Naturwissenschaft, Esoterik, Toleranz

Hallo!

Du sagst: „2 + 2 ist 4. Da ist es auch egal, wie viele
alternative Meinungen es dazu gibt.“

Die Welt lebt von den vielen alternativen Meinungen, nicht von
den (ohnehin nicht im Gesamtzusammenhang erfassbaren)
sogenannten Tatsachen.

Jaja, ich weiß. Indem wir solche Dinge behaupten, kommen wir uns unglaublich mordern und gebildet vor. Das wirkt doch viel pluralistischer, demokratischer und „ganzheitlicher“ (was auch immer das bedeuten mag), als das althergebrachte und absolutistische „2 + 2 = 4“.

Aber ergibt das überhaupt irgendeinen Sinn? Du setzt an Stelle der Logik die Beliebigkeit - und ich halte das nicht für einen Fortschritt.

Eine erwiesene Tatsache braucht nicht die alleinige Wahrheit
zu sein. Es ist - als Beispiel - vielleicht bloss noch nicht
bekannt, dass (je nach Blickwinkel) 2+2 nicht immer 4 ergibt.

Ich wusste, dass früher oder später jemand diesen Einwand bringen würde. Wäre es nicht besser gewesen, sich mit der Kernaussage auseinander zu setzen, als das Beispiel zu zerreden?

Und übrigens:

∀ x∈R: x≠4 ⇔ ¬(2 + 2 = x)

oder auch:

{x∈R | x=2+2} ∩ {y∈R | y≠4} = ∅

Zufrieden?

Michael

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Lieber Michael Bauer

So Eindeutiges ist mir halt zu langweilig. Mich fasziniert alles, was weder bewiesen noch widerlegt werden kann, das lässt ungeahnte Möglichkeiten offen.

Übrigens: woher kennst Du mich? Deine Beispiele sind doch genau die, mit denen ich in der Schule schon immer Mühe hatte! :wink:

Also: ärgere Dich nicht über mich und diskutiere mit Dir Ebenbürtigen weiter.

Gruss: Maggie
(diejenige mit einer etwas anderen Weltsicht)

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Moin

So Eindeutiges ist mir halt zu langweilig. Mich fasziniert
alles, was weder bewiesen noch widerlegt werden kann, das
lässt ungeahnte Möglichkeiten offen.

nö, das läßt alles zu oder eben nichts.

Übrigens haben die Naturwissenschaften nun so gar nichts mit irgendwie gearteten Wahrheiten zu tun.
Sie sind nun mal empirisch und nicht axiomatisch.
Das von Dir gebrachte Beispiel ist ein Axiom aus der Mathematik, die wegen ihrer Axiomatik nicht zu den Naturwisenschaften zählt.

Gandalf

Hallo,

was macht es aber denn für einen Sinn, wenn z.B. kein Unterschied zwischen „Verstehen“ und „Erklären“ von den (teils selbsterannten) NW gemacht wird?

Gruß, iceage

Hi,

wie willst du denn klassische Philosophen, wie z. B. Sokrates, Kant, Hegel, Nietzsche oder Putnam, um nur willkürlich fünf Namen von zahlreichen anderen großen Denkern zu nennen, nach deiner Weltanschauung kategorisieren?

Sind das Esoteriker??

WAS???

C.

Hallo Gandalf!

Das 2+2=4 stammt von mir. Es sollte keineswegs die Arbeit der Naturwissenschaften veranschaulichen, sondern zeigen, dass es Bereiche gibt, in denen es nicht um persönliche Meinungen geht, sondern um „richtig“ oder „falsch“.

In der Mathematik gibt es ausschließlich solche Aussagen. Aber auch die Frage, um die es hier geht: nämlich ob die Naturwissenschaft der einzige Zugang zu Erkenntnissen über die physische Welt ist, kann nur mit „Ja.“ oder „Nein.“ beantwortet werden. Jeder, der sich in dieser Frage irgendwelche Hintertürchen offen halten will, hat sich schon für „Nein.“ entschieden. Allerdings widerspricht ein „Nein“ den Grundsätzen der Naturwissenschaft (wie ich versucht habe, in meinen anderen Beiträgen zu zeigen).

