Hallo,
jetzt muss ich doch mal wieder mit beiden Füßen reinspringen …
mir ist auch eine russlandfeindliche Stimmung in den
westlichen Medien aufgefallen. Tatsaechlich hat Russland aber
keinen Grund Europa anzugreifen oder sonstige Schritte gegen
uns zu unternehmen.
Russland betrachtet sich selbst als europäische Macht mit Führungsanspruch. Siehe dazu die Äußerungen Putins sowie des neuen Präsidenten Medwedew. Gleichzeitig besteht sowohl ein Weltmachtanspruch, auch auf militärischer Ebene, der sich z.B. im russischen Flottenbauprogramm deutlich äußert.
Wirtschaftspolitisch befindet sich Russland in einer Konfliktsituation mit der EU, und das viel stärker als mit Amerika, da es um während des kalten Krieges traditionell gewachsene Märkte geht, nämlich um die ehemaligen Ostblockstaaten.
Wie friedfertig die derzeitige russische Regierung ist, haben wir gerade erst in Georgien gesehen. Vorher in Tschetschenien. In Asserbeidschan. In Afghanistan, wo sie ja auch lange vor den Amerikanern waren und wo die Amerikaner nicht hätten sein müssen wenn die Russen nicht so einen Schrotthaufen hinterlassen hätten.
Auch wenn Russland nicht wirklich eine „lupenreine Demokratie“
ist und auch nicht weiss wie man Menschenrechte schreibt
wuenschte ich mir doch dass Europa enger mit Russland als mit
den USA zusammenarbeitet weil:
Zusammenarbeiten ja, aber bitte nicht so blauäugig. Es lohnt sich immer, sich mal ein paar Gedanken über die Motive des Verhandlungspartners zu machen.
-die Kriege die Russland in letzter Zeit gefuehrt hat waren
alle mehr oder weniger verstaendlich und es ging nicht nur um
finanzielle oder strategische Gesichtspunkte (im Gegensatz zur
USA)
Huh? Afghanistan: Strategischer Gesichtspunkt war die Bedrohung der Indik-Regionen mit der zusätzlichen Kapazität den Golf in die Zange nehmen zu können (der ja von der anderen Seite aus mit strategischen Systemem bereits gut erreichbar war).
Georgien bzw. Ossietsien: Schwarzmeerzugang, Absicherung des Krim-Öls.
Tschetschenien: Neben der Tatsache, dass man das Land einfach behalten will würde der Verlust Ts auch bedeuten, dass man einen Haufen Basen in der Region verliert.
Diese Kriege wurden alle um strategische Gewinne geführt. Was, selbst wenn man das ständige und erst tausend mal wiederlegte Gesalbadere über die wirtschaftlichen Kriegsinteressen der USA mal für eine Sekunde stehen läßt, die Sache erheblich relativiert.
-Russland ist sich der eigenen Schwaeche bewusst und
respektiert Partner und deren Wuensche eher als die USA es tun
wuerde was eine gleichberechtigte Partnerschaft moeglich macht
Huh? Frag mal die Polen, die Tschechen, die älteren in den neuen Bundesländern dazu. Die erinnern sich noch an die Panzer des russischen Bruders. Auch die Tschetschenen oder die Georgier können Dir etwas über „gleichberechtigte Partner“ erzählen, wenn es um Russland geht.
Aber wenn jemand natürlich eine „gleichberechtigte Partnerschaft“ einfordert, dann muss er auch etwas einbringen. Das Problem, mit Russland, wie mit den USA, ist, dass Europa zwar will, aber nicht zahlen will und noch viel weniger handeln will. Worauf sich hier der Anspruch auf eine „gleichberechtigte Partnerschaft“ stützen will bleibt also nebulös. Dass weder Russen, noch Chinesen noch Amerikaner D ernst nehmen, sollte inzwischen auch der Letzte begriffen haben.
-Europa kann zusammen mit Russland einen Gegenpol zur USA
bilden (alleine kann dies keiner von beiden)
Europa könnte, und zwar alleine, ohne Russland. Die EU ist der größte Wirtschaftsraum, die militärische Stärke der Gesamt EU überschreitet die der USA bei weitem, außer im Kernwaffensektor. Das Bruttosozialprodukt der Gesatm-EU ist etwa drei mal so hoch wie das der USA.
Das Problem ist, dass die EU gar nicht will. Sie will wegsehen, wenn ein Saddam seine Leute vergast, sie nickt freundlich, wenn Ahminedschad an der Atombombe bastelt und sagt gar nichts, wenn Il-Sungs Volk verhungert weil das Geld, dass für Nahrung gebraucht wird, in Waffensysteme gesteckt wird, die entlang der Grenze zum Süden aufgestellt sind.
Die EU kann, wenn sie will, sie hat das Geld, das militärische Potential, einzig, es fehlt am Willen. Glaubst Du, die EU würde z.B. die Sicherung des 38.Breitengrades übernehmen? Die Amerikaner würden die sofort und mit Kusshand abgeben. Eine Viertelmillion Menschen und Systeme ständig einsatzbereit zu halten ist keine Kleinigkeit. Vielleicht willst Du ja auch die EU-Marinen Flagge zeigen lassen … im südchinesischen Meer beispielsweise, wo ein halbes Dutzend Nationen sich gerne wegen ein paar Inseln an die Kehle gehen würde. China ist da mit dabei, aber zum Glück relativ zurückhaltend.
Und hier leigt das Problem. Russland, China und die USA, das sind die großen Hunde. Die, die auch mal beißen, wenn es nicht anders geht. Europa ist, nicht mangels Geld oder Macht sondern mangels Willen und Dank Uneinigkeit, ein Stall voll Pinschern. Die kläffen zwar immer mit, aber wenn es eng wird, ziehen sie den Schwanz ein. In der Folge bedeutet das, die EU bracuht einen der großen Hunde auf der eigenen Seite. Nicht irgendeine, sondern den, der gutmütig und doof genug ist, die eigenen Leute auch für europäische Interessen bluten zu lassen und das dann auch noch selbst zu bezahlen. In Amerika hat man Dinge wie Demokratie und Freiheit schon vor über zweihundert Jahren in die Verfassung geschrieben. Man hat dafür gekämpft, geblutet und bezahlt. Man tut es auch heute noch, jeden Tag. In Russland weiß man nicht mal wie Pressefreiheit oder Menschenrechte geschrieben werden. Willst Du also wirklich die Russen als Partner Europas? Glaubst Du ernsthaft, was Du weiter oben geschrieben hast über „gleichberechtigte Partner“?
Gruß
Peter B.