Nieders. Schulrecht, Gymnasium Oberstufe

Liebe/-r Experte/-in, ich freue mich über jeden Rat, den ich zu folgendem Problem bekommen kann:

„Rauswurf“ aus Gymnasium (11.Kl.) nach 2 Jahren Krankheit !!!

Heute wurde meinem 19-jährigen kranken Sohn von seiner Schule (Gymnasium) angeraten, sich zum Ende dieses Schuljahres selbst von der Schule abzumelden (Originaltext Schule: „Das sieht besser aus, als wenn wir dich rausschmeißen“), weil der Schuldirektor beschlossen hat „bei uns geht es hier für dich nicht weiter!“

Zur Vorgeschichte:
Der Schüler war 17 Jahre alt und in der 11. Klasse eines niedersächsischen Gymnasiums, als er im Herbst 2010 an einer mittelschweren Depression erkrankte. Er befindet sich seitdem in Behandlung bei div. Ärzten, Neurologen und Psychologen. Die Schule besuchte er in dieser Zeit nur sporadisch, je nach Gesundheitszustand. Die Erkrankung besserte sich gegen Ende der (ersten) 11. Klasse. Wir beantragten bei der Schule eine Wiederholung der Jahrgangsstufe aufgrund von Krankheit gem. §3 (1), Satz 4 der Verordnung über die gymnasiale Oberstufe ohne Anrechnung auf die Verweildauer, die uns auch genehmigt wurde.

Im Sommer 2011 begann der inzwischen 18jährige Schüler zum 2. Mal die 11. Klasse und zuerst sah ja auch alles noch ganz gut aus. Im Winter bekam er dann allerdings einen starken Rückfall, er brachte noch das erste Halbjahr zu Ende, bevor dann wieder nichts mehr ging. Der Schulbesuch war wieder über Wochen und Monate nicht möglich.
Inzwischen hat sich gesundheitlich vieles verbessert. Er macht wieder Aufbautraining und eine Reha von der Krankenkasse ist auch bewilligt.
Ok, ich gebe zu, dass der Schulbesuch von ihm doch etwas vernachlässigt wurde. Es ist für ihn sehr schwer zu ertragen, dass er als früher guter Schüler schon wieder ein Schuljahr aufgrund seiner Erkrankung verliert und ich als Mutter hatte nach 1,5 Jahren Kampf gegen die Depression und die Antriebsschwäche auch nicht mehr die Kraft ihn jeden Morgen in die Schule zu jagen. Wir haben uns aber immer darum gekümmert, dass der Schule die nötigen ärztlichen Bescheinigungen vorliegen. Er fehlte nicht unentschuldigt. Mein Sohn hat seinen Arzt sogar von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden, damit die Schule genau Bescheid weiß und seine schwierige Erkrankung besser verstehen kann.

Und nun wird er, wie oben bereits beschrieben, rausgeschmissen. In dem heutigen Gespräch wurde klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass die Schule ihn nicht mehr haben will, weil

  1. mit Ende des Schuljahres 2011/2012 seine 12jährige Schulpflicht endet,
  2. angeblich die Verweildauer in der Oberstufe sonst überschritten wird,
  3. er bereits einen Schulabschluss hat (Erw. Sek. I, das wäre dann sein Abgangszeugnis), und
  4. der Direktor beschlossen hat, dass es an dieser Schule nach den Sommerferien für meinen Sohn nicht mehr weiter geht und, falls er sich nicht abmeldet, eben rausgeschmissen wird.

Nun stehen wir da und wissen nicht, was wir tun sollen. Ich habe mich bereits mit dem niedersächsischen Schulgesetz beschäftigt. Fakt ist:

Es gibt eine maximale Verweildauer in der Oberstufe (Kl. 11 und 12) von 3 Jahren und die Schulpflicht meines Sohnes endet im Sommer. Ein Jahr Wiederholung ohne Anrechnung auf die Verweildauer haben wir bereits erhalten.