Was mir erst jetzt dazu in den Sinn kommt: Daraus folgt zwangsläufig, dass jeder, der die Naturwissenschaft als einen möglichen Zugang zur physischen Natur akzeptiert, gleichzeitig akzeptieren muss, dass es der einzige Zugang ist.

Wie aus meinen bisherigen Beiträgen klar geworden sein sollte, habe ich in dieser Frage eh keinen Zweifel. Ich fragte mich nur, warum so viele Menschen die Absolutheit der Aussage „2+2=4“ akzeptieren, aber gleichzeitig nicht einsehen, dass ausschließlich die Naturwissenschaften uns etwas über die physische Welt sagen können. Und ich rede hier nicht von Menschen, denen es an der dafür erforderlichen Allgemeinbildung fehlt.

Michael

Hallo!

Dazu kenne ich die genannten Philosophen nicht genau genug. Mindestens Sokrates würde man aber Unrecht tun, wenn man ihn in eine der beiden Kategorien stecken würde, da ich den Beginn der Naturwissenschaft (was wir heute darunter verstehen) mit Galileo Galilei (ca. 1600) ansetzen würde.

Michael

Hi,

…den Beginn
der Naturwissenschaft (was wir heute darunter verstehen) mit
Galileo Galilei (ca. 1600) ansetzen würde.

Es gab eine materialistische bzw. metaphysische Naturphilosophie schon vor Sokrates, durch Thales, Pythagoras, Anaxagoras. Natürlich hast du recht, die Naturwissenschaft mit Galilei, Descartes, Newton, Locke zu begründen.

Die Frage ist, ob die Physik eine „absolute Weltanschauung“, wie der englische lebende Philosoph Bernard Williams meint, ist oder ob die „kritische Theorie“ der Frankfurter Schule bzw. der amerikanische „Pragmatismus“ oder andere philosophische Theorien diese Absolutheit übersteigen.

Angesichts der globalen Mediengesellschaft und weltweit zunehmenden Demokratisierung gewinnt „Die Theorie des kommunikativen Handelns“ zum Beispiel von Jürgen Habermas an Bedeutung, weil die Naturwissenschaft, wie der amerikanische Sprachphilosoph Hilary Putnam sagt, die sozialen Zusammenhänge mit ihren „Sprachspielen“ nicht ausschließlich erklären kann.

C.

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Hallo,

Aber
auch die Frage, um die es hier geht: nämlich ob die
Naturwissenschaft der einzige Zugang zu Erkenntnissen über die
physische Welt ist, kann nur mit „Ja.“ oder „Nein.“
beantwortet werden.

Ja, da gebe ich Dir Recht; wenn man etwas über die physikalische Welt wissen möchte, kann man sie mit naturwissenschaftlichen Mitteln erforschen… und wenn man etwas über die geistige Welt wissen möchte, kann man sie geisteswissenschaftlich erforschen.

Nun kann man beides versuchen, komplett auseinander zu halten; aber ob das der Weiheit letzter Schluss sein sollte?

Jeder, der sich in dieser Frage
irgendwelche Hintertürchen offen halten will, hat sich schon
für „Nein.“ entschieden. Allerdings widerspricht ein „Nein“
den Grundsätzen der Naturwissenschaft (wie ich versucht habe,
in meinen anderen Beiträgen zu zeigen).

Ja, da könntest Du auch Recht haben… manche stellen sich ja sogar als NW vor, scheinen aus der Position zu argumentieren, kommen jedoch tatsächlich aus einer religiös motivierten Ecke, die alles, was mit „Esoterik“ zu schaffen hat, ablehnt… da geht dann komplett was durcheinander, meine ich.

