Leider wurde dieses Thema aus dem Brett Psychologie hierher verschoben. Ich finde, es ist ein zutiefst psychologisches thema!!!
Highlights aus
http://www.ardmediathek.de/tv/Essay-und-Diskurs-Deut…
Ein Dialog kommt nur zur Entfaltung, wenn er von dem Wunsch geleitet ist, den anderen auch zu verstehen.
Es gibt unfreiwillige Dialoge, die sich in uns abspielen, ja abspulen: die Zwiesprache mit einem geliebten oder gehassten Menschen in der Vergangenheit (zum Beispiel einem liebevollen oder peinigenden Onkel, Bruder oder Lehrer in der Kindheit und Jugend) oder in der Gegenwart (zum Beispiel mit einem treuen oder aber untreuen Partner).
Dem hehren Ziel gegenseitiger Annäherung gewidmet.
Er ist eine dem literarischen und dem wissenschaftlichen Text ebenbürtige Form, die Erfahrungs- und Erkenntnismöglichkeiten auf eine nur ihr mögliche dialogische Weise vermittelt. Es versteht sich von selbst, dass dabei die Grenzen zwischen Forschung, Wissenschaft und Literatur wenn nicht aufgelöst, so doch aber auf eine produktive Weise überschritten werden können.
Das Zuhören, auf dem jeder Dialog aufbaut, ist also grundsätzlich von sehr labiler Natur und gebunden an eigene Interessen. Ohne Zuhören, Respektieren und Vertrauen und ohne die Anstrengung, die eigene Position zu artikulieren, kommt kein Dialog zustande.
Ein Dialog ist anspruchsvoller und thematisch festgelegter als ein meist sprunghaftes Gespräch. Ein Dialog versteht sich als eine Unterredung, als ein sich vertiefender Austausch von Argumenten mit dem hehren Ziel gegenseitiger Annäherung.
Der Dialog ist eine Kunst, die nur zur Entfaltung kommt, wenn sie von dem Wunsch geleitet ist, den anderen auch in seinen Gefühlen und kulturellen Voraussetzungen zu verstehen.
Wir verstehen einander nicht. Und darauf, gerade darauf und nur darauf, lässt sich aufbauen.
Die Differenz, vielleicht sogar die Anerkennung abgrundtiefer, unüberwindbarer Differenz zwischen Menschen, Kulturen und Religionen ist Grundlage des Dialogs.
Können wir überhaupt verstehen, was uns und was die Anderen zu einem bestimmten Denken und Handeln getrieben hat? Die Tatsache, dass wir uns unterscheiden und uns wechselseitig als merkwürdig, ja als absonderlich vorkommen, ist im Grunde das viel Elementarere, wenn man so will: das Natürlichere als das Gemeinsame.
Es ist sinnvoll, von der Erfahrung der Differenzin unserem persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Leben auszugehen und zu versuchen, ihr etwas von ihrem Makel zu nehmen.
Auf Personen, Gruppen und Gesellschaften lenken wir das um, was wir als Schattenseiten in uns selbst nicht wahrnehmen möchten, vor allem die der menschlichen Natur eigene Unberechenbarkeit. An sie heften wir alles in uns latent vorhandene Misstrauen, das wir auch gegen uns selbst hegen.
Die beiden schwerwiegendsten Hindernisse für das dialogische Aufeinander-Zugehen sind dem Anderen zugefügte Kränkungen und erlittene traumatische Erfahrungen. Das Gift eines jeden Dialogs sind die Kränkungen, die sich die Gesprächspartner willentlich und unwillentlich zufügen. Vergiften Kränkungen schon die private Atmosphäre, dann haben gegenseitige Missachtungen ein noch ungleich stärkeres Gewicht, wenn sich gar die Seele eines ganzen Volkes betroffen fühlt.
Ohne die Einbeziehung des psychologischen Verstehens bleiben die Bemühungen um einen Dialog schwach, wenn nicht sogar chancenlos. Jeder dialogische Austausch findet mit den Mitteln der Sprache statt. Bewusst eingesetzt werden, je nach Temperament und Strategie, Körperhaltung, Gestik und Mimik. Mit diesen vorsprachlichen Äußerungsformen beginnt im Leben eines jeden Menschen die Interaktion mit dem Gegenüber.
Auf dem Boden unserer Verschiedenartigkeiten wächst uns die Aufgabe zu, die verschütteten Schätze, die Zeugnisse unserer Zivilisation, zu der die Dialogbereitschaft in ihrer ganzen Bedrohtheit gehört, auszugraben. Gerade jetzt, wo die im Namen der Religion geführten Kriege alles zu zerstören drohen.
Wir müssen nach tieferen Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen suchen, nach den konstruktiven und kreativen, menschenverbindenden Fähigkeiten, um darauf die Kraft zum Dialog aufzubauen.
Man soll das nicht als idealistisch und romantisch abtun. Denn der Dialog musste immer schon erkämpft werden. Gegen Hass und Aggression. Im Kampf miteinander. Im Streben nach Macht und Vorherrschaft. Den Dialog zu verweigern, ist im Alltag ebenso wie in der Politik Ausdruck einer Notlage oder ein strategisches Mittel.
Der Mensch ist, auch wenn er den Dialog vehement verweigert, im Gespräch mit sich, mit seinen Ängsten, Wünschen und Fantasien, mit einer höheren Instanz (wenn er gläubig ist) oder mit einem abwesenden Gott, der Leere (wenn er ungläubig ist).
In jedem Dialog ist beständig die Differenz zum anderen, zu seinem Leben, seinen Empfindungen, Glaubensvorstellungen und Weltanschauungen gegenwärtig. Kein Dialog geschieht jenseits unüberwindbarer Unterschiede und jenseits überhöhter und enttäuschter Erwartungen, jenseits von Ressentiments und stattgefundenen oder auf der Lauer liegenden Kränkungen.
Der Dialog lebt von den Zerreißproben des Scheiterns, den Abgründen der Differenz.
Darin verbündet sich der Dialog mit dem Diskurs, der auch keine Scheu davor hat, das Abgründige, Unvereinbare und Unmögliche zu benennen und auszuloten.