Vom Isiskult abgekupfert
Hi.
Jean Piaget sagte, dass man, wenn man etwas verstehen will, sich ansehen solle, wie es entstanden ist. Das christliche Muttergottes-Mythologem fiel nicht vom Himmel (man könnte diesen Eindruck der creatio ex nihilo aber haben, betrachtet man die bisherigen Antworten), sondern es entwickelte sich aus älteren Vorstellungen.
Das Christentum hat sich nämlich dabei, wie bei all seinen Mythologemen, nur bei bestehenden Religionen bedient. Nichts im Christentum ist wirklich originell.
Muttergottheiten gab es schon immer, sie waren sogar die ersten höchsten Gottheiten („Große Mutter“) überhaupt. Erst ab dem 4. Jt. v.u.Z., als sich der Wandel vom Matriarchat zum Patriarchat vollzog, wurden männliche Götter an die Spitze der himmlichen Hierarchie gestellt. Das war um so wichtiger, als die Fortpflanzungslinie nicht mehr matri-, sondern patrilinear galt. Einer Theorie zufolge hatte das seinen Grund darin, dass die Männer die Erträge einer durch Arbeitsteilung gesteigerten Arbeitsproduktivität auf ihre Nachkommen übertragen wollten.
Religiöse Mythen sind allerdings erst seit der patriarchalen Zeit im Detail überliefert, so dass wir in der orientalischen Geschichte kein konkretes System kennen, das eine Muttergöttin an der Spitze der Götterhierarchie aufweist (für anderslautende Hinweise danke im voraus).
Die frühsumerische, aber bereits patriarchale Variante der Muttergöttin war zunächst ´Innana´, die Herrin des Himmels. Im späteren Babylon wurde sie zu ´Ishtar´. Beide Göttinnen hatten einen hohen Sexfaktor, was ein Charakteristikum des Götterdenkens jener Zeit war. Erst das Judentum und das Christentum entsexualisierten die Religion.
Die ägyptische Variante der Muttergöttin war Isis, deren Kult auf die Mytheme des Christentums besonders einflussreich war. Den Ägyptern galt sie als Liebesgöttin, als Meergöttin und als Gottesmutter.
Die Parallelen des Isiskultes (der kurz vor der Zeitenwende auch nach Rom gelangte) zum späteren marienverehrenden Christentum sind überwältigend:
Es gab eine Offenbarung und heiligen Schriften
Es gab Rituale, Exerzitien, Weihwasser und Reliquien
Isis brachte ihren Sohn, den Gott Horus, als Jungfrau zur Welt
Isis spendete Trost und Gnade
Isis wurden heilende Kräfte zugeschrieben (wie auch Maria, siehe Lourdes)
Isis´ Gatte Osiris wurde von seinem Bruder zerstückelt, es gelang Isis aber mithilfe von Anubis, Osiris wieder zum Leben erwecken (Auferstehung), was im Isis- bzw. Osiriskult jährlich gefeiert wurde
Die Parallen zwischen Isis´ Sohn Horus und Marias Sohn Jesus sind altbekannt:
beide werden von einer Jungfrau geboren
Vater ist ein Gott
beide werden in Darstellungen von ihrer Mutter als Kind auf dem Schoß gehalten
beider Geburt wird durch übernatürliche Wesen angekündigt
Horus wird am 25. Dez., Jesus am 24. Dez. geboren
Chan