Naturschutz wider willen?

…und zwar wider dem Willen der Natur?

Es gibt ja für den Schutz von bestimmten Flächen verschiedene Ansätze, aber in der Regel, und ganze besonders außerhalb von Kernzonen von Waldnaturschutzgebieten, handelt es sich um erhaltenden Naturschutz. So wird zum Beispiel alles daran gesetzt, Trockenrasen zu erhalten oder bestimmte andere Offenflächen vor dem Verwalden zu bewahren.
Ich habe mich halt gefragt, wie sinnvoll das ganze ist, mit welcher Berechtigung man bestimmte Sachen schützt.

Aufhänger für die Überlegungen war eine Diskussion, wo große Weidegänger in Naturschutzgebieten eingesetzt werden, um diese offen zu halten. Ein Pro in dieser Diskussion war zum Beispiel, dass man damit auf relativ schonende Weise auch Lebensraum für Großtrappen erhält, die ja hierzulande und generell vom Aussterben bedroht sind.

Nun frage ich mich aber, ob man das überhaupt tun sollte?
Im Prinzip hat sich die Großtrappe erst in Deutschland angesiedelt, nachdem der Mensch im Mittelalter Waldflächen rodetet und Moore trocken legte, und damit Lebensraum für die eigentlichen Steppenbewohner schuf. Das heißt, im Prinzip ist dieser Vogel nur wegen dem Menschen hier eingewandert, er lebt nur noch hier, weil schon vor Jahren eifrige Naturschützer sich darum bemühten den (zugegebnermaßen erst durch den Menschen so schnell wieder) hier sehr seltenen Vogel zu schützen, und wenn überhaupt wird er auch in Zukunft nur hier leben, weil es dem Menschen so gefällt. Würde der Mensch von heute auf morgen aus deutschland verschwinden, würde über kurz oder lang auch die Trappe diesem Beispiel folgen (oder sich anpassen), wenn all die offenen steppenähnlichen Landschaften wieder verwaldet wären…
Man muss solche Landschaften also quasi nicht nur vor dem zerstörerischen Einfluss des Menschen ebwahren, sondern auch vor dem Einfluss der Natur selber. Kann das sinnig sein? Die Naturschutzgebiete so stark vom Menschen abhängig zu machen? Ist das dann nicht wieder nur ein Idealbild der Natur, wied er Mensch es gern hätte?
Rechtfertigen selten Arten, die hier ohne den Menschen nicht vorkommen würden diese Maßnahmen?

Mir ist bewusst, dass das alles recht hypothetische Gedankenspielereien sind, mit nur in Grenzen auf die Realität anwendbaren Ansätzen. Aber interessehalber würde ich trotzdem gerne darüber diskutieren.
Noch ein Hinweis: Es liegt mir fern, den Großtrappenschutz schlechtzureden… um ehrlich zu sein habe ich noch gar keine Meinung zum gründsätzlichen Thema erhaltender Naturschutz und Prozessschutz. Genau deswegen interessiert mich diese Diskussion auch :wink:

ich bin gespannt auf eure Gedanken dazu
lieben gruß
Aj

Hallo aj.

Ein interessantes Thema. (Diesmal ist das Fragesternchen von mir.)

Auch die Lüneburger Heide ist ja nichts anderes als eine Kultursteppe, durch Überweidung, also durch den Menschen, erzeugt und erhalten.
Im Prinzip ist bzw. wäre Deutschland wohl größtenteils Waldland mit der dazu gehörenden Fauna.

Und viele Tierarten, die wir heute für typisch deutsch halten, sind erst mit dem Menschen bzw. durch dessen Aktivitäten hier heimisch geworden.

Ich denke grad an den Kulturfolger Spatz, den Steppenbewohner Hase, die Felsen bewohnenden Schwalben, Tauben, den Weißstorch, die Feldlerche usw.

Jedenfalls wurde die Vielfalt der heimischen Fauna wirklich erst durch den Menschen ermöglicht, wobei andere Arten, etwa der vielgerühmte Auerochse, Wisent, Bär und Wolf, aber auch Schwarzstorch, See- und Steinadler, Wiesenweihe, Lämmergeier und viele andere Greifvögel ausgerottet bzw. in arge Bedrängnis gebracht wurden.

