Notfallverfahren bei Ausfall der Pitot-Sonden

Hallo Experten,

was besagen denn die Vorschriften, wie Piloten unter IFR-Bedingungen auf einen Ausfall bzw. unplausible Werte der Pitot-Sonden zu reagieren haben?

Danke schon mal
Martin

Vorschiften? Je nach Hersteller - im Grunde ist es aber immer das selbe, egal wie das Kind (z.B. „Unreliable Airspeed“) heißt: Fliegen nach Pitch und Power, herausfinden, ob es noch eine funktionierende Sonde gibt (derer drei es ja in der Regel gibt: FO, CPT, STBY), Nutzung sekundĂ€rer Hilfsmittel (z.B. GPS-Groundspeed, ATC Groundspeed, GPS-Altitude, ATC altitude (kann teilweise das MilitĂ€r), Weather Radar Ground return, parallel fliegende Flugzeuge) und Flug zum nĂ€chsten Flugplatz.
Alles in allem ein ausgesprochen hĂ€ĂŸlicher Fehler an dem das schweste ist, ihn zu erkennen! Oftmal kombiniert mit (anfangs) unklaren SekundĂ€rfehlern, die den Stresslevel erhöhen. Ist man aber erstmal auf dem richtigen Dampfer, ist es eigentlich gut zu beherrschen.

Gruß,

Nabla

Nabla kennt das ja aus der Praxis, sofern kann ich da nur Theorie beisteuern:

  • das erste ist quasi erstmal das Flugzeug weiterfliegen und eine sichere „Fluglage“ halten, weil das bei Airliner nicht oder nur extrem schwer nach GefĂŒhl geht, gibt es solche „Memory Items“ wie das angesprochene Pitch and Power, hier wird pauschal Schub gesetzt und die Nase „angestellt“. Damit fliegt man aber nicht die restlichen 1500Meilen nach Hause sondern sie dient zum ĂŒberbrĂŒcken der Zeit, bis man eine Lösung gefunden und das Problem behoben/eingekreist hat.
  • Bei neueren Airbussen (von Boeing kenne ich es jetzt nicht) gibt es auch die Möglichkeit alle Luftdatenrechner (welche ja fĂŒr die Geschwindigkeitsbestimmung ĂŒber die Sonden zustĂ€ndig sind) abzuschalten, dann errechnet der Fluglagerechner anhand des Anstellwinkels eine „in etwa“ Geschwindigkeit (nur ein grĂŒnes und rotes Band) und zeigt sie dort an, wo normalerweise die richtige Geschwindigkeit steht.
    Die Air France hatte das meines Wissens aber nicht verbaut.

Als kleine Zusatztinfo: man kann nciht einfach die Geschwindigkeit der internen Navigationsrechner oder die des GPS 1 zu 1 anstatt der Luftdaten nehmen, weil es sich bei den Luftdaten auch immer um eine Information der aerodynamsichen VorgÀnge am Flugzeug handelt. Die angezeigte (aus Luftdaten berechnete) Geschwindigkeit ist im Reiseflug sehr weit von der zb. GPS Geschwindigkeit entfehrnt, teilweise ~30% Abweichung, dennoch ist diese vermeidlich falsche Gescwindigkeit die wichtige.

Danke schon mal fĂŒr die Antworten. Und gleich eine Zusatzfrage:

Die im FMC angezeigte Ground Speed stammt ja vermutlich aus dem GPS. Aber woher bekommt der FMC die Daten der Windkomponenten? Errechnet er sich das selbst aus IAS und GS?

Martin

Im Prinzip ja, allerdings errechnen die Luftdatenrechner aus der IAS/CAS erstmal die TAS (True Airspeed) und diese verglichen mit der GS ergibt dann die Windkomponenten und deren Vektor.
GS kommt von GPS, IRS, DME/VOR ect. (i.d.R. ein bunter Mix aus allem, je nachdem wie stark die zuverlĂ€ssigkeit der einzelnen Daten gewertet wird, wobei VOR/DME recht weit oben auf der Liste steht, dann GPS und irgendwann auch mal die IRS. Letztere ist technisch gesehen wohl die aufwĂ€ndigste und „fehlerbehafteste“ Navigationsquelle)

Um es etwas zu prĂ€zisieren: Neben den Geschwindigkeiten wird natĂŒrlich auch noch der Driftwinkel benötigt, also der Winkel zwischen Heading (Flugzeugrichtung) und Track (Bewegungsrichtung), sonst ergĂ€be es keine Sinn.

Zur Navigation: Jein! Klassisch ist immer das IRS das Instrument, das die Position berechnet. Das IRS ist mit Abstand kurzfristig am genauesten, hat jedoch wie schon geschrieben SchwĂ€chen (=Drift) ĂŒber lĂ€ngere Strecken, da es jede Positionsberechnung auf der letzten aufbaut (Koppelnavigation) und sich Fehler damit aufsummieren.
Um diese Driftraten zu eliminieren braucht man Korrekturwerte, die evtl. kurzfristig nicht so prĂ€zise sind dafĂŒr aber langfristig stabil. Anfangs wurden dazu Funkfeuer genommen, mittlerweile aber fast durchgehend GPS - wenn vorhanden.
Bei entsprechender Genauigkeit der EmpfĂ€nger wird sogar oftmals „GPS Primary“ geschaltet.

Gruß,

Nabla