Nein, diese Iren

Liebe Kollegen

Ein paar theoretische Fragen.

Was wäre wenn Irland in dem Referendum gegen den Vertrag von Lissabon stimmt?
Wird die EU (mal wieder) in eine Krise stürzen und noch mal was ändern?
Wird die irische Regierung ihn trotzdem annehmen?

schon ganz aufgeregt:

lukas

Was wäre wenn Irland in dem Referendum gegen den Vertrag von
Lissabon stimmt?

Dann würde der Vertrag nicht in Kraft treten können, da er dazu in allen 27 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden muss.

Wird die EU (mal wieder) in eine Krise stürzen und noch mal
was ändern?

Möglicherweise. Oder sie probieren es einfach später noch mal. In Irland war dies mit dem Vertrag von Nizza so, der erst abgelehnt und ein Jahr später angenommen wurde.

Wird die irische Regierung ihn trotzdem annehmen?

Das würde sie wohl gerne. Es sind auch (fast) alle Parteien im Parlament dafür. Aber in diesem Fall entscheidet mal das Volk per Referendum.

schon ganz aufgeregt:

Nur keine Panik :wink:)

Hallo

Möglicherweise. Oder sie probieren es einfach später noch mal.
In Irland war dies mit dem Vertrag von Nizza so, der erst
abgelehnt und ein Jahr später angenommen wurde.

Wird die irische Regierung ihn trotzdem annehmen?

Das würde sie wohl gerne. Es sind auch (fast) alle Parteien im
Parlament dafür. Aber in diesem Fall entscheidet mal das Volk
per Referendum.

schon ganz aufgeregt:

Nur keine Panik :wink:)

was haben die davon Profitierenden denn an Lerckerlies für den Pöbel ausgelegt???

Der Kater

was haben die davon Profitierenden denn an Lerckerlies für den
Pöbel ausgelegt???

Naja, der ein oder andere irische Interessenverband hat natürlich gemerkt, dass so ein Referendum ein tolles Druckmittel gegenüber der Regierung ist um Vorteile für die eigene Klientel herauszuholen. Der irische Bauernverband hat beispielsweise letzte Woche seine Mitglieder dazu aufgerufen mit ‚ja‘ zu stimmen, da die irische Regierung im Gegenzug versprochen hat sämtliche Reformen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitk, insbesondere eine Öffnung für Lebensmittelimporte, im Ministerrat zu blockieren.

Das ist ja auch das grundlegende Übel von Referenden über EU-Verträge, dass der Inhalt der Verträge keine große Rolle bei der Meinungsbildung spielt. Entweder sind es innenpolitische Faktoren oder allgemeine Einstellungen gegenüber der EU und dem europäischen Integrationsprojekt, die bei Referenden eine Rolle spielen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da 95% des Vertrages von Lissabon technische / institutionelle Details sind und eben keine politischen Richtungsentscheidungen.

Servus Lukas, Griaß Eing

4 Millionen Iren entscheidet über Europa – wen interessierts?
Außer vielleicht 4 Leuten hier.
So kommt es mir zumindest vor. Die EU-Politiker sitzen wohl gespannt da und warten auf Nachrichten. Die Bevölkerung interessiert es nur wenig, so scheint es. In Österreich gibt es eine große Tageszeitung die gegen den Vertrag schreibt. Die anderen ‚vernünftigen’ haben das Thema nur sehr zögerlich aufgenommen.
Für unsere vernünftigen Politiker (jaja die gibt’s) ist es kaum Thema. Für Journalisten, außer Paul Landvai auch nicht wirklich. Es gibt kaum Diskussion darüber. Wie ist das bei Euch, vor allem in Deutschland?

Bevor man mich wieder geißelt: Ich hab mich durchgequält, und mich so gut über das Internet informiert wie es geht, was nicht immer leicht war. Ich bin nicht wirklich gut darin, mir sind Informationen in der Zeitung lieber, bevorzuge ich doch das Kaffeehaus. Und, ich brauche die Diskussion. Für mich überwiegen die Vorteile. Natürlich brauchen wir eine funktionierende EU.

Aber was passiert denn, wenn der Vertrag nicht zustande kommt? Wenn die Iren nein sagen? Ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten? Ein Europa wo die einen politische Nähe suchen und die anderen ‚nur’ eine reine Wirtschaftsgemeinschaft? Müssen wir alle Gewinner sein, oder darf es auch Verlierer geben?