Interessant vielleicht, in diesem Zusammenhang, dass Steinadler und Gemse früher mal ganz Deutschland bewohnten und auch erst durch den Menschen in’s Hochgebirge zurück gedrängt wurden.

Es geht nun tatsächlich nicht darum, der Natur ihren Lauf zu lassen, wie es eventuell Gott gefällt, sondern sie in ihrer Vielfalt zu erhalten, wie sie vielleicht vor 100, 200, 300 Jahren noch war.

Denn ganz ausschalten können wir den Einfluss des Menschen sowieso nicht. Und Naturschutz schützt zwar die Natur, aber immer im Interesse des Menschen.

Die Tiere, die unsere Groß- bzw. Urgroßeltern noch kannten, wollen wir erhalten und vielleicht unseren Kindern und Enkeln noch zugänglich machen.

Ob das sinnvoll ist, ist natürlich die Frage, die man dem gesamten Naturschutz stellen muss. Aber die Mehrheit antwortet hier wohl mit ja.

Als dann, lass uns etwas tun, damit sich auch unsere Urenkel noch am Gesang der Lerchen im Frühling erfreuen können.

Meine Meinung.

Gruß, Nemo.

…und zwar wider dem Willen der Natur?

Falsche Frage - bzw. wäre hier die Voraussetzung zu diskutieren: Hat die Natur einen „Willen“?

Es gibt ja für den Schutz von bestimmten Flächen verschiedene
Ansätze, aber in der Regel, und ganze besonders außerhalb von
Kernzonen von Waldnaturschutzgebieten, handelt es sich um
erhaltenden Naturschutz. So wird zum Beispiel alles daran
gesetzt, Trockenrasen zu erhalten oder bestimmte andere
Offenflächen vor dem Verwalden zu bewahren.
Ich habe mich halt gefragt, wie sinnvoll das ganze ist, mit
welcher Berechtigung man bestimmte Sachen schützt.

Es ist aber tatsächlich ein berechtigter Gedankengang, was will „Naturschutz“? Es gibt darüber durchaus aktuelle Diskussionen - bewahrt man durch menschliche Eingriffe einen bestimmten Zustand (durch gezielte Landschaftspflege) oder lässt man einfach der Natur ihren Lauf, was dann zu natürlichen Landschaftsänderungen führt.
Ein allgemeingültiges Richtig oder Falsch gibt es hier nicht, es ist immer eine menschliche Bewertung.

Beatrix

Hallo,

Man muss solche Landschaften also quasi nicht nur vor dem
zerstörerischen Einfluss des Menschen ebwahren, sondern auch
vor dem Einfluss der Natur selber. Kann das sinnig sein? Die
Naturschutzgebiete so stark vom Menschen abhängig zu machen?

Der Mensch ist aber auch Teil der Natur. In Mitteleuropa gibt es eben seit Jahrtausenden fast keine vom Menschen unberührte Natur mehr. Und die Tier- und Pflanzenwelt hat sich natürlich angepasst.
Das hat eben zur Konsequenz gehabt, dass viele Tiere und Pflanzen indirekt auf den Menschen angewiesen waren. Gerade extrem artenreiche Biotope sind z.B. gerade dadurch entstanden, z.B. wie die Schachten im Bayerischen Wald. Eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen kommt dort nur vor, weil man eben früher dort Weidehaltung betrieben hat.

Auf der anderen Seite könnten viele hier ursprünglich heimische Tiere ohne die Mithilfe des Menschen gar nicht mehr überleben, z.B. Rotwild in den Alpen. Denn im Winter sind diese Tiere früher weit in die Täler gekommen um Futter zu suchen. Das geht aber heute nicht mehr, weil da der Mensch sich überall breit gemacht hat. Also muss man die Tiere im Winter zufüttern, damit sie über die Runden kommen.

Ist das dann nicht wieder nur ein Idealbild der Natur, wied er
Mensch es gern hätte?

Nein, ist es IMO nicht. Es ist einfach die Natur, so wie sie seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden bei uns besteht - und darin war der Mensch nun mal ein wichtiger Faktor.

