Nochmals Tradition

Hallo Experten!

Neulich wurde mir gesagt, daß die Geschichte von Weihnachtsmann gar nicht deutsche ist bzw nicht aus Deutschland stammt. Das hat mich sehr gewundert.

Es wurde mir gesagt, daß hierzulande das „Christkind“ kommt, aber der Weihnachtsmann keine deutsche Tradition ist. Es soll angeblich, eine Erfindung der USA sein, die, ähnlich wie Halloween, bis vor einigen Jahren, hier weitesgehend unbekannt war. Als Kind, in Spanien, habe ich immer genau das Gegenteil gedacht…

Mit dieser Tradition meine ich genauer, daß die Kinder am 24. (oder 25.?) sehr gespannt darauf warten, daß an der Tür klingelt. Wenn es dann soweit ist, öffnen sie und dort steht der Besagter mit einem Sack, indem die Geschenke für den Kinder des Hauses sind.

Könnt Ihr mir das bestätigen oder widerlegen? Bitte möglichst mit Begründung bzw Links!

Vielen Dank im Vorfeld!

Schöne Grüße aus Nürnberg!
Helena

Hallo Helena,

der Amerikaner ist der Weihnachtsmann in den Farben von Coca-Cola. Ohne diese Corporate Identity gibts ihn schon seit dem 16. Jahrhundert. Parallel übrigens: Auch Haloween gibts als irisches Allerheiligen-Vorabend-Fest schon einige hundert Jahre länger (eigentlich vorchristlich, wie Weihnachten zur Wintersonnwende auch) - erst die Umformung im Sinn möglichst hohen Konsums von Süßigkeiten ist made in USA.

Der ältere deutsche Weihnachtsmann ist eine Vermischung des - schon vorchristlichen - Beschenkens zu den Saturnalien mit dem Hl. Nikolaus. Knapp aber prägnant dazu der Westdeutsche Rundfunk:

http://www.wdr.de/themen/freizeit/brauchtum/weihnach…

Diese Vermischung ist durch die „Entwertung“ des Nikolaus zusammen mit den anderen Heiligen eine deutsch-protestantische Angelegenheit. Das Beschenken von Kindern ist in der Legende vom St. Nikolaus die Geschichte, wo dieser ein paar arme, aber fromme Mädchen heiratsfähig gemacht hat, indem er ihnen heimlich einiges Gold für die Mitgift zum Fenster hineingeworfen hat. Auf Protestantisch kann man dem Heiligen einen so bedeutenden Job nicht lassen. Nun ist ein neugeborener Säugling trotz aller Wundertätigkeit kaum mit einem großen Sack voller DVD-Player, Digitalkameras, Krawatten, Märklineisenbahnen und Espressomaschinen vorstellbar, da muss schon ein robusteres Mannsbild her. Und so durfte der kurios unreligiös umgebaute Quasi-Nikolaus zu Weihnachten halt überleben.

Aus benachbartem orthodoxen Kulturkreis ist mir bekannt, dass die Bescherung als Erinnerung an die Geschenke der Drei Könige anlässlich ihres Besuches an der Krippe pünktlich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Mutter nicht mehr unrein war, noch lange Zeit zu Epiphanias stattgefunden hat und erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mit dem mitteleuropäischen Weihnachtstermin zusammengelegt wurde. Dort (in der Gegend des Eisernen Tors) übrigens noch mehr Brauchtum, welches volkstümliche Parallelen zum Weihnachtsevangelium herstellt: Etwa die, dass in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember niemand im Stall sein darf, weil die Tiere zur Erinnerung an ihre Anwesenheit im Stall zu Bethlehem in dieser Nacht sprechen können und einander von der Geburt Christi erzählen, und dabei nicht belauscht werden dürfen… - Aber das wird endgültig zu weitschweifig.

Persönliche Erinnerung von mir übrigens, dass von meinen ziemlich stur evangelisch erzogenen Eltern der Weihnachtsmann als heidnisches Gräuel abgelehnt wurde, und dass die wundersame Bescherung durch das neugeborene Kind immer hinter geschlossenen Türen stattgefunden hat: Das mit seinem Werk fertig gewordene „Christkind“ hat dann jeweils durch Läuten einer kleinen Glocke angekündigt, dass es jetzt gleich weg ist und man die Tür aufmachen darf.

