Nazi-Direktor Folkwang-Museum Essen

Hallo zusammen,

weiß hier jemand, was nach dem Krieg aus diesem unsäglichen Klaus Graf Baudissin (* 1891 Metz - 1961) geworden ist, der im Dritten Reich sämtliche modernen Kunst-Bestände des Essener Folkwang-Museums ins Ausland verscherbeln bzw. Teile davon in der Münchener Ausstellung 1937 als „entartete Kunst“ präsentieren ließ.

Ist der näher verwandt mit dem Bundeswehrgeneral und Friedensforscher Wolf Graf Baudissin (* 1907 Trier - 1993 Hamburg)?

Bei Google finde ich nichts Genaueres.

Burkhard

Hallo Burkhard,

Klaus Graf von Baudissin, der in der SS war, kam Ende 1948 aus der Kriegsgefangenschaft (bis 1947 in sowjet. Gefangenschaft, danach Internierungslager Neuengamme). Er begann sofort seine früheren Taten und Handlungen zu rechtfertigen und in dem Sinne zu erklären, dass er ehrenhaft handelte und nur ungerecht behandelt wurde - ungerecht behandelt sowohl im 3. Reich, als auch nach 1945.

Man kann grob sagen, dass die Aufgabe der Rechtfertigung sein übriges Leben bis zu seinem Tod bestimmte: „He devoted his remaining years to rehabilitating his reputation […]“ (Petropoulos 2000: 59).

In diesem Kontext prozessierte er am 20.Juli 1949 gegen die Stadt Essen, die ihn - wie er meinte - unrechtmäßig seines Postens am Museum Folkwang enthoben habe. Wie bekannt verlor er und Dr. Heinz Köhn (Graf v. Baudissins früherer Mitarbeiter) blieb Museumsleiter bis 1962. Er führte noch weitere Prozesse von denen er manche auch gewann – was einer Rehabilitierung seines Rufes aber nicht half.

Einen weiteren Teil seines restlichen Lebens setzte sich Graf v. Baudissin mit einsetzenden Kritiken auseinander. So v.a. mit Paul Ortwin Rave (1893-1962), ein früherer Kurator an der Berliner Nationalgalerie, der in seinem Buch „Kunstdiktatur im Dritten Reich“ (1949) sehr negativ über Baudissin und dessen Fähigkeiten sprach. Baudissin wollte sowohl gegen Autor als auch gegen Verleger prozessieren, jedoch einigte man sich, dass spätere Auflagen die Änderungen und Anmerkungen von Baudissin enthalten sollten. – Es kam zwar zu neuen Auflagen, aber ohne Änderungen.

Jonathan Petropoulos fasst den Lebensabend von Klaus Graf von Baudissin wie folgt zusammen:
„He lived out his life a frustrated man—still writing exculpatory notes to Paul Rave, who detested him and responded reluctantly— and died unrepentant in 1961 at the age of seventy“ (2000: 60).

Ich hoffe, dass dies weitergeholfen hat.

Viele Grüße,
Georg.

Literatur hierzu:
Petropoulos, Jonathan (2000): The Faustian Bargain; University of Oxford Press; Oxford (hier v.a.: S. 57-60) (hier auch weitere Lit.verweise)

Wow
Hallo Georg,

das nenne ich eine kompetente Antwort. Herzlichen Dank dafür.

Der einzige Aspekt, er noch unbantwortet blieb - und vermutlich in dem zitierten Buch auch nicht thematisiert wurde - ist das Verwandtschaftsverhältnis zu anderen Mitgliedern des Baudissin-Stamms, speziell zu Wolf Graf Baudissin.

Schöne Grüße aus dem heißen Ruhrgebiet!

Burkhard

  • ist das Verwandtschaftsverhältnis zu anderen Mitgliedern des
    Baudissin-Stamms, speziell zu Wolf Graf Baudissin.

eher weitläufig - B. ist ein sehr verzweigter Stamm http://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_Graf_von_Baudissin

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