Rechtfertigen selten Arten, die hier ohne den Menschen nicht
vorkommen würden diese Maßnahmen?

Was würde es rechtfertigen, den Menschen außen vor zu lassen? Viele Tiere und Pflanzen brauchen den Menschen. Viele Pflanzen brauchen auch Bienen zur Bestäubung. Wieso dürfen die dann von den Bienen abhängig sein und vom Menschen nicht?

Hallöchen!

Danke für deine interessanten gedanken dazu!

Der Mensch ist aber auch Teil der Natur. In Mitteleuropa gibt
es eben seit Jahrtausenden fast keine vom Menschen unberührte
Natur mehr. Und die Tier- und Pflanzenwelt hat sich natürlich
angepasst.

Ja, das ist wahr. Und um ehrlich zu sein…rein vom inneren Empfinden her, ohne wirklich stichige Argumente vorbringen zu können, will ich auch solche tollen Lebensräume wie Trocken- oder Magerrasen nicht missen müssen.
Gerade heute erst habe ich mit Entzücken die Raupen des Blutbären auf einem Magerrasen beobachten können, ws mir irgendwie direkt den ganzen Tag versüßt hat.

Das hat eben zur Konsequenz gehabt, dass viele Tiere und
Pflanzen indirekt auf den Menschen angewiesen waren.

Ja, aber das sehe ich halt auch problematisch. Diese Arten werden immer auf die Gunst des Menschen angewiesen sein hierzulande.
Andererseits können solche Lebensräume, auch für Tiere, die hier ganz ürsprünglich nicht vorkämen, auch ein wichtiges Refugium sein.

Ist das dann nicht wieder nur ein Idealbild der Natur, wie der
Mensch es gern hätte?

Nein, ist es IMO nicht. Es ist einfach die Natur, so wie sie
seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden bei uns besteht - und
darin war der Mensch nun mal ein wichtiger Faktor.

Naja, Jahrtausende sind es in der Regel nicht.
Aber im Prinzip bringst du was ganz wichtiges an: Der Mensch steht nicht außerhalb der Natur oder gar über ihr… letztenendes ist er einfach ein Teil von ihr und damit alles was er erschafft auch ein Stück weit natürlich.
Allerdings, aus diesem Aspekt betrachtet: es ist also ok, was der Mensch tut, solange er damit die Arten schützt, selbst wenn es „wider“ der Natur ist (aus eben genanntem Aspekt heraus natürlich nicht wirklich)? Aber wenn er Beispielsweise wiedermal ein Moor trocken legt ist das kritikwürdig.
So jedenfalls wäre mein Empfinden dazu.
Warum wäre aber bei dem einen Vorgehen die Erklärung, dass der Mensch nunmal die Natur beeinflusst hat und immer wird ok, bei dem anderen aber nur ein schwacher Versuch (wie gesagt, meinem Empfinden nach zumindest…ich denke aber es gibt genug Leute die das ähnlich fühlen).
Muss da der Apell an ethische und moralische Grundsätze ausreichen?

Was würde es rechtfertigen, den Menschen außen vor zu lassen?
Viele Tiere und Pflanzen brauchen den Menschen. Viele Pflanzen
brauchen auch Bienen zur Bestäubung. Wieso dürfen die dann von
den Bienen abhängig sein und vom Menschen nicht?

Mit dem Unterschied, dass es in einem Fall eine gegenseitige Co-Evolution gegeben hat… mit dem Ergebniss, dass nicht nur die Pflanze die Biene braucht.
Der Mensch hat aber ziemlich „akut“ eingegriffen, und Tiere und Pflanzen hatten nur die Wahl damit klar zu kommen oder es zu lassen. Andererseits komme ich an der Stelle ja gerne mit dme Biberbeispiel, der auch einen erheblichen Einfluss auf seine Umwelt hat (ich diskutiere diese Themen ja sonst von der anderen Seite aus :wink: )

lieben gruß
Aj

Huhu!

Auch dir Danke für deine Antwort!

…und zwar wider dem Willen der Natur?

Falsche Frage - bzw. wäre hier die Voraussetzung zu
diskutieren: Hat die Natur einen „Willen“?