Ob mein Sohn unter diesen Umständen überhaupt noch auf diese Schule zurück will, bezweifle ich nun sehr. (Ich habe nur noch Wut und will da eigentlich auch nie wieder hin.)
Er ist sehr geschockt und enttäuscht und ich habe Angst, dass er erneut in eine Depression zurückfällt.
Er hatte sich auf dieser Schule immer wohl gefühlt und sich trotz der schweren Erkrankung sein Abitur als Ziel auf „seiner Schule“ gesetzt. Dieses Ziel wird ihm jetzt genommen. Leider müssen wir nun erkennen, dass diese Schule scheinbar keine soziale Verantwortung hat und erkrankte Schüler dort nicht gern gesehen sind. Das bekommt wohl der Statistik und dem „Guten Ruf“ nicht.

Wir hatten uns aufgrund seiner Erkrankung auch schon überlegt, ob er nicht „1 Jahr Auszeit“ von der Schule nehmen sollte und nach weiteren Behandlungen (vielleicht wäre in dieser Zeit sogar ein Berufspraktikum möglich), gestärkt nochmals einen neuen Anlauf in Richtung Abitur zu nehmen. Nun, jedenfalls nicht mehr an dieser Schule.

Können die das mit einem jungen (erkrankten) Menschen machen?
Welche Rechte hat er als Schüler?
Kann man auch ein 2. Mal einen Antrag auf Wiederholung der Jahrgangsstufe 11 aufgrund von Krankheit stellen?
(Härtefall, evtl. Ausnahmegenehmigung, sonst wird das zweite 11. Schuljahr als nicht bestanden gewertet, obwohl er ärztlich bescheinigt im 2. Halbjahr erkrankt war und was passiert dann, wenn er sich auf einer anderen Schule „bewirbt“)
Wenn ja, wo?
(Evtl. Landesschulbehörde in Hannover, ich möchte mich nur höchst ungern mit der „ehemaligen“ Schule meines Sohnes über diese Dinge unterhalten)

Langer Text und viele offene Fragen. Wir brauchen dringend Hilfe. Wer weiß Bescheid?

Hallo, Löwin62
ich bin leider in den schulrechtlichen Detailfragen nicht mehr so bewandert, dass ich dir eine zufrieden stellende und ausführliche Antwort geben kann. Wenn die Schule sich-zu Recht oder Unrecht-dafür entscheidet, deinen Sohn aus der Schule zu entlassen, dann gibt es 2 Möglichkeiten:
entweder Ihr versucht die Entscheidung über ein Gerichtsverfahren zu kippen (wie gesagt kann ich nicht bewerten, ob es Erfolg haben könnte). Das würde bedeuten. dass Ihr zunächst gegen die Entscheidung innerhalb von 4 Wochen Widerspruch einlegen müsst. Hilft die Schule dem Widerspruch nicht ab, so ist gegen den Widerspruchsbescheid innerhalb von 4 Wochen Klage beim Verwaltungsgericht einzureichen -
oder ihr lasst die Entscheidung der Schule auf sich beruhen und versucht, auf dem 2. Bildungsweg das Abitur zu machen. Das geht in verschiedenen Institutionen, z.B. in den Volkshochschulen, Gewerkschaften.

In jedem Fall würde ich empfehlen, das Gespräch mit der Schule oder mit der Landesschulbehörde zu suchen. um herauszufinden, ob die Rechtslage tatsächlich so ausweglos ist oder ob es Ausnahmeregelungen gibt.

Viel Erfolg und viele Grüße
Wilhelm Habermalz

Ein schwieriges Kapitel. Vorausschicken muss ich, dass ich das niedersächsische Schulrecht nicht kenne. Wenn ich richtig verstanden habe, gibt es derzeit keine Versetzuung von Klasse elf nach Klasse zwölf. Es stünde also jetzt der dritte Versuch in Klasse 11 an. Damit würde auch bei erfolgtreichem und glattem Durchlauf die Verweildauer überschritten, da ja ein elftes Schuljahr bereits zählt.
Grundsätzlich kann ein solcher Rechtsakt der Schule (Abschulung) durch ein Widerspruchsverfahren (gebührenpflichtig falls nicht erfolgreich) und gegebenenfalls eine Klage vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden.
Ich überlege anders: könnte die Depression von der schulischen Situation mitbestimmt sein (Sie befürchten eine Rückfall)? Kann die Situtation nicht durch ein neues Umfeld, dur? Eine berufliche Ausbildung (die Chancen hierfür sind zur Zeit recht gut) als Grundstein für eine weitere Ausbildung eröffnet Wege zur Fachhochschulreife und zum Studium. Meines Wissens ist Niedersachsen auf diesem Weg schon recht weit.
Bedenken sie, der zeitliche Abstand zwischen Abschluss der Sekundarstufe I und dem Beginn einer neuen Ausbildungsphase muss immer durch Zeugnisse belegt werden. Keine leichte Situation.
Alles Gute
TWU

