Nicht nachrichtenqualität, sondern

… qualität der polemik in politischen „wahlkampfreden“ soll
mal mein thema sein, was aber auch hier rein passt, da nun
wieder aktueller wird!

hallo ersteinmal,

am wochenende ist es mir wieder aufgefallen. bei frau christiansen wurden von der opposition wieder die selben platitüden ausgebudelt.

ich bin sicherlich kein freund von g’schröder’ter politik, jedoch finde ich es mehr als dumm, im wahlkampf als gegner unsinn zu quatschen.

es geht um die „ungerechte steuerpolitik“ der regierung.

per 1.1.2002 wurde ein neues körperschaftsteuersystem eingeführt. statt 40 bei thesauierung u. 30% bei ausschuettung KSt und vollanrechnung beim dividendenempfänger wurde nun das halbeinkünfteverfahren eingeweiht.

hier wird nun statt vollanrechnung von 30% steuer der ausschüttungsbelastung beim anteilseigner, eine definitive KSt von 25% eingeführt, aber dafür wird nur noch die haelfte beim anteilseigner versteuert.

mal grob und kurz mit zahlen im falle der vollausschüttung der gewinne!

ALT:

bei der körperschaft
gewinn 100 DM
KSt 30 DM
auszahl 70 DM

versteuerung bei anteilseigner
gewinn 100 DM
steuer je nach persönlichen eigenschaften zw. 0 und 53 DM
anrechnung von durch die körperschaft bezahlten 30 DM
ergebnis: von erstattung 30 DM bis nachzahlung 23 DM

ergo, entweder beim staat bleiben im saldo 0 - 53 DM

NEU:

bei der körperschaft
gewinn 100 DM
KSt 25 DM
auszahl 75 DM

versteuerung bei anteilseigner
gewinn 50 DM
steuer je nach persönlichen eigenschaften zw. 0 und 24,25 DM (= 48,5% spitzensatz)
keine anrechnung der 25 DM
ergebnis: von 0 DM bis nachzahlung 24,25 DM

ergo, beim staat bleiben im saldo 25 - 49,25 DM
(also im unteren bereich mehr steuern im oberen weniger!).

ausser acht gelassen habe ich die kapitalertragsteuer als steuervorauszahlung und den solizuschlag.

bei voller thesauierung der gewinne verblieben korrekterweise 40% KSt beim FA bis zum zeitpunkt der ausschuettung. nun bleibt das FA bei 25% ob ausgezahlt oder einbehalten durch die körperschaft.

davon ausgegangen, das die meisten gewinne ausgeschüttet werden (gerade bei kleinen kap.gesell.) und bei grossen bis auf ein paar rücklagen auch alles rausgehauen wurde …

was faellt auf bei den reden?

alle wettern (vor allem CSU/CDU/PDS) , das die böse regierung den steuersatz der körperschaften von 40% auf 25% gesenkt hat (also 15%) bei den peronen aber nur von 53 auf 48,5 (also 4,5%).

was soll diese oberflächliche palaverei? wie lange muss sich der bürger die verdummung gefallen lassen? warum werden nur öffentlichkeitswirksame punkte rausgegriffen und veröffentlicht?

gott sei dank, bin ich in der lage, bei steuerlichen themen dieses unsinn für mich zu „entlarven“, jedoch wie oft werde auch ich auf für mich fremden themen geblendet? ist die politik eine ganze lügerei? oder wie sagte schon die opernsaengerin maria callas: „Politik ist das Gegenteil von Musik; sie verspricht alles und hält nichts.“

in welchen sparten ist euch so oberflächlicher wahlkampf und dahergerede schon aufgefallen?

fragt sich heute der

showbee

das war mir alles zu kompliziert.

sag mir doch bitte einfach, ob ich jetzt mehr oder weniger geld bekomme als vorher.

gruss
lars
(der gar nicht erst verdummt werden muss, um die steuergesetzgebung nicht zu verstehen)

rehi,

sorry, aber es kommt auf folgendes an:

verbleibende steuer beim staat

vorher: 0 - 53 DM
jetzt: 25 - 49,25 DM

also differenz von +25 bis - 3,75

gesagt wird aber

steuersaetze von 40% auf 25% für kap.ges. also - 15%
für nat. personen von 53% auf 48,5% also - 4,5%

also in % differenz von 15 zu 4,5% zw. natuerlichen und juristischen personen. im endeffekt kassiert der staat aber wohl tendenziell mehr steuern von den juristischen personen und kummulativ von beiden (eine kap.gesellschaft hat wohl fast immer auch anteilseigner) aber fast gleich.

ich bemängele also, das man sagt „ihr bösen“ und dies an milchmännchenbeispielen begruenden will. eben an zahlen die sich für „dummies“ schlimm anhören.