Nunja, der Griffigkeit des Threadtitels zuliebe, habe ich diese Metapher herangezogen :wink:
Es ist natürlich nicht so, dass die personifizierte Natur in ihrem Schaukelstuhl sitzt und sich darüber ärgert, was dieses Ungeziefer Mensch nur wieder in ihrem Vorgarten anrichtet ^^
Aber was ich meine ist, dass eben ohne das gezielte Eingreifen des Menschen die natürliche Sukkzession ganz andere Blüten treiben würde.

lieben Gruß
Aj

Hi,

Dir danke ich natürlich auch für deine Meinung zum Thema!

Im Prinzip ist bzw. wäre Deutschland wohl größtenteils
Waldland mit der dazu gehörenden Fauna.

Wobei es da ja auch gegenteilige Theorien gibt (Stichwort Megaherbivorentheorie) … ich teile diese Ansichten allerdings auch nicht, wollte es nur mal gesagt haben :wink:

Ich denke grad an den Kulturfolger Spatz, den Steppenbewohner
Hase, die Felsen bewohnenden Schwalben, Tauben, den
Weißstorch, die Feldlerche usw.

die gute alte Stubenfliege hast du vergessen ;-D

Es geht nun tatsächlich nicht darum, der Natur ihren Lauf zu
lassen, wie es eventuell Gott gefällt, sondern sie in ihrer
Vielfalt zu erhalten, wie sie vielleicht vor 100, 200, 300
Jahren noch war.

Ja, so ist es wohl. Aber warum bezieht man sich gerade auf diese Zeit? Ist das Willkür? „Weil damals alles besser war?“

Denn ganz ausschalten können wir den Einfluss des Menschen
sowieso nicht. Und Naturschutz schützt zwar die Natur, aber
immer im Interesse des Menschen.

Ok, ich sehe das Argument ein, entspricht schlicht der Tatsache. Aber wenn ich diesem Gedanken weiter folge, dass es eben im menschlichen Interesse liegt, bestimmte Arten und Lebensräume zu erhalten, und der Mensch schlicht auch als ein Teil der Natur angesehen werden sollte und damit die Lebensräume die er begünstigt auch natürlich sind, komme ich immer nach einigen Ecken dabei raus, warum man aber auf der anderen Seite Tierarten schützen sollte, die vom Aussterben bedroht sind, und für die das Interesse erst mühsam mobilisiert werden muss, weil es im Prinzip keinen interessiert.
Wenn ich jetzt ein verschrobener Naturschützer bin und aus irgendeinem Grund mir einen Narren am Südsulawesischen Springnasenrüssler (Anm. des Autors: Tierart frei erfunden *g*) gefressen habe und dessen Restbestände unbedingt schützen will, wie lässt sich das eigentlich rechtfertigen außer mit dem ganz ureigenen persönlichen Interesse (mit dem allein man sicherlich nicht unbedingt Zustimmung bekommt…kostet ja alles). Warum muss man jetzt auf Teufel komm raus halbe Kontinente einzäunen um dort eingeschleppte Katzen und Füchse daran zu hindern irgendwelche arglosen Beuteltiere oder Vögel zu fressen, obwohl das Gebiet wohl immer Sperrgebiet bleiben wird und im Endeffekt die Menschheit als solches keinen Vorteil davon hat, außer dem ruhigen Gewissen, nicht für das Aussterben einer weiteren Tierart verantwortlich zu sein?

Wieder der Apell, mich bitte nicht falsch zu verstehen…ich würde zustimmen die halbe Welt einzuzäunen, wenn es sein müsste. Einfach weil es sich für mich richtig anfühlt.
Aber mein Kopf und mein Bauchgefühl stimmen nicht immer überein, und am liebsten würde ich meinen Kopf überzeugen, dass mein Bauchgefühl stimmt und nicht andersrum :wink:

Die Tiere, die unsere Groß- bzw. Urgroßeltern noch kannten,
wollen wir erhalten und vielleicht unseren Kindern und Enkeln
noch zugänglich machen.