Hallo,

der Schulleiter handelt zunächst einmal klar im Sinne der Erlasslage, die die Verweildauer wie von dir dargestellt regelt. Er selbst hat nicht die Möglichkeit anders zu entscheiden. Sehr wohl hätte er euch aber über folgende Regelung informieren können:

Die Verordnung über die gymnasiale Oberstufe (VO-GO) sieht in § 13, Abs. 2, Satz 2 folgende Möglichkeit vor: In Härtefällen, die die Schülerin oder der Schüler nicht zu vertreten hat, insbesondere bei längerem Unterrichtsversäumnis wegen Krankheit, kann die Schulbehörde ein weiteres Zurücktreten um ein Schuljahr zulassen.

Es ist zu beachten, dass dies eine KANN-Regelung ist. Hier wäre also ein Antrag an die Landesschulbehörde (LSchB) notwendig, die dann ein weiteres Zurücktreten zulassen könnte. Diese Entscheidung ist u.a. davon abhängig, ob ein erfolgreiches Abschließen des Schülers zu erwarten ist. Dazu würde dann unter anderem die Schule befragt, die den Schüler derzeit betreut… Wie das eingeschätzt würde, kann man deiner anfrage entnehmen.

Wenn dein Sohn jetzt eine Auszeit nehmen sollte, müsste er nach diesem Zeitraum eine neue Schule suchen, die ihn aufnimmt. In Nds. könnte dies bspw. ein Fachgymnasium sein. Diese haben viele Schüler mit nicht ganz typischen Lebensläufen und sind häufig etwas offener in dieser Beziehung. Die Schulleitung dieser Schule müsste dann einen oben geschilderten Antrag unterstützen wollen. Dann könnte ein Antrag bei der LSchB eingereicht werden, der dann bewilligt werden könnte…

Das sind leider viele „könnte“ und „müsste“. Zuständig für eine genauere Beratung durch die LSchB ist der Schulpsychologische Dienst: http://www.landesschulbehoerde-niedersachsen.de/bu/e…

Vielleicht können die euch noch genauere Auskünfte geben oder weitere Möglichkeiten aufzeigen.

Viel Erfolg!

Liebe/-r Experte/-in, ich freue mich über jeden Rat, den ich
zu folgendem Problem bekommen kann:

„Rauswurf“ aus Gymnasium (11.Kl.) nach 2 Jahren Krankheit

Liebe Löwin62,
rein formal scheint mir die Schule im Recht zu sein, da sie die in der zum Zeitpunkt des Eintritts Deines Sohnes in die Sek II gültige Fassung der Oberstufenverordnung (VO-GO) angewendet hat, die Wiederholungsmöglichkeiten nur in dem beschriebenen Ausmaß vorsieht.
Mit Datum vom 16.12.2011 ist eine neue Fassung der VO-GO veröffentlicht worden, in der siche eine Ausnahmeregel wegen Krankheit gar nicht befindet.
Ich schlage vor, einmal zu überlegen, ob hier nicht eine Schwerbehinderung im Sinne des Sozialgesetzbuches vorliegt, wonach Dein Sohn dann Anspruch auf einen sog. Nachteilsausgleich hätte.Die Scheu vor der Anerkennenung als Schwerbehinderter - zumal wenn man erst 18 ist - kann möglicherweise dadurch gelindert werden, dass sie ja auch zeitlich befristet werden kann - solange das Handikap eben besteht.
Da das Sozialrecht aber sehr kompliziert ist, würde ich eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen, die z.B. beim zuständigen Versorgungsamt (das in Hannvoer ansässig ist) mit der Frage nach einem geeigneten Anwalt beginnen könnte.
Parallel dazu wäre die Frage mit dem behandelnden Arzt / Therapeuten zu kären, ob nach seiner Ansicht eine Schwerbehinderung vorliegt.
Es tut mir leid, dass ich keinen günstigeren Rat geben kann - dennoch wünsche ich viel Erfolg und vor allem Gute Besserung für den Sohn.
Gruß
Egolf