Was mir erst jetzt dazu in den Sinn kommt: Daraus folgt
zwangsläufig, dass jeder, der die Naturwissenschaft als einen
möglichen Zugang zur physischen Natur akzeptiert, gleichzeitig
akzeptieren muss, dass es der einzige Zugang ist.

Es kann aber doch sein, dass ein Biologe etwa vormittags Wale und Krokodile zählt und am Abend betet, weil er eben glaubt, dass es noch was gibt, außer die physikalische Welt?
Du meinst, dass er entweder nur beten oder nur zählen sollte?

Wenn man als „NW“ (wer ist das hier eigentlich tatsächlich?) kritisiert, dass andere noch andere Welten wahrnehmen… bitte, ist O.K. Jedoch sind erstens - bis auf ein paar Ausnahmen - die meisten gar keine NW, zweitens sind sie gläubig und verteufeln daher das „Esoterische“ und drittens haben einige auch ganz andere Gründe, dazwischen zu funken, die aber eher in das Psychologiebrett gehören würden… das ist meine Meinung zu dem, wie hier „diskutiert“ wird.

Also, da frage ich mich echt: Circa 89% Geschwätz, verdeckter Aberglaube, engstirnige Einstellung und egozentrisches Genudel???

Grüße, iceage

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Wie denkt Ihr darüber?
Warum ist die Naturwissenschaft immer noch in Erklärungsnot?
Warum ist es nicht jedem offensichtlich, dass es zu der
Naturwissenschaft keine Alternative gibt, und dass diese
Aussage nicht intolerant oder fundamentalistisch sondern nur
logisch ist? Müsste es nicht längst jedem klar geworden sein,
dass alles nicht-wissenschaftliche schlicht und einfach
falsch ist?

Für die meisten Menschen ist es bedeutungslos ob eine etwas falsch oder richtig ist. Die Erklärungsnot der Naturwissenschaften ist nicht der Mangel an Erklärungen sondern der Mangel an Interesse.
Die Mehrzahl der Horoskopgläubigen hat zum Beispiel keinerlei Theorie darüber, auf welche Weise Sternzeichen auf Menschen einwirken könnten. Die überwältigende Mehrzahl dieser Anhänger hat sehr wahrscheinlich nicht einmal einfachste Grundkenntnisse von Astronomie oder Physik.
Für die meisten Menschen ist nur „nützlich“ und „nicht-nützlich“ von Interesse.
Die Naturwissenschaften haben zu vielen Fragen und Bedürfnissen keine nützlichen Antworten und werden sie wohl auch nie haben. Bei Horoskoplesern wäre das zum Beispiel: „Was wird in den nächsten Tagen passieren und wie soll ich mich dann verhalten?“

Schöne Grüße

Hallo!

Danke für die Antwort.

Darüber hinaus geht es mir aber vor allem um die Menschen, die aufgrund ihrer Bildung durchaus erkennen könnten, dass es keine Alternative zur Naturwissenschaft gibt.

Um es mal an ein paar Beispielen festzumachen:

  1. Es ist eine erkenntnistheoretische Binsenweisheit, dass eine naturwissenschaftliche Theorie nie bewiesen werden kann (höchsten bestätigt oder widerlegt). Daraus konstruieren dann wissenschaftskritische Menschen die Vorstellung, dass unser gegenwärtiges Weltbild irgendwann einmal durch ein völlig anderes ersetzt werden könnte und es darin Dinge geben könnte, die heute ausgeschlossen sind. Tatsächlich ist oben genannte Binsenweisheit aber so zu verstehen, dass wir im Moment nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit kennen. Indem wir unser Wissen erweitern, vergrößern wir diesen Ausschnitt, aber innerhalb des Ausschnitts ändert sich nichts. (Bsp.: Die Newtonsche Mechanik wurde nicht durch die Quantenmechanik ersetzt, sondern ist ein Teil von ihr).