"was für die grossen kapitalisten wurden die steuern um 15% gesenkt und für mich nur um 4,5% … "

das meinte ich.

gruss vom

showbee

hm, ich habs zwar nicht wirklich verstanden (brauchst auch nicht weiter zu erklären), aber zumindest dürfte dir jetzt klar sein, warum solche milchmädchenrechnungen funktionieren: weil steuerrecht genau wie krankenversicherungs/renten-politik derartig kompliziert ist, dass jeder nicht-experte
a) keine ahnung
und b) keine lust auf ahnung
hat.

hat also der entsprechende diskussionsgegner keine griffigen gegenbeispiele zur hand, wird er eben verbal unterliegen.
ich wette von 100 deutschen wissen 50 noch nicht mal, was die körperschaftssteuer ist (um die gings doch oder?) - geschweige denn, wie hoch sie ist und was das für sie bedeutet.

es ist natürlich fies von der opposition, diese unwissenheit der bürger wahlkampftechnisch auszunutzen. aber nun ja, politik ist ein dreckiges geschäft und die regierung hat ja durchaus die möglichkeit, schon in einer diskussion zu sagen: „das ist falsch, sie lügen, sie machen eine milchmädchenrechnung; wissen sie was, ich gebe ihnen ein gegenbeispiel“…

überdies hätte die regierung ja auhc noch die möglichkeit, das steuerrecht zu vereinfachen, dann könnte man die gesetzgebeung gar nicht erst absichtlich falsch darstellen, weil sogar ich merken würde, dass die blödsinn erzählen.

Also ich wuerde ja behaupten, dass es den meisten Politikern so geht wie uns auch: Sie haben nicht die geringste Ahnung, von was sie eigentlich reden. Nicht nur bei Steuern, sondern auch bei Rente, Krankenversicherung, Arbeitslosenabbau, Finanzpolitik etc. (Es gab auch schon mal Umfragen ueber einzelne Gesetze, bei denen die Abgeordneten oeffentlich demonstrierten, dass sie ueberhaupt nicht wissen was in dem Gesetz, ueber dass sie gerade abgerstimmt haben, ueberhaupt drinsteht. Das ist mal ein Punkt.
Der zweite Punkt ist, dass sich m.M. nach in den letzten ca. 10 Jahren kein Politiker gefunden hat, der es noch versteht zu diskutieren. das sieht man bei den Elefantenrunden und deswegen ist es auch sinnlos, Frau Christiansen anzuschauen. Man wirft sich doch nur gegenseitig Vorwuerfe an den Kopf. Schade, aber so ist es nunmal.
Ralph

Also ich wuerde ja behaupten, dass es den meisten Politikern
so geht wie uns auch: Sie haben nicht die geringste Ahnung,
von was sie eigentlich reden. Nicht nur bei Steuern, sondern
auch bei Rente, Krankenversicherung, Arbeitslosenabbau,
Finanzpolitik etc. (Es gab auch schon mal Umfragen ueber
einzelne Gesetze, bei denen die Abgeordneten oeffentlich
demonstrierten, dass sie ueberhaupt nicht wissen was in dem
Gesetz, ueber dass sie gerade abgerstimmt haben, ueberhaupt
drinsteht. Das ist mal ein Punkt.

ja gut, aber das ist doch der grund, warum die politiker zunächst in ausschüssen über gesetze beraten; in den ausschüssen sitzen dann meistens doch fachkompetente leute.
alles weitere ist doch dann eh egal, denn die abgeordneten folgen ja ihrer fraktion - sind die experten aus der fraktion mit dem gesetzesentwurf einverstanden, folgt der rest eben den experten.
es ist m.e. auch vollkommen unmöglich für einen politiker, ALLE themen kompetent zu besetzen.
wozu auch?
es gibt über 600 abgeordnete - reicht doch, wenn jeweils 10 in 60 ausschüssen sitzen und sich dann jeweils sehr gut in ihren themenbereichen auskennen und dafür in den anderen bereichen nicht so gut.
erscheint mir sinnvoller als wenn 600 parlamentarier mit gefährlichem halbwissen glänzen.

grüsse

(wobei mir scheint, dass manche politiker die selbstgeschaffenen paragraphendschungel im beamtendeutsch richtig toll finden - wie ein kind, dass eine tolle sandburg gebaut hat…)