Hallo Herr Habermatz,

vielen Dank für Ihre Antwort. Es ist ein so schwieriges Thema, so schwer sich zu entscheiden, was wir tun sollen… Ich glaube kaum, dass wir bis vor Gericht ziehen werden. Wir hoffen sehr, dass sich die Schule nochmals auf ein Gespräch einlässt um uns in Fragen der Ausnahmegenehmigung (dann wahrscheinlich über die Landesschulbehörde) zu beraten und evtl. auch zu unterstützen, so dass meinem Sohn später keinerlei Nachteile bei den Zugangsvorraussetzungen an anderen Schulen etc. entstehen.
Wichtig ist vor allem seine Genesung, die z.Zt. gute Fortschritte macht und uns alle positiv in die Zukunft schauen ließen. Wir haben eine sehr schwere Zeit hinter uns und dann kommt die Schule und versetzt uns den nächsten Schlag ins Genick.
Ich frage mich, wo bei allem die soziale Verantwortung für einen noch so jungen Menschen bleibt?

Nochmals vielen Dank und viele Grüße
Löwin62

Hall Frau Westner,

vielen Dank für Ihre Antwort. An den Weg über die Schwerbehinderung hatten wir noch gar nicht gedacht. Vielen Dank für diesen Tipp. Allerdings wird mein Sohn damit wohl große Probleme haben und wir müssten erst einmal viel „Überzeugungsarbeit“ leisten.
Wichtig ist, dass ihm für seinen späteren Weg keinerlei Nachteile entstehen und hoffen, dass die Schule nochmals zu einem Gespräch bereit ist um uns zu beraten. Ich glaube kaum, dass der Direktor seinen Entscheidung ändert, uns bleibt wohl nur der Weg über die Landessschulbehörde. Und wenn mein Sohn nun ein Jahr Auszeit (er fährt ja noch zur Reha) von der Schule nimmt, dann muss das wohl so sein… Obwohl sich dann wieder die Frage mit dem Kindergeld stellt… Wer füllt uns eine Bescheinigung aus, vielleicht sollten wir uns ab August beim Arbeitsamt anmelden?

Nochmals vielen Dank und viele Grüße
Löwin62

Hallo TWU,
vielen Dank für Ihre Antwort. Ja, die Situation ist nicht leicht… Deswegen sind wir auch heilfroh, dass unserem Sohn von der Krankenkasse inzwischen eine Reha bewilligt wurde, so dass er aus diesen „Gesetzeshorror“ bald mal rauskommt, auf andere Gedanken, mal abschalten und nur an sich denken… Wichtig ist, dass mein Sohn ohne Schaden aus dieser Situation herauskommt und ihm aufgrund seiner Erkrankung nicht noch mehr Steine in den Weg gelegt werden. Der Weg über eine Fachhochschulreife scheint uns dann auch der Richtige zu sein, wenn es an „seiner“ Schule kein Weiterkommen gibt.

Nochmals vielen Dank und viele Grüße
Löwin62

Hallo,
vielen Dank für deine Antwort. Wir hoffen, dass die Schule in einem weiteren Gespräch bereit ist, uns in dieser Sache zu beraten und zu unterstützen. Ansonsten bleibt uns wohl wirklich nur der Weg über die Landesschulbehörde, damit mein Sohn nicht noch mehr Schwierigkeiten bekommt seine Schulausbildung weiter zu führen. Er hat es mit seiner Erkrankung schon schwer genug gehabt. Ein späterer Besuch eines Fachgymnasiums scheint uns nach all dem auch der Richtige.
Danke für deinen Tipp ebenfalls den Schulpsychologischen Dienst hinzu zu ziehen. Der könnte im Moment ein guter Ansprechpartner sein, bevor wir mit den „Schreibereien“ beginnen.

Nochmals vielen Dank und viele Grüße
löwin62

kann leider nicht differenziert helfen: Einen Antrag kann man IMMER stellen!