Hallo,
manchmal überkommt mich eine starke misanthropische Grundstimmung.
So auch bei diesem Thema:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen nicht dauerhaft aus ihren Fehlern lernen. Sie neigen dazu, den selben Unsinn (eigentlich wollte ich ein Fäkalwort verwenden) immer und immer wieder zu machen. Einzig die Dauer zwischen den Wiederholungen von Fehlern variiert je nach schwere des Fehlers.
Und so bin ich mir sicher, dass Medien und Politiker nach der Krise maximal für ein paar Monate die erkannten Probleme aufzeigen und Besserung fordern. Aber dann werden wieder die Privatisierung-Befürworter die Oberhand gewinnen. Hat doch alles gut funktioniert.
Man sieht es doch jetzt schon. An vielen Ecken wird bemängelt, dass es zu viele eigentlich unnötige Operationen gibt. Dass bei manchen Kliniken die Zahl bestimmter gut bezahlter OPs nach der Privatisierung deutlich angestiegen ist. Jetzt sagen die Kliniken die OPs ab, um Betten frei zu halten, das Finanzierungskonzept versagt, die Gesellschaft stützt die Betreiber mit (derzeit geplanten) 3,3 Milliarden Euro. Zumindest in der Öffentlichkeit hörte ich noch nicht die Forderung: kauft mit diesem Geld die Kliniken zurück.
Das Parlament bedankte sich mit stehenden Innovationen gestern bei den Arbeitern im Gesundheits- und Pflegewesen für ihren Einsatz. Was kann sich eine Schwester, ein Pfleger von dem Applaus kaufen? Das Parlament hätte lieber beschließen sollen, dass der Mindestlohn für Pflegekräfte angehoben wird. Oder wenigstens eine Zulage von steuerfreien 500 € pro Pflegekraft und Monat durch die Gesellschaft für erst mal 6 Monate.
(Über beide Beispiele können wir gern jeweils auch in einem anderen Threat separat diskutieren. Ich bin mir bewusst, dass ich damit eine kontroverse Diskussion auslöse.)
Mit anderen Worten: ich habe wenig Hoffnung, dass die Spirale der Profitorientierung des gesamten Gesundheitssystems wieder zurück gedreht werden wird. Es wird ein paar Nebelkerzen geben, die als die große Erkenntnis aus der Krise gefeiert werden. Aber im Großen und Ganzen wird der Gesellschaft die Kraft fehlen, den Profiteuren etwas von ihrem Profit abspenstig zu machen.
Grüße
Pierre
P.S.: ein drittes Thema, was wir in einem separaten Threat diskutieren könnten: muss man die Produktion von Medikamenten und/oder deren Grundstoffe nach China und Indien verschieben? Muss man das auf wenige einzelne Firmen weltweit konzentrieren? Wie Viel teurer werden Ibuprofen-Tabletten, wenn die Grundstoffe wieder zuverlässig an mehreren Standorten in der EU produziert werden würden. (Ibu ist eines der Mittel, an denen in den vergangenen Monaten Mangel herrschte.)