Wobei nach dieser Grundlage viele Tiere aus dem Raster fallen, nach denen kein Hahn kräht.
Daher ist die Entwicklung dahin, Lebensräume zu schützen und nicht unbedingt gezielt Tierarten (die typischen Publikumslieblinge fungieren allerdings oft als „Paten“ für diesen Lebensraum) auf jeden Fall zu begrüßen, weil alle Arten des Lebensraumes davon profitieren können.

Ob das sinnvoll ist, ist natürlich die Frage, die man dem
gesamten Naturschutz stellen muss.

Ahja, das ist so in etwa in einem Satz zusammengefasst, was ich oben zusammengestoppelt habe :wink:

Aber die Mehrheit antwortet hier wohl mit ja.

Das reicht mir aber nicht. Was ist mit der Minderheit, die das nicht aus dem Bauch mit ja beantwortet? Welche schlüssigen Argumente könnten dazu führen, sie zumindest zum Nachdenken zu bringen?

Als dann, lass uns etwas tun, damit sich auch unsere Urenkel
noch am Gesang der Lerchen im Frühling erfreuen können.

Ich bin mittendrin… :wink:

Lieben gruß
ein gerade etwas zerrissenes Aj

Eine Frage der Sichtweise
Hallo!

Ein weiteres Beispiel ist das Freischieben von Flächen in ehemaligen Truppenübungsplätzen. Teilweise werden hier sogar Samen von kurzlebigen, auf solche Flächen spezialisierten Arten abgesaugt und dort wieder ausgebracht.

Die Frage lautet umgestellt: Ist Biodiversität ein Wert an sich? Würde man in Mitteleuropa nicht eingreifen, würde das Land in weiten Teilen verwalden. Besonders vielfältig wäre das nicht, aber eben natürlich.

Was als wertvoll (oder schön oder wünschenswert) erachtet wird und was nicht, ist immer eine subjektive Angelegenheit.

Nicht vergessen sollte man dabei, dass Artenvielfalt uns einen Pool an Möglichkeiten bietet, um Umweltveränderungen zu begegnen, die uns u.U. das Leben schwer machen könnten.

Von rein musealem Naturschutz halte ich wenig, ein bißchen Lebensraumerhaltung gehört in meinen Augen schon dazu. Was nützen mir Nachzuchtprogrammen von Orang Utans im Zoo wenn es draußen nie wieder einen Lebensraum für die Tiere geben wird?

Zum Thema Schaffung von nährstoffarmen Störungsstandorten: Häufig müsste man die gar nicht künstlich extra erschaffen. Teilweise werden z. B. in ehemaligen Braunkohleabbaugebieten Flächen brach liegen gelassen (die meisten werden „hübsch“ begrünt, weil viele Menschen das erwarten), das könnte man an verschiedenen Stellen -auch kleinteiliger- öfter machen (Wo technisch möglich, z.B. die Erosion sich in Grenzen hält oder nichts kaputt macht): Nicht überall sofort Rasen und Wiese ansäen, sondern einfach mal abwarten. Das fällt aber offensichtlich schwer, uns fehlt da oft die Blickweise.

Ich erinnere mich an die BUGA in Magdeburg. Dort wurden (ok auch künstlich, aber als Beispiel einfach zu schön) auf Schuttflächen Ruderalstauden angesät (Natternkopf, Königskerze, Wermut und sowas). Manche Leute haben sich direkt echauffiert, wie man sowas auf einer Gartenschau machen könnte, sähe ja furchtbar ungepflegt aus. Ich habe selten eine so farbenfrohe, duftende und summende Fläche gesehen.

Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass die Natur auch ohne Schutz ganz gut zurechtkommt. Das Ergebnis wird uns nur nicht so recht gefallen. Es geht um unsere Lebensqualität und unsere Grundlagen. Die Natur hat ja jede Menge Zeit und Möglichkeiten. Wenn über 30.000 Jahre alles kahl ist und die Kakerlaken herrschen, ist das der Natur herzlich wurscht. Nur uns Menschen wird es höchstwahrscheinlich nicht so gut gefallen.

Grüße
kernig

Hallo,

auch wenn das einem Puristen zuwieder sein mag, ich finde, man muss hier auch Abstufungen berücksichtigen.

