, wenn auch nicht offiziell. Irenäus v. Lyon, Ignatius v. Antiochien hatten ihn vorbereitet, ebenso apokryphe Schriften wie z.B. das Protoevangelium des Jakobus, und bei Eusebius v. Cäsarea, Athanasius und anderen wurde er explizit gebraucht. Und für das Attribut „Dei mater“ war im gesamten mediterranen bis zum mesopotamischen Raum seit Urzeiten der mythologische Boden bereitet: Isis, Demeter, Kybele, Hera usw. usw. Ebenso btw. wie das Mythem der „göttlichen Jungfrau“. Da brauchten gelehrsame Theologien gar nichts zu beitragen, wenn diese überhaupt Einfluß darauf hatten.

Auch die Maria=Sophia/Chokma-Identifizierung, die in Jeremia („Königin des Himmels“) und in den Proverbia (Sprüche Salomonis) bereits zugrundegelegt war, trug dazu bei.

Mit Trinität hat das übrigens nur sehr mittelbar etwas zu tun, die war nämlich im Konzil zu Ephesos allseitig unstrittig.

Es hatte, wie iben angedeutet, sogar wesentlich mit der Trinität zu tun, auch wenn es ein speziell christologisches Problem war. Und in den Interna der Trinitätslehre gab es sehr wohl noch erhebliche Strittigkeiten, die aber mit der Marien-Attribuierung weniger zu tun hatten. Ich erinnere nur an das „filioque“-Problem, das neben dem Primat des römischen Bischofs bis heute Grundlage des „Großen Schismas“ geblieben ist.

Die asiatischen nestorianischen und monophysitischen Kirchen wurden von der offiziellen Reichskirche mit staatlicher Unterstützung verfolgt, was dann später keinen unerheblichen Faktor für den schnellen Erfolg des Islam in Syrien und Ägypten darstellte.

Die arabische Machtentwicklung spielte sich zunächst auf dem Boden monophysitischen bzw. genauer antichalzedonischen arabischen, syrischen und persischen Christentums ab. Erst ab Mitte des 8. Jhdt. zeichnet sich in den schriftlichen Belegen eine „neue Religion“ ab. Hierzu interessante Ergebnisse aus jüngster Islamforschung in
Karl-Heinjz Ohlig (Hg.): „Der frühe Islam“
ISBN 978-389930-090-1 Buch anschauen

Gruß
Metapher

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Hallo Metapher,
danke und * für Deine wie immer sehr sachkundigen Korrekturen und Differenzierungen zu meinem etwas flapsigen Posting. Schön, dass ich als Zöllner den Ochsen ein wenig aufhalten konnte :wink:.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo 關尹子,

und *

und vice versa

Schön, dass ich als Zöllner den Ochsen ein wenig aufhalten konnte :wink:.

Manchmal trag ich den lachenden Alten auf meinem Rücken gerne durch die Berge :wink:

Schöne Grüße
Metapher