Aber, wenn es Gegner des Vertrages gibt, worin liegen die Gründe? Vielleicht nicht am Vertrag. Vielleicht hat man die Bürger vergessen. Die hat man nicht mitgenommen. Vielleicht wollen die ja sogar mehr Europa? Ein ‚menschliches’ Europa, in dem man nicht nur die Bürokratie spürt? Zweifellos hat die große Gemeinschaft Vorteile für Arbeitsplätze, zumindest oder vor allem in Irland und auch Österreich, aber sehen das die Bürger? Geht es ihnen besser? Und hier liegt vielleicht das Problem. Die Bürger fühlen sich alleingelassen, mit den hohen Lebensmittel- und Treibstoffpreisen. Aber kann da die EU wirklich was machen? Hätte sie mehr tun können?

Auf jeden Fall fehlt die Diskussion. Nicht unter den Experten, sondern unter den Politdilettanten wie mir (und vielen von uns die sich für Experten halten) Vielleicht gelingt es ja hier?

Für ein bürgernahes Europa
Euer Herbie

Hallo Herbert,

ich werde wohl nbicht auf alles eine Antwort formulieren können, möchte aber doch mal meine Meinung kund tun:

Aber was passiert denn, wenn der Vertrag nicht zustande kommt?
Wenn die Iren nein sagen?

Es wird in weiteren Runden abgestimmt, bis das „gewünschte“ Resultat vorliegt oder die Sache wird irgendwie juristisch geregelt. Die Iren müssen sich nur mal ein Beispiel nehmen am deutschen Umgang mit der Verfassung (und das ist NICHT ironisch gemeint).

Ein Europa der verschiedenen
Geschwindigkeiten? Ein Europa wo die einen politische Nähe
suchen und die anderen ‚nur’ eine reine
Wirtschaftsgemeinschaft? Müssen wir alle Gewinner sein, oder
darf es auch Verlierer geben?

Aber, wenn es Gegner des Vertrages gibt, worin liegen die
Gründe? Vielleicht nicht am Vertrag.

Kaum jemand wird diesen Wälzer von Vertrag gelesen haben. Insofern liegt es wohl nicht primär daran. Aber einige Sachen sind doch bereits durchgesickert, zusammengefasst von fleißigen Wissenschaftlern. Eine andere Frage ist tatsächlich, ob das dann jemanden interessiert.

Vielleicht hat man die
Bürger vergessen. Die hat man nicht mitgenommen. Vielleicht
wollen die ja sogar mehr Europa? Ein ‚menschliches’ Europa, in
dem man nicht nur die Bürokratie spürt?

Aber gerade das wird mit dem Vertrag nicht geschaffen.

Zweifellos hat die
große Gemeinschaft Vorteile für Arbeitsplätze, zumindest oder
vor allem in Irland und auch Österreich, aber sehen das die
Bürger? Geht es ihnen besser? Und hier liegt vielleicht das
Problem. Die Bürger fühlen sich alleingelassen, mit den hohen
Lebensmittel- und Treibstoffpreisen. Aber kann da die EU
wirklich was machen? Hätte sie mehr tun können?

Auf jeden Fall fehlt die Diskussion. Nicht unter den Experten,
sondern unter den Politdilettanten wie mir (und vielen von uns
die sich für Experten halten) Vielleicht gelingt es ja hier?

Für ein bürgernahes Europa
Euer Herbie

Eine EU-Reform ist an sich durchaus nötig, nur leider wird versäumt, mal Tacheles zu reden und zu sagen, warum das eigentlich so ist. Vordringlichstes Problem ist, dass in der erweiterten Union die Entscheidungsfindung zunehmend schwieriger wird, aufgrund der vielen beteiligten Staaten. Baldwin/Widgren haben das Problem in der Studie „Council voting in the Constitutional Treaty: Devil in the details“ beschrieben: sie haben die Wahrscheinlichkeit berechnet, mit der ein beliebiger Punkt bei einer Ministerrats-Entscheidung angenommen wird (=Entscheidungseffizienz). In einer EU6 der Gründungsstaaten lag die Entscheidungseffizienz bei 21,9%, EU9 bereits bei 14,7%, EU15 bei nur noch 7,8%.
Ab hier begann man sich Gedanken um eine Reform der Stimmenverteilung zu machen, um der absehbaren Blockade zu begegnen. Es gibt drei konkurrierende Entwürfe betreffend diesen Punkt: die „alte Ordnung“, der die oben genannten Zahlen entsprechen, dann die „Nizza-Regeln“ und schließlich die Bestimmungen des Vertrags, um den es aktuell geht.
In einer EU27 liegt die Entscheidungseffizienz nach alter Regelung bei 2,8%, nach Nizza bei 3,6%, nach dem Vertrag bei: 10,1%.

