Hallo Dennis!
…was passiert, wenn der Iran kein Erdöl mehr hat?
Genau diesen Punkt erwähnte ich in meiner vorigen Antwort. Rohstofflieferanten müßten alles verfügbare Geld in die Entwicklung ihrer Infrastruktur und die Bildung ihrer Bevölkerung investieren. Letzteres verträgt sich nicht mit religiös-fundamentalistischen Regimes und die Notwendigkeit nachhaltiger Wirtschaftentwicklung setzt einerseits Breitenbildung voraus und wurde andererseits vernachlässigt, weil ja genug Bodenschätze vorhanden sind, die für den Moment und für eine dünne wohlhabende Schicht keinen Leidensdruck entstehen läßt. Einige Ölländer setzen auf Ferntourismus. Ich habe meine Zweifel, ob das der geeignete Weg ist, um auf die Dauer mit frommen Analphabeten über die Runden zu kommen. Länder wie der Iran machen gar nichts, leben von der Hand in den Mund. Eine Weile werden die Einnahmen aus dem Ölgeschäft aufgrund steigender Nachfrage und damit steigenden Preisen ebenfalls ansteigen, bis der Preis hoch genug ist, um Einsparpotentiale und Substitution des Öls in größerem Umfang rentabel werden zu lassen. Der Zeitpunkt ist nicht mehr fern.
Sobald die Einnahmen aufgrund Erschöpfung der Ressourcen, Substitution des Öls und Nutzung von Sparpotentialen rückläufig werden, fallen die Förderländer in noch drückendere Armut, als sie es ohnehin schon sind. Bau und Kauf von Rüstungsmaterial wird den Ablauf beschleunigen, denn die wirksamste Methode zur nutzlosen Versenkung von Wirtschaftskraft ist der Kauf von Militärspielzeug. Außer zum Verrotten ist das Zeug für nichts zu gebrauchen. Es ist keine Investition, die der Volkswirtschaft in irgend einer Weise nützlich sein kann. Das gilt, seit Eroberungskriege und Raubzüge sinnlos geworden sind, weil es außer Bodenschätzen nichts mehr gibt, was zu rauben lohnt. Das Wertvollste, nämlich Hirnschmalz, läßt sich mit Gewalt nicht nutzbar machen. Die Motivation früherer Eroberer, Arbeitssklaven zu bekommen, gibt es nicht mehr. Jeder ist vielmehr froh, nicht zu viele solcher Menschen an der Backe zu haben, die außer Muskelkraft nichts bieten.
Was zu rauben lohnt, hat ein Ölförderland wie der Iran selbst. Sollen die ihre einzige Einnahmequelle, nämlich ihre Kunden, bedrohen? Zu behaupten, von solchem Land ginge militärische Gefahr aus, ist deshalb unsinnig. Die Öleinnahmen bewegen sich insgesamt in mit Müh und Not zweistelliger Mrd.-Größenordnung. Das bißchen Geld wird in der Hauptsache für lebensnotwendige Dinge gebraucht. Für größere militärische Träume gibt es keinen Spielraum, wenn man von neuen Fahrrädern und brauchbare Schuhe für einzelne Truppenteile einmal absieht. Die kühnsten Träume handeln dort von ein paar Ersatzteilen für hoffnungslos veraltete Maschinen und Fahrzeuge, die aufgrund von Embargomaßnahmen nicht ins Land kommen.
Wir sollten inzwischen gelernt haben, richtig zu verstehen, wenn von der Bedrohung durch bitterarme Teufel die Rede ist. Wir sollten auch lautes Gertöse solcher bitterarmen Teufel richtig einordnen können. Schon vergessen, welche Gefahr durch die Rote Armee bei uns über Jahrzehnte an die Wand gemalt wurde und schon vergessen, wieviele Leute auf dieser angeblichen Gefahr ihr Süppchen kochten? Als sich Rußland Ende der 80er langsam zu öffnen begann, konnte man mit kalkulierbarem Risiko vorgegebene Touristenwege in Rußland verlassen, sich das Land ansehen, Kontakt zu Menschen aufnehmen, sofern man zuvor die Armani-Brille weggesteckt hatte, um nicht sogleich als Westtourist erkannt zu werden. Dann bekam man mit, wie Soldaten ängstlich Ausrüstungsgegenstände verhökerten, weil sie Hunger hatten. Dann bekam man abseits des Roten Platzes in Seitenstraßen der Moskauer Innenstadt für uns unvorstellbare Armut als Normalzustand mit. Dann sah man in für russische Verhältnisse Edelgeschäften eine Auswahl an z. B. Klamotten, die ohne weiteres von dem an Menge und Vielfalt getoppt wurde, was man als Westtourist im Reisekoffer hatte. Heute wissen wir, daß in den uns angeblich bedrohenden Streitkräften vor allen Dingen die Kunst gefragt war, aus 3 Fahrzeugen ein funktionierendes zu machen, damit überhaupt noch irgendwas lief, weil es an allem fehlte. Entsprechend geprägte Menschen z. B. in Ostdeutschland, haben die einstigen Fähigkeiten bis heute bewahrt. So gab kürzlich eine in der Region ansässige Werbeagentur einen Flyer heraus, in dem stolz mitgeteilt wurde, man wäre jetzt eine Geschäftspartnerschaft mit Siemens eingegangen. Richtig ist, ein für Siemens tätiger Betrieb hatte ein Schild aus Kunststoff in Auftrag gegeben, das mit Schriftfolie zu bekleben war. Aussagen hiesiger Politiker sind mit ähnlicher Vorsicht zu genießen, man muß sie zu interpretieren verstehen. Ebenso verhält es sich, wenn arme Teufel im Iran erzählen, sie seien jetzt im Club der Atommächte angekommen. Richtig ist, es gelang die Herstellung einer Mini-Labormenge angereicherten Urans.
Länder wie Nordkorea sind ähnlich arm wie der Iran. In der letzten Dekade gab es dort sogar Hungertote. Vermutlich auch aufgrund wirtschaftlicher Zwänge kommt es in den letzten Jahren zur Annäherung von Süd- und Nordkorea. Dabei gehört Südkorea zu den Schwellenländern mit vergleichsweise starker Wirtschaft, während Nordkorea der arme Nachbar ist. Nun demonstriert man wenigstens militärisches Potential, wenn man schon sonst nichts zu bieten hat und für den stärkeren Nachbarn im Fall weiterer Annäherung ein Hilfsempfänger wäre.
Nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte beruhten insbesondere von den USA behauptete Bedrohungen regelmäßig auf Lügen zur Rechtfertigung eigener militärischer Aktionen. So kann ich mir durchaus Leute vorstellen, die notfalls mit Gewalt Einflußnahme in einer Region mit den größten Öl- und Gasvorkommen der Erde haben wollen. Eine ernst zu nehmende Bedrohung durch die armen Schlucker im Iran, die im Ernstfall nicht mal genug Sprit hätten, so gut wie keine Einnahmen und Industrietätigkeit in vernachlässigbarem Umfang, kann ich mir nicht vorstellen. Ich kann mir auch keine ernsthafte Bedrohung durch Norkorea vorstellen. Die sind froh, wenn sie mal halbwegs satt werden und haben ganz andere Sorgen.
Gruß
Wolfgang