Hier bei uns auf der Schwäbischen Alb sind die „typischen“ Wacholderwiesen keineswegs natürlich, sondern existieren bloss durch Wanderschafherden.

Sie sind aber natürlicher als etwa ein Maisfeld. Und das Maisfeld ist immer noch natürlicher als ein asphaltierter Parkplatz.

Ich finde jede Massnahme lohnend, die einen natürlicheren Zustand erhält oder wiederherstellt, auch wenn der nicht bis zur Bewaldung nach der letzten Eiszeit zurückführt.

Gruss Reinhard

Hallo!

Eigentlich stört es Dich nur, dass in dem Wort Naturschutz von „Natur“ die Rede ist, aber dass etwas geschützt wird, was gar kein natürlicher Zustand ist. Hängst Du Dich da nicht zu sehr an einer Begrifflichkeit auf? Ich glaube nicht, dass es vorrangig darum gehen sollte, ob eine Biozönose natürlich ist oder nicht, sondern ob sie schützenswert ist oder nicht. Bei der Bewertung dessen spielt es selbstverständlich einer Rolle, ob eine Biozönose naturnah oder naturfern ist, aber es ist nicht das einzige Argument.

Nichael

Hallöchen!

Nicht vergessen sollte man dabei, dass Artenvielfalt uns einen
Pool an Möglichkeiten bietet, um Umweltveränderungen zu
begegnen, die uns u.U. das Leben schwer machen könnten.

Ja, das scheint mir eins der schlagkräftigsten Hauptargumente gegen Skeptiker zu sein.
Gefällt mir auch deswegen nicht schlecht, weil das zugleich auch die Arbeit der ganzen Systematiker rechtfertigt, die ja zum Teil auch unter den Biologen als die Exoten ihres Gebietes betrachtet werden… Was nützt eine Biodiversität diesbezüglich, wenn man sie nicht kennt?

Von rein musealem Naturschutz halte ich wenig, ein bißchen
Lebensraumerhaltung gehört in meinen Augen schon dazu. Was
nützen mir Nachzuchtprogrammen von Orang Utans im Zoo wenn es
draußen nie wieder einen Lebensraum für die Tiere geben wird?

Haargenau meine Meinung zum Thema. Es gibt aber viele, die es anders sehen… so soll die in Wildbahn ausgestorbene Tierart in menschenhand als „Mahnmal“ für den Raubbau an der Natur zeugen.
Am plausibelsten scheint mir da das Argument, dass man dann zumindest einen Population in der Rückhand hat, mit der man den Wildbestand wieder aufbauen könnte, wenn (wieder) Lebensraum da ist… ein Beispiel dafür wäre ja das Przewalski, bei dem das nach wie vor versucht wird…

Zum Thema Schaffung von nährstoffarmen Störungsstandorten:
Häufig müsste man die gar nicht künstlich extra erschaffen.
Teilweise werden z. B. in ehemaligen Braunkohleabbaugebieten
Flächen brach liegen gelassen

Hmm…also ich stamme aus Leipzig, also hätte viele Braunkohletagebau in der Nähe. Eins etwas außerhalb von Leipzigs Norden ist eher „unfreiwillig“ zu einem Badesee geworden offiziell so vor 4-5 Jahren, schlicht weil das Gebiet zu groß ist, um es flächendeckend gegen unerlaubtes Baden zu schützen. Dort wurde nichts begrünt oder bepflanzt. Das ehemalige Loch ist wie gesagt nun ein See, nachdem der Grundwasserspiegel wieder stieg. Drum herum wachsen Gräser usw, aber auch Birken, Hasle und andere Primärbäume, die eine Verwaldung einleiten… ich glaube nicht, dass die Fläche im Normalfall offen bleiben würde, auch wenn es vermutlich etwas länger dauern würde mit dem Verwalden, da das Umland von Leipzig doch recht kahlgesenst ist.

Manche Leute haben sich direkt
echauffiert, wie man sowas auf einer Gartenschau machen
könnte, sähe ja furchtbar ungepflegt aus. Ich habe selten eine
so farbenfrohe, duftende und summende Fläche gesehen.