Das ist der Kern des Reformprogrammes.

Damit geht allerdings eine andere äußerst wichtige Frage einher, nämlich danach, wie die Machtverteilung zwischen kleinen und großen Staaten aussieht. Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wenn es um die kleinen und mittleren Staaten geht. Alle Staaten bis auf BRD, F, GB und I stehen im Ministerrat nach den Vertragsregeln SCHLECHTER da.
Allerdings stößt man dann sehr bald auf die „Kerneuropa“-Debatte. Ich will kurz diesen Gedanken erläutern, so wie ich ihn verstehe:
BRD und Frankreich werden das größte Gewicht in der EU nach Vertragsregeln haben. Offensichtlich ist geplant, Europa wirtschaftlich derart zu gestalten, dass ein Zentrum in F und BRD entsteht, in dem Hochtechnologie Platz findet, während in einem ersten Ring drumherum (der selbstverständlich leicht nach Westen ausgebeult sein wird) die nächst niedrigere Stufe der Industrie angesiedelt wird, was niedrigere Löhne, Sozialstandards und dergleichen bedeutet. Daran schließt sich ein nächster Ring an, in dem Massenwarenproduktion und arbeitsintensive Industrien bei Niedriglohnpolitik angesiedelt sein sollen.

Soviel zu Kerneuropa und der Entscheidungseffizienz des Ministerrats.

Eine weitere bedeutende Frage ist die vertraglich vorgeschriebene Militarisierung der EU (zumindest diesen Teil des Vertrags sollte jeder Mal gelesen haben).

Naja, und schlussendlich liegt dem Vertrag ein neoliberales Wirtschaftsmodell zugrunde. Da wird zwar mit Sachzwängen und Globalisierung argumentiert, aber ich denke, viele Menschen wünschen sich doch einen alternativen Entwurf, der nicht so ultimativ kapitalistisch und undemokratisch wäre.

Well, mehr fällt mir jetzt dazu nicht ein, ich will auch nicht großartig abschweifen, aber das sind, denke ich die Knackpunkte. Was meint ihr?

LG
Gambit

Hallo Herbert

Mal unter uns Dilettanten:
Ich lese nicht oft Zeitung, eigentlich viel zu wenig.
Tatsache ist, dass sich die anderen Medien in Deutschland (Sprich:
Fernsehen, Radio, Zeitschriften) kaum mit diesem Vertrag befassen. Das Interesse ist kaum vorhanden. Ich selbst habe von dem Vertrag in der Schule erfahren, und da auch die einzigen ausführlichen Infos bekommen, soll heißen: 45 Minuten halbherzige Diskussion und zwei DIN A 4-Seiten vom auswärtigen Amt, das die wichtigsten Punkte zusammenfasst. (Den Vertrag selber kann man sich auf der Website der EU downloaden.) Außerdem ein kurzer Monolog unseres Kursleiters.
Das allgemeine Interesse an diesem Vertrag scheint mir in Österreich höher zu sein (siehe youtube).

Der Hauptgrund, warum ich den Vertrag ablehne, ist die Tatsache, dass er im Grunde als „EU-Verfassung light“ (ARD (!)) bezeichnet werden kann. Und die wurde von Frankreich und Holland abgelehnt.

Also wurden die störendsten Artikel geändert (keine Flagge, keine Hymne, der EU-Außenministerposten wird abgeschafft, statt dessen gibt es den des Hohen Repräsentanten für GASP (oder so ähnlich), früher Hoher Vertreter für GASP) und dem Machwerk der Name Vertrag von Lissabon gegeben.