  2. Heisenberg zeigte, dass es bei bestimmten Paaren von Größen (Ort/Impuls, Energie/Zeit, …) unmöglich ist, beide Größen zugleich mit beliebiger Genauigkeit zu bestimmen. Gödel zeigte, dass jedes formale System entweder widerspruchsvoll oder unvollständig ist. Einstein zeigte, dass Begriffe die man bisher für absolut hielt (Raum, Zeit, …) vom Zustand des Betrachters abhängen. Bohr, Schrödinger u. a. zeigten, dass man in der Quantenphysik für bestimmte Ereignisse nur Wahrscheinlichkeiten angeben kann. All das hat dazu geführt, dass wissenschaftskritische Menschen glaubten, an die Stelle des Determinismus sei eine Ungewissheit getreten, die Raum für esoterische Gespenster ließe. Tatsächlich haben diese Erkenntnisse aber unser Wissen von der Welt um vieles präziser werden lassen.

  3. Die meisten Wissenschaftler geben unumwunden zu, dass ihre Theorien keinerlei Aussagen über das „Warum“ machen. Manche geben dem Warum auch einen Namen und sagen, dass die Naturwissenschaft nichts über Gott aussagen. Damit meinen sie, dass diese Dinge außerhalb der physischen Welt liegen. Wissenschaftskritische Menschen missinterpretieren diese Aussage und glauben, dass es innerhalb der physischen Welt einen blinden Fleck der Naturwissenschaft gibt.

Aus all diesen zwar falschen aber intellektuellen Argumenten entsteht dann ein Weltbild, das durchaus Raum für Esoterik lässt. (Esoterik nenne ich hier zusammenfassend alles, was außerhalb der Naturwissenschaft steht, aber eine Wirkung auf die physische Welt für sich in Anspruch nimmt). Viele blicken auf die Naturwissenschaftler sogar arrogant herab: „Die Jungs sehen nur ihre Gleichungen und haben keinen Blick für das große Gesamtbild. Dabei ist diese engstirnige, mechanistische, deterministische Weltsicht schon lange überholt. Blablabla…“ Dabei übersehen sie, dass sich in ihr eigenes Weltbild die gleichen Gespenster durchs Hintertürchen eingeschlichen haben, die es vor der Auftklärung auch schon gab.

Michael

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Hallo Michael,

wahrscheinlich willst du deine Anfrage als abgeschlossen sehen. Ich will aber noch etwas ergänzen, was mir beim Lesen deines Kommentares eingefallen ist:

Es ist vermutlich ein tiefgreifender aber sehr verbreiteter Fehler und Irrweg, die Wissenschaften mit den Wissenschaftlern gleich zu setzen. Copernicus und Kepler, überhaupt alle Astronomen der Renaissance, waren gläubige Astrologen. Dieses muss man allerdings historisch relativieren - Wissenschaft und Aufklärung war ja erst im frühen Beginn. Jedoch gibt auch von Albert Einstein einige seltsame Zitate, von denen ich nicht weiss, ob sie bloss zu stark aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Eine enge Angehörige von ihm bezeugt, dass er immer ein Exemplar von Helena Blavatskys „Isis entschleiert“ auf seinem Schreibtisch hatte. Der geniale, äußerst produktive Biologe Alfred Russel Wallace, der „Ko-Entdecker“ der Evolution, soll Spiritist gewesen sein.
Lies einmal die quasi-esoterischen Schriften von Professor Hans-Peter Dürr der Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik und des Werner-Heisenberg-Instituts für Physik war. Die sind derartig hohl, dass ich meinen Augen kaum trauen konnte.


Aus all diesen zwar falschen aber intellektuellen Argumenten
entsteht dann ein Weltbild, das durchaus Raum für Esoterik
lässt.

Ich finde, dass hier der Begriff „intellektuell“ genau falsch ist, gemeint ist wohl eher „sprachlich-logische Argumente“. Intellektuelle entwerfen eben keine wilden Hypothesen und klammern sich nicht mittels Spitzfindigkeiten an überholte Weltdeutungen.

Tschau, turmfalke