Schöne Grüße

MM

Kleine Korrektur: No Coke
Hallo Martin,

zu deinem ausführlichen Text ist nicht viel hinzuzufügen, doch glaube ich gehört zu haben, dass der Mythos, wonach die Weihnachtsmannfarben diejenigen von Coke sind, nicht so ganz stimmt. Eine kurze Recherche im Netz dazu ergibt als ersten Hinweis:

Erst in den zwanziger Jahren schließlich begann der heute übliche
rot-weiße Weihnachtsmanndress über die anderen Farben zu dominieren.
Am 27. November 1927 schrieb die New York Times: „Ein
standardisierter Santa Claus erscheint den New Yorker Kindern.
Größe, Gewicht, Statur sind ebenso vereinheitlicht wie das rote
Gewand, die Mütze und der weiße Bart.“

http://www.weihnachtsstadt.de/brauchtum/allgemein/We…, siehe auch
http://www.4managers.de/01-Themen/…%5C10-Inhalte%5C…
Coke kam erst 1931 zum Zug.

Bestimmt hatten wir das bei WWW auch schon mal, und ich glaube, dass auch die ZEIT mal darüber geschrieben hat.

Viele Grüße, Bernhard

Hallo Bernhard,

ja, da hast Du allerdings recht, offenbar wird die Sache durch häufiges Wiederholen nicht richtiger. Peter Bergmann hat grade den Artikel aus der Zeit im „Sonstigen“ zitiert.

Damit wird die seltsame Uniform des „Weihnachtsmannes“ umso interessanter.

Sein Stiefvetter Nikolaus trägt üblicherweise auch den roten Überwurf. Ist da am Ende noch ein anderer, nämlich der rheinische Kinderfreund St. Martin im römischen Offiziersmantel im Spiel? Oder schlicht der Purpurmantel, der ob seines wertvollen Farbstoffes hohen und höchsten Herrschaften vorbehalten ist?

Schöne Grüße

MM

Hallo Martin,

ich glaube ja auch erst, was ich gesehen habe; daher also erst dann wenn ich jenen vielzitierten NY-Times-Artikel von 1927 vor Augen habe.
Interessant übrigens auch die pfälzerischen Wurzeln des Santa Claus (http://www.zeit.de/2002/50/A-Nast)

Und damit kommen wir zu deiner Frage

Ist da am Ende noch ein anderer, nämlich der
rheinische Kinderfreund St. Martin im römischen
Offiziersmantel im Spiel?

die hier jedoch unbeantwortet bleibt.

Oder schlicht der Purpurmantel, der
ob seines wertvollen Farbstoffes hohen und höchsten
Herrschaften vorbehalten ist?

Das mit dem Bischofsmantel und dem Purpur ist schon ein interessanter Gedanke, aber die Standardisierung der Farben ist ja ein Phänmen unseres Jahrhunderts, greift also wohl kaum auf antike Traditionen zurück. Erfrischend übrigens dieses Jahr dass es ausser den rot-weissen Hängepuppen auch verstärkt mal Weihnachtsmänner in anderen Farben gibt.

Bernhard

1 Like

Servus,

und schönen Dank für den Artikel, der klar und erfreulich vom Tertiären ins Sekundäre leitet. Diese Richtung ist sehr fein, und bis zum Primären vorzudringen eine Mühsal, die man wohl den eigentlichen Weihnachtsmann-Fetischisten überlassen soll.

Hierzu

Erfrischend übrigens dieses
Jahr dass es ausser den rot-weissen Hängepuppen auch verstärkt
mal Weihnachtsmänner in anderen Farben gibt.

noch ein Vorschlag:

Wenn ich mir die grauslichen Puppen anschaue, kommen eigentlich bloß zwei mögliche Uniformen in Frage:

Beleibter Herr in den besten Jahren, der viel sportlicher ist, als man glauben würde, wenn man seine Statur sieht. Festes Schuhwerk und Dienstmütze. Also

  1. THW-grauer Overall

oder

  1. Marineblaue Jacke, dunkelgraue Hose, weiße Dienstmütze der weiland Bahnpolizei. Die Leute sahen aus wie Butterfahrten-Kapitäns auf Landurlaub, aber die meisten konnten wetzen wie sonstewer…

In diesem Sinne

MM

Erst in den zwanziger Jahren schließlich begann der heute übliche
rot-weiße Weihnachtsmanndress über die anderen Farben zu dominieren.
Am 27. November 1927 schrieb die New York Times: „Ein
standardisierter Santa Claus erscheint den New Yorker Kindern.
Größe, Gewicht, Statur sind ebenso vereinheitlicht wie das rote
Gewand, die Mütze und der weiße Bart.“

Hallo,
ich hatte als Kind eine uralte Ausgabe des „Struwwelpeter“ (aus den 20er Jahren), in dem ja auch ein „großer Nikolas“ vorkommt (Die Story mit den bösen Buben). Wenn ich mich recht erinnere, hatte er eine braune Kutte an. In heutigen Ausgaben ist die Kutte allerdings rot.

Grüße
Eckard

Oder doch ein bisschen Coke.