Außerdem mißbillige ich das Demokratiedefizit.
Ein Beispiel: Der Bürger wählt den Bundestagsabgeordneten, dieser den Kanzler, dieser wählt seine Minister (nicht zwangsläufig MdB), von denen er einen in den Ministerrat schickt. Und DER wählt dann den Hohen Repräsentanten für GASP.

Das wärs

liebe Grüße

Lukas

Ach ja, noch was:

Hab neulich gelesen, dass einige Politiker in Irland scho jetzt eine zweite, „taktische“, Volksabstimmung in Betracht ziehen.

so.

Hallo Gambit

Kannst du das

Es wird in weiteren Runden abgestimmt, bis das „gewünschte“ Resultat vorliegt oder die Sache wird irgendwie juristisch geregelt. Die Iren müssen sich nur mal ein Beispiel nehmen am deutschen Umgang mit der Verfassung (und das ist NICHT ironisch gemeint).

genauer Erklären?

danke im Vorraus

Lukas

Ich meine, dass die BRD-Verfassung, das GG, in den zurückliegenden Jahren mehrmals missachtet wurde. Manchmal, aber leider nicht immer, werden die Politiker, die an Verfassungsbruch, -abbau oder -änderung beteiligt sind, vom Bundesverfassungsgericht (BVfG) zurecht gewiesen.
Andererseits sind gerade die Entscheidungen des BVfG die interessantesten, die nur knapp entschieden werden, will sagen: auch die Entscheidungen des BVfG als höchstem Verfassungshüter sind manchmal in der (Experten-)Debatte umstritten, aber ich würde mir da jetzt keine Wertung anmaßen, weil ich kein Experte bin. Das muss man dann bei aktuellen Entscheidungen der Presse und den Urteilen (Minderheitenmeinung oder wie das heißt) entnehmen.

Da wären bspw. der unmissverständliche Art. 26 GG, der Angriffskriege verbietet; die erklärte Absicht von Innen- und Verteidigungsminister, Flugzeuge mit Unschuldigen an Bord abschießen zu lassen (entgegen dem eindeutigen Verbot durch das BVfG); die Entscheidung des BVfG zu AWACS-Flügen während des Irakkriegs; Debatte um die Ausspähung privater Telekommunikationsdaten und um die Verwanzung von Privaträumen, noch kritischer: Schnüffeln bei Ärzten und Anwälten; Einsatz der Bundeswehr im Innern auch wenn keine Not herrscht (G8-Gipfel); last, not least der Umbau der Bundeswehr zu einer Angriffsarmee.

Das ist jetzt eine sehr bunte und trotzdem unvollständige Sammlung, aber ich hoffe, ich konnte diesen Punkt damit besser erläutern.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Kleines Update: Wie es aussieht, liegt die „NEIN!“-Fraktion in Irland vorne.

http://www.afp.com/deutsch/news/stories/newsmlmmd.71…

Hier ist ein interessanter und nicht zu langer Artikel aus der FTD über die Implikationen eines negativen Ausgangs der Abstimmung (Titel: „Brown will Irlands Votum ignorieren“): http://www.ftd.de/politik/internation

Wunderbar erklärt.
Das wärs auch schon.

Servus Lukas,

Hallo Herbert

Mal unter uns Dilettanten:
Ich lese nicht oft Zeitung, eigentlich viel zu wenig.
Tatsache ist, dass sich die anderen Medien in Deutschland
(Sprich:
Fernsehen, Radio, Zeitschriften) kaum mit diesem Vertrag
befassen. Das Interesse ist kaum vorhanden. Ich selbst habe
von dem Vertrag in der Schule erfahren, und da auch die
einzigen ausführlichen Infos bekommen, soll heißen: 45 Minuten
halbherzige Diskussion und zwei DIN A 4-Seiten vom auswärtigen
Amt, das die wichtigsten Punkte zusammenfasst. (Den Vertrag
selber kann man sich auf der Website der EU downloaden.)
Außerdem ein kurzer Monolog unseres Kursleiters.
Das allgemeine Interesse an diesem Vertrag scheint mir in
Österreich höher zu sein (siehe youtube).

Das ist ja kaum zu glauben. Ich dachte schon wir wären die größten Vertragsmuffel (vielleicht hinter den Briten)
Mit youtube, meinst Du die Demonstration am Stock-im-Eisen-Platz? Naja, schaut spektakulär aus, aber besonders viele Leute waren nicht da.