Das sind einfach die Leute, die keinen Blick fürs Detail haben :wink:

Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass die Natur auch ohne
Schutz ganz gut zurechtkommt. Das Ergebnis wird uns nur nicht
so recht gefallen. Es geht um unsere Lebensqualität und unsere
Grundlagen. Die Natur hat ja jede Menge Zeit und
Möglichkeiten. Wenn über 30.000 Jahre alles kahl ist und die
Kakerlaken herrschen, ist das der Natur herzlich wurscht. Nur
uns Menschen wird es höchstwahrscheinlich nicht so gut
gefallen.

Ja, da hast du wohl recht. Nur weil Naturschutz nicht unbedingt immer im Sinne der Natur ist, rechtfertigt es vermutlich doch nicht das Nichtstun, wenn man auch einen realistischen Blick auf die Menschheit hat.

Vielen Dank für deinen Beitrag
Aj

natürlich?
Huhu!

Sie sind aber natürlicher als etwa ein Maisfeld. Und das
Maisfeld ist immer noch natürlicher als ein asphaltierter
Parkplatz.

Da kann ich nicht ganz mitgehen. Warum sollte ein gedüngtes und gespritztes Feld, auf dem quasi ausschließlich Pflanzen wachsen, die der Mensch genau da haben will, und in dem sich nur wenige Tiere wohl fühlen können natürlicher sein als ein Parkplatz? Ich gehe fast soweit zu sagen, dass ich auf dem Parkplatz vermutlich mehr Tierarten zusammensammeln könnte als in dem Feld.
Ist etwas „natürlicher“ nur weil es „biologischer“ ist? Ist eine Wohnung, in der Zimmerpflanzen unterbracht sind natürlicher als eine ohne Pflanzen? Ich glaube nicht.

Ich finde jede Massnahme lohnend, die einen natürlicheren
Zustand erhält oder wiederherstellt, auch wenn der nicht bis
zur Bewaldung nach der letzten Eiszeit zurückführt.

Ja, und genau das ist aber der Knackpunkt der Ausgangsüberlegungen: „natürlicher Zustand“ ist estrem auslegungsfähig, und nicht jeder versteht das gleiche darunter… der gängige Naturschützer sieht darin vielleicht den Erhalt eines Ist-Zustandes…andere das freie walten von Naturgewalten, ióhne dass der Mensch regulieren eingreift.

Trotzdem auch dir vielen Dank für deine Gedanken dazu
Aj

Ich bin ein krümelklauber :wink:
Huhu!

Dein Beitrag ist der Grund, warum ich erst heute antworte. Ich musste da erstmal einen Moment drüber nachdenken :wink:

Eigentlich stört es Dich nur, dass in dem Wort Naturschutz von
„Natur“ die Rede ist, aber dass etwas geschützt wird, was gar
kein natürlicher Zustand ist.

Vielleicht hast du damit recht. Was mich daran, also an der irgendwie unzutreffenden Bezeichnung eigentlich stört ist wohl, dass er sich nicht selbst erklärt und rechtfertigt…der Begriff ist angreifbar und verschieden deutbar. Habitatschutz, als Teil des überbegriffes Naturschutz ist zum Beispiel eine ziemlich klare Sache. Den Sinn dahinter kann man sehen wie man will, aber Habitatschutz drückt ja schon aus, dass es einem darum geht, etwas zu erhalten, entgegen allen Widrigkeiten. Tierschutz ebenso. Aber Naturschutz ist einfach irreführend.
So habe ich das noch gar nicht betrachtet, danke für den interessanten Ansatz. Vermutlich hast du wirklich in Worte gefasst, was mir quer liegt…

Hängst Du Dich da nicht zu sehr
an einer Begrifflichkeit auf?

Gut möglich *g*
Wie schon im Eingangspost erwähnt, ist mir klar, dass das hier alles Gedankenspielereien sind. Ab und zu verliere ich mich ganz gern in sowas.
Aber es ist jetzt nicht so, dass ich nur über diese Widrigkeiten brütend daheim sitze und meine Ziele darüber völlig aus den Augen verliere. Ich mag solche Diskussionen, weil man dabei viel über sich lernen kann. Und gerade durch deine EIngangsfeststellung, habe ich glaube ich wieder was gelernt.