Da Coca-Cola wohl das bekannteste us-amerikanische Produkt ist, hat die weihnachtliche Coca-Cola-Werbung diese rotgewandete, weißpelzbesetzte, Bademantel tragende, bierbäuchige, pausbackige, rotnasige, weißbärtige Figur in der ganzen Welt bekannt gemacht.

Auch in Japan und Korea und sonst überall.

Gruß Fritz

Hofmanns Nikolas
Hallo, Eckart,

das wäre wirklich interessant!

ich hatte als Kind eine uralte Ausgabe des „Struwwelpeter“
(aus den 20er Jahren), in dem ja auch ein „großer Nikolas“
vorkommt (Die Story mit den bösen Buben). Wenn ich mich recht
erinnere, hatte er eine braune Kutte an. In heutigen Ausgaben
ist die Kutte allerdings rot.

Ich kenne den großen Nikolas mit seinem großen Tintenfass nur rot; es ist allerdings ein ins Bräunliche spielendes Rot.

Könntest du den braunen Mantel irgendwie belegen?

Grüße
Fritz

Hallo Fritz,

mich wuerde das von Eckard erinnerte Braun auch
interessieren.

Und schnell noch fragen, ob es bei euch auch so war:
bei uns kam bei Adventsfeiern ja immer der Nikolaus
UND der Knecht Ruprecht. Und der Nikolaus war rot
gekleidet (aber nicht Coca-Cola Rot) und Knecht Ruprecht
(mit der Rute) braun.

Nebenbei: ich hab am Nikolaustag immer eine Rute mit
Suessigkeiten drin gekriegt. Fuer nur Suessigkeiten war
ich wohl nicht brav genug.

Gruesse
Elke

Frühkindliche Schocks
Hallo, Elke,

bei uns kam bei Adventsfeiern ja immer der Nikolaus UND der Knecht Ruprecht. Und der Nikolaus war rot gekleidet (aber nicht Coca-Cola Rot) und Knecht Ruprecht (mit der Rute) braun.

Bei uns trug der Nikolaus die klassischen Messgewänder, also Albe und Kasel, die nicht immer rot war, mit Mitra und Bischofsstab.
Der Knecht Ruprcht war meist irgendwie dunkel, schwarz oder braun oder gemischt, gekleidet und mit Sack und Rute und Ketten sah der immer recht grausig aus.
Ich erinnere mich an einen, der einen Sack trug, aus dem zwei bestrumpfte Beine guckten. Frühkindlicher Schock garantiert!

Gruß Fritz

Hallo, Eckar d ,

Wenn ich mich recht
erinnere, hatte er eine braune Kutte an. In heutigen Ausgaben
ist die Kutte allerdings rot.

Hallo, Fritz, das kann ich sogar mit Hilfe des Internet!
vgl:
http://www.fln.vcu.edu/struwwel/bub.html
http://gutenberg.spiegel.de/hoffmanh/struwwel/struww…
http://www.struwwelpeter.com/SP/niko3.html
Neben meinem Ellbogen liegt ein Exemplar des „Shockheaded Peter“, der ja das englische Pendant zum Struwwelpeter ist. Auch darin ist das Gewand des Nikolas ein leuchtendes, knalliges Rot.

Grüße
Eckard

Hallo, Eckar d ,

Sorry, soll nicht wieder vorkommen!

Das Rot sieht ziemlich braun aus, aber ich würde es noch als rot ansprechen.

Gruß Fritz

Hallo Martin!

Auf so eine tolle Antwort habe habe ich nicht zu hoffen gewagt. Dafür vielen herzlichen Dank und, selbstverständlich ein Sternchen von mir!!!

Ansonsten finde ich Dein Beitrag hochinteressant. Einiges habe ich bereits gewußt (zB. die Anlehnung Weihnachten-Nachtwende, die Made in Coca Cola Farben der Santa Claus…), aber das meiste war mir nicht bekannt.

Also dann,nochmals vielen herzlichen Dank und wunderschöne Feiertage wünscht Euch,
Helena

Hi Ralf!

Auch Dir vielen herzlichen Dank für Deine Antwort.

Was du sagst leuchtet mir ein und Deine Links sind auch sehr gut.

Dafür, nochmals, vielen Dank und ein Sternchen von mir! :o)))

Einen besinnlichen Weihnacht und einen tollen Rutsch ins 2005!
Helena

Vielen herzlichen Dank an alle!
Hallo Experten!
Vielen herzlichen Dank an alle, die mir eine Antwort gegeben haben!
Es ist schön zu sehen wieviel Mühe sich Menschen geben um anderen zu helfen!
Also nochmals Dankeschön und einen besinnlichen Weihnacht!
Helena

Bitte ohne Beleidigungen!