Der Hauptgrund, warum ich den Vertrag ablehne, ist die
Tatsache, dass er im Grunde als „EU-Verfassung light“ (ARD
(!)) bezeichnet werden kann. Und die wurde von Frankreich und
Holland abgelehnt.

Ok, ist ein Grund. Ist nicht die feine demokratische Art so oft abstimmen zu lassen bis die Gegner müde sind und nur mehr die Befürworter hingehen.

Also wurden die störendsten Artikel geändert (keine Flagge,
keine Hymne,

ist das wirklich was die Bürger stört?

der EU-Außenministerposten wird abgeschafft,
statt dessen gibt es den des Hohen Repräsentanten für GASP
(oder so ähnlich), früher Hoher Vertreter für GASP) und dem
Machwerk der Name Vertrag von Lissabon gegeben.

Außerdem mißbillige ich das Demokratiedefizit.
Ein Beispiel: Der Bürger wählt den Bundestagsabgeordneten,
dieser den Kanzler, dieser wählt seine Minister (nicht
zwangsläufig MdB), von denen er einen in den Ministerrat
schickt. Und DER wählt dann den Hohen Repräsentanten für GASP.

Ok, was mich z. B. gestört hat war die paketweise Abfertigung der Gesetzte im Parlament. Ein (absichtilich?/unabsichtlich?) ehrlicher Abgeordneter hat dann gemeint: Keiner weiß was da wirklich abgestimmt wird. Das ist NICHT demokratisch.

Aber jetzt haben die Iren ja abgestimmt und ‚NO’ gesagt.
Aber wie kann es weitergehen?
Mein Vorschlag wäre: Diesmal die Wünsche und Sorgen der Bürger mit einbeziehen. Die Gründe für den Vertrag zu kommunizieren. Hier sind neben den EU-Politikern auch unsere Bundes- und Landespolitiker und auch die Medien gefragt. Wer hier in Österreich das Radio oder den Fernsehapparat aufdreht oder die Zeitung wird über Bundes- und Landespolitik ziemlich gut informiert. In Deutschland ist es sicher nicht anders. Über Wichtiges in der EU erfährt man nur selten. (Wenn dann die Leute z.B. argumentieren: ‚In der Presse stand am 15.5. dies und das, und schließlich gibt es noch das Europajournal, kann ich nur sagen: Ja gut! Aber bitte viel mehr!’) Dann klappt’s auch mit den Bürgern. Über das Internet erreicht man nur eine Minderheit.

Servus und liebe Grüße
Herbert

Servus Gambit,

ich werde wohl nbicht auf alles eine Antwort formulieren
können, möchte aber doch mal meine Meinung kund tun:

ok, dann mach mal :smile:

Aber was passiert denn, wenn der Vertrag nicht zustande kommt?
Wenn die Iren nein sagen?

Es wird in weiteren Runden abgestimmt, bis das „gewünschte“
Resultat vorliegt oder die Sache wird irgendwie juristisch
geregelt. Die Iren müssen sich nur mal ein Beispiel nehmen am
deutschen Umgang mit der Verfassung (und das ist NICHT
ironisch gemeint).

Was meinst Du?

Vergangene Bundesregierungen in Österreich die wie jetzt die 2/3 Mehrheit hatten sind auch nicht gerade fein mit der Verfassung umgegangen und einfache Gesetze in den Verfassungsrang gehoben damit zukünftige Regierungen sie nicht ändern können. Sowas gehört sich nicht…

Ein Europa der verschiedenen
Geschwindigkeiten? Ein Europa wo die einen politische Nähe
suchen und die anderen ‚nur’ eine reine
Wirtschaftsgemeinschaft? Müssen wir alle Gewinner sein, oder
darf es auch Verlierer geben?

Aber, wenn es Gegner des Vertrages gibt, worin liegen die
Gründe? Vielleicht nicht am Vertrag.

Kaum jemand wird diesen Wälzer von Vertrag gelesen haben.
Insofern liegt es wohl nicht primär daran. Aber einige Sachen
sind doch bereits durchgesickert, zusammengefasst von
fleißigen Wissenschaftlern. Eine andere Frage ist tatsächlich,
ob das dann jemanden interessiert.