Ich glaube nicht, dass es
vorrangig darum gehen sollte, ob eine Biozönose natürlich ist
oder nicht, sondern ob sie schützenswert ist oder nicht.

Ok. Aber wer legt das fest? Wer sagt, dass diese Lebensgemeinschaft einen speziellen Schutz verdient, und jene nicht?
In der Regel haben da offensichtlich nützliche Arten (und im Anhang alle Tiere, die vom gleichen Lebensraum oder der Existenz der Art profitieren) oder „niedliche“/hübsche/interessante Arten Vorrang. Kaum einen würde es jucken, wenn Mücken aussterben würden (im doppeltzen Wortsinne :wink: )
Da aber wiederrum finde ich einen Widerspruch zu dem weiter unten genannten Schlagargument „Biodiversität als Rücklage zu unserem Schutz“. Denn in den allermeisten Fällen wissen wir noch gar nicht, wie uns Biodiversität nützen kann… darauf wird ja spekuliert, dass man zum Beispiel noch viele Arten finden kann, die für die Medizin interessant wären, oder im Bezug auf die Hungerfrage. Aber da wir quasi jedem Tier potentiell dieses Argument andichten müssten, wäre es eigenlich nötig, alles in der Natur zu schützen?

Lieben Gruß und vielen Dank
Aj

Hallo!

Ich glaube nicht, dass es
vorrangig darum gehen sollte, ob eine Biozönose natürlich ist
oder nicht, sondern ob sie schützenswert ist oder nicht.

Ok. Aber wer legt das fest? Wer sagt, dass diese
Lebensgemeinschaft einen speziellen Schutz verdient, und jene
nicht?

Hm … im Prinzip kann das jeder machen. Wenn ich der Ansicht bin, dass Streuobstwiesen erhaltenswert sind, kann ich einen Verein oder eine Bürgerinitiative zu ihrem Schutz gründen und mich dafür einsetzen, dass sie erhalten bleiben.

In der Regel haben da offensichtlich nützliche Arten (und im
Anhang alle Tiere, die vom gleichen Lebensraum oder der
Existenz der Art profitieren) oder
„niedliche“/hübsche/interessante Arten Vorrang. Kaum einen
würde es jucken, wenn Mücken aussterben würden (im doppeltzen
Wortsinne :wink: )

Ja, das ist ein großes Problem. Nehmen wir mal als Beispiel Schlangen. Ich glaube, dass jede Schlangenart in Deutschland eine Rote-Liste-Art ist. Aber wer findet Schlangen schon „süß“? Noch dazu geistern Märchen von der angeblichen Gefährlichkeit dieser Tiere herum (Wann ist zuletzt ein Mensch am Biss einer Kreuzotter gestorben?). Schlangen haben keine Lobby. Was wird denn getan um Schlangen zu schützen? Vergleich das mal mit den Seehundaufzuchtstationen an der Nordseeküste. Da wird definitiv mit zweierlei Maß gemessen.

Da aber wiederrum finde ich einen Widerspruch zu dem weiter
unten genannten Schlagargument „Biodiversität als Rücklage zu
unserem Schutz“. Denn in den allermeisten Fällen wissen wir
noch gar nicht, wie uns Biodiversität nützen kann…

Meiner persönlichen Meinung nach sollte man endliche aufhören, Naturschutzmaßnahmen mit einem wie auch immer gearteten Nutzen für den Menschen zu begründen. Im Umkehrschluss heißt das nämlich, dass alles was keinen direkten Nutzen bringt, auch nicht geschützt werden muss. Ich finde, im Zentrum des Naturschutzgedankens sollte die Idee von der „Bewahrung der Schöpfung“ stehen. Je nachdem, ob man gläubiger Christ ist oder nicht, darf man das Wort „Schöpfung“ wörtlich oder im übertragenen Sinne verstehen. Jedenfalls hat unsere „Um-Welt“ einen Wert, den man gegen nichts eintauschen kann. Was der Mensch zerstört, geht unwiderbringlich verloren und gleicht unsere Erde den Millionen Himmelskörpern an, die nie Leben entwickelt haben.

Michael

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