Ja, richtig. Deswegen wäre es auch gut wenn eine öffentliche Diskussion stattfinden würde.

Vielleicht hat man die
Bürger vergessen. Die hat man nicht mitgenommen. Vielleicht
wollen die ja sogar mehr Europa? Ein ‚menschliches’ Europa, in
dem man nicht nur die Bürokratie spürt?

Aber gerade das wird mit dem Vertrag nicht geschaffen.

Zweifellos hat die
große Gemeinschaft Vorteile für Arbeitsplätze, zumindest oder
vor allem in Irland und auch Österreich, aber sehen das die
Bürger? Geht es ihnen besser? Und hier liegt vielleicht das
Problem. Die Bürger fühlen sich alleingelassen, mit den hohen
Lebensmittel- und Treibstoffpreisen. Aber kann da die EU
wirklich was machen? Hätte sie mehr tun können?

Auf jeden Fall fehlt die Diskussion. Nicht unter den Experten,
sondern unter den Politdilettanten wie mir (und vielen von uns
die sich für Experten halten) Vielleicht gelingt es ja hier?

Für ein bürgernahes Europa
Euer Herbie

Eine EU-Reform ist an sich durchaus nötig, nur leider wird
versäumt, mal Tacheles zu reden und zu sagen, warum das
eigentlich so ist. Vordringlichstes Problem ist, dass in der
erweiterten Union die Entscheidungsfindung zunehmend
schwieriger wird, aufgrund der vielen beteiligten Staaten.
Baldwin/Widgren haben das Problem in der Studie „Council
voting in the Constitutional Treaty: Devil in the details“
beschrieben: sie haben die Wahrscheinlichkeit berechnet, mit
der ein beliebiger Punkt bei einer Ministerrats-Entscheidung
angenommen wird (=Entscheidungseffizienz). In einer EU6 der
Gründungsstaaten lag die Entscheidungseffizienz bei 21,9%, EU9
bereits bei 14,7%, EU15 bei nur noch 7,8%.
Ab hier begann man sich Gedanken um eine Reform der
Stimmenverteilung zu machen, um der absehbaren Blockade zu
begegnen. Es gibt drei konkurrierende Entwürfe betreffend
diesen Punkt: die „alte Ordnung“, der die oben genannten
Zahlen entsprechen, dann die „Nizza-Regeln“ und schließlich
die Bestimmungen des Vertrags, um den es aktuell geht.
In einer EU27 liegt die Entscheidungseffizienz nach alter
Regelung bei 2,8%, nach Nizza bei 3,6%, nach dem Vertrag bei:
10,1%.

Das ist der Kern des Reformprogrammes.

Ok, ja, so gesehen ist es wohl sehr schade, dass der Vertrag jetzt nicht zustande kommt. Warum wird das eigentlich nicht kommuniziert? Hierzulande ist ja alles wichtiger als der Vertrag.

Damit geht allerdings eine andere äußerst wichtige Frage
einher, nämlich danach, wie die Machtverteilung zwischen
kleinen und großen Staaten aussieht. Diese Frage ist nicht so
einfach zu beantworten, wenn es um die kleinen und mittleren
Staaten geht. Alle Staaten bis auf BRD, F, GB und I stehen im
Ministerrat nach den Vertragsregeln SCHLECHTER da.
Allerdings stößt man dann sehr bald auf die
„Kerneuropa“-Debatte. Ich will kurz diesen Gedanken erläutern,
so wie ich ihn verstehe:
BRD und Frankreich werden das größte Gewicht in der EU nach
Vertragsregeln haben. Offensichtlich ist geplant, Europa
wirtschaftlich derart zu gestalten, dass ein Zentrum in F und
BRD entsteht, in dem Hochtechnologie Platz findet, während in
einem ersten Ring drumherum (der selbstverständlich leicht
nach Westen ausgebeult sein wird) die nächst niedrigere Stufe
der Industrie angesiedelt wird, was niedrigere Löhne,
Sozialstandards und dergleichen bedeutet. Daran schließt sich
ein nächster Ring an, in dem Massenwarenproduktion und
arbeitsintensive Industrien bei Niedriglohnpolitik angesiedelt
sein sollen.

Also, ich finde dieses Kerneuropa nicht sehr erfreulich, auch wenn Österreich als Nachbar sicher ein Gewinner wäre. Wenn man das auf Österreich übersetzen würde: Kernösterreich wäre Wien und Niederösterreich – bevorzugt noch Oberösterreich die Steiermark und das Burgenland. Die anderen Länder hätten dann die A-Karte gezogen? Die würden wohl nicht lange mitmachen und ihren eigenen Bund gründen.
Das wäre nicht mein Verständnis für EIN Europa. Wenn die Leute in F und BRD und natürlich A so tüchtig sind und eine gute Wirtschaft aufziehen ist das natürlich zu begrüßen. Es sollten jedoch alle eine Möglichkeit haben an den Chancen der Hochtechnologie zu profitieren.

Soviel zu Kerneuropa und der Entscheidungseffizienz des
Ministerrats.

Eine weitere bedeutende Frage ist die vertraglich
vorgeschriebene Militarisierung der EU (zumindest diesen Teil
des Vertrags sollte jeder Mal gelesen haben).

Ok, die Beistandspflicht. Die ist einer der wenigen Punkte die von Vertragsgegnern in Österreich ins Spiel gebracht wird. Aufweichung der Neutralität udergl. Von Vertragsbefürwortern wird sie ignoriert. Allerdings wird es auch den Staaten überlassen sie sie ‚beistehen’. Bin ich hier richtig? Bitte um Korrektur wenn es nicht so ist.

Naja, und schlussendlich liegt dem Vertrag ein neoliberales
Wirtschaftsmodell zugrunde. Da wird zwar mit Sachzwängen und
Globalisierung argumentiert, aber ich denke, viele Menschen
wünschen sich doch einen alternativen Entwurf, der nicht so
ultimativ kapitalistisch und undemokratisch wäre.

Kapitalismus ist ja durch nichts zu widerlegen. Das haben ja einige versucht. Aber er muss sozial verträglich gemacht werden. Hier hat Österreich schon eine meiner Meinung nach ganz gute Annäherung geschafft. (Obwohl da noch viel zu verbessern wäre). Auch wenn ein Kabarettist gemeint hat, Österreich wäre das kommunistischste unter den kapitalistischen Ländern.
Wären hier nicht auch Möglichkeiten für die EU? Ich glaub ja noch immer: Die Menschen wünschen sich mehr Europa und nicht weniger.

Well, mehr fällt mir jetzt dazu nicht ein, ich will auch nicht
großartig abschweifen, aber das sind, denke ich die
Knackpunkte. Was meint ihr?

Well done würde ich sagen

Servus und lg
Herbert

Manchmal,
aber leider nicht immer, werden die Politiker, die an
Verfassungsbruch, -abbau oder -änderung beteiligt sind, vom
Bundesverfassungsgericht (BVfG) zurecht gewiesen.

Das Bundesverfassungsgericht kann nur zurechtweisen, wenn Klage eingereicht wurde. Insofern ist der Bürger gefragt, wenn er einen Verfassungsbruch befürchtet.

Andererseits sind gerade die Entscheidungen des BVfG die
interessantesten, die nur knapp entschieden werden, will
sagen: auch die Entscheidungen des BVfG als höchstem
Verfassungshüter sind manchmal in der (Experten-)Debatte
umstritten, aber ich würde mir da jetzt keine Wertung anmaßen,
weil ich kein Experte bin.

Weil viele Entscheidungen eben nicht so klar und eindeutig zu fällen sind. In dem Fall geht´s eben nach der Mehrheit.

die erklärte Absicht von Innen- und
Verteidigungsminister, Flugzeuge mit Unschuldigen an Bord
abschießen zu lassen (entgegen dem eindeutigen Verbot durch
das BVfG);

Wobei dieses Urteil fragwürdig ist in meinen Augen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat gesagt (soweit ich mich erinnern kann, ich lasse mich gern korrigieren), dass das Abschießen sogar dann nicht gehen würde, wenn im Grundgesetz eine Erlaubnis dafür geschaffen wird. Soll heißen, das Bundesverfassungsgericht stellt sich über das Grundgesetz, zumindest lese ich das so heraus.

Ansonsten aber sind die Urteile aus Karlsruhe durchweg richtig und nachvollziehbar.

Grüße

Stefan