Nürnberger Prozesse und Bundesgerichtshof

Hallo,

habe eine Frage an alle Geschichtskundigen.

Stimmt es, daß der Bundesgerichtshof die Kriegsverbrecherprozesse bzw. deren Urteile nicht anerkannt hat? Ich habe es neulich beim Durchzappen der Programme im BFS gelesen und war basserstaunt. Hab leider keine weiteren Details mitbekommen.

Wer kann mich diesbezüglich aufklären?

Danke im Voraus!

Beste Grüße

|beso

Hallo,

kann er auch nicht.

weik das ein paar sehr unangenehme Konsequenzen für einige sehr ranghohe Leute gehabt hätte.

Das Nürnberger Tribunal hat ja verschiedene NS-Organiationen für verbrecherisch erklärt. Die SS zum Beispiel.
Eine Anerkennung dieses Urteiles hätte also bedeutet, daß den ehemaligen SS-Amgehörigen ihre Zeit dort nicht auf die Rente angerechnet hätte werden dürfen. Dann wäre auch eine Umrechnung und Anerkennung der SS-Dienstgrade in normale Armeedienstgrade nicht gegangen. Eine Anerkennung der Hitlerschen Volksgerichte als verbrecherisch hätte bedeutet, daß die dort tätigen Juristen nicht so ohne Weiteres in den Staatsdienst der BRD häten übernommen werden dürfen - und zudem hätten auch denen die Anrechnunsjahre für die Rente gefehlt.
Im umgekehrten Sinne wären aber die Urteile dieser Gerichte dann nicht mehr rechtskräftig gewesen - es hätte Schadensersatzansprüche gegeben. Aber in der realität ist es ja bis heute so, daß ein wegen Fahnenflucht zum Tode Verurteilter der letzten Kriegstage immer noch als rechtmäßig verurteilt gilt.
Und es hätte dann schon damals Schadensersatzansprüche der ganzen Zangsarbeiter etc. gegeben. Denk doch mal an das unwürdige Geschachere vor ein paar Jahren um diese Frage.
Und so ist es denn heute noch so, daß zB. ein Litauer, der damalös freiwillig in der SS gedient hat, Anspruch auf eine deutsche Rente hat und der Litauer, der sein Land verteidigt hat und zur Zwangsarbeit nach deutschland verpflichtet wurde, hat diesen Anspruch nicht.
Es ist politisch eine Sauerei - zugegeben. Aber die BRD wollte nun mal bei ihrem Neuanfang auf die alten Nazis als Staatsdiener nicht verzichten und denen eine möflichst ungebrochene Dienstlaufbahn verschaffen.

Gernot Geyer

Hallo

kann er auch nicht.

weik das ein paar sehr unangenehme Konsequenzen für einige
sehr ranghohe Leute gehabt hätte.

der Grund warum er es nicht kann ist noch viel einfacher:

der Nürnberger Prozess und seine Urteile stehen z.T. im Widerspruch zur deutschen Rechtssprechung (z.B. verbietet das Grundgesetz die Todesstrafe, Straftaten müssen zur Tatzeit bereits Straftaten sein usw.)

Und so ist es denn heute noch so, daß zB. ein Litauer, der
damalös freiwillig in der SS gedient hat, Anspruch auf eine
deutsche Rente hat und der Litauer, der sein Land verteidigt
hat und zur Zwangsarbeit nach deutschland verpflichtet wurde,
hat diesen Anspruch nicht

ich glaube nicht daß die Litauer die SU als ihr Land ansehen

Gruß

Danke!
Hallo Gernot,

Danke für die ausführliche und schlüssige Antwort!

BG

|beso

Hallo,

der Nürnberger Prozess und seine Urteile stehen z.T. im
Widerspruch zur deutschen Rechtssprechung (z.B. verbietet das
Grundgesetz die Todesstrafe, Straftaten müssen zur Tatzeit
bereits Straftaten sein usw.)

Das Grundgesetz trat 1949 in Kraft und da heisst es lapidar in Artikel 102: Die Todesstrafe ist abgeschafft. Und bis 1949 wurden noch Deutsche durch deutsche Gerichte zum Tod verurteilt und auch hingerichtet.
Was die „Unrechtmässigkeit“ der Nürnberger Prozesse angeht, so hätten die auch nach deutschem recht stattfinden können, Ergebnis wäre wohl ähnlich gewesen, denn im III. kam es zur Inflation von Todesurteilsgründen.
Aber ohne Nürnberg gäbe es jetzt nicht den Internationalen gerichtshof in NL.
Gruss
Rainer

Hallo Gernot,

Aber in der realität ist es ja bis heute so, daß ein wegen
Fahnenflucht zum Tode Verurteilter der letzten Kriegstage immer
noch als rechtmäßig verurteilt gilt.

m.W. gab es Mitte der 90er einen Beschluss des Bundestag der dies geändert hat.

Ciao maxet.

Hallo Rainer

der Nürnberger Prozess und seine Urteile stehen z.T. im
Widerspruch zur deutschen Rechtssprechung (z.B. verbietet das
Grundgesetz die Todesstrafe, Straftaten müssen zur Tatzeit
bereits Straftaten sein usw.)

Das Grundgesetz trat 1949 in Kraft und da heisst es lapidar in
Artikel 102: Die Todesstrafe ist abgeschafft. Und bis 1949
wurden noch Deutsche durch deutsche Gerichte zum Tod
verurteilt und auch hingerichtet.

Der Bundesgerichtshof besteht aber erst seit 1950 und trifft seine Entscheidungen auf Basis des Grundgesetzes. Von daher kann es keine Todesurteile anerkennen, oder?

Was die „Unrechtmässigkeit“ der Nürnberger Prozesse angeht, so
hätten die auch nach deutschem recht stattfinden können,
Ergebnis wäre wohl ähnlich gewesen, denn im III. kam es zur
Inflation von Todesurteilsgründen.

ich meinte natürlich, daß die Nürnberger Prozesse im Widerspruch zur bundesdeutschen Rechssprechung stehen (es ging ja auch um den Bundesgerichtshof). Die Parallelen zwischen (Un-)Recht im III. Reich und den Nürnberger Prozessen hast Du jetzt gezogen.

Gruß

Hallo!

Die Parallelen zwischen
(Un-)Recht im III. Reich und den Nürnberger Prozessen hast Du
jetzt gezogen.

Trau dich, sag mehr. Ach, wie spannend!

Herzliche Grüße aus Nürnberg

Herzliche Grüße nach Nürnberg,

tut mir leid, aber da mußt Du Dich an Rainer wenden:

Was die „Unrechtmässigkeit“ der Nürnberger Prozesse angeht, so
hätten die auch nach deutschem recht stattfinden können,
Ergebnis wäre wohl ähnlich gewesen, denn im III. kam es zur
Inflation von Todesurteilsgründen.

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Servus!

Aber in der realität ist es ja bis heute so, daß ein wegen
Fahnenflucht zum Tode Verurteilter der letzten Kriegstage immer
noch als rechtmäßig verurteilt gilt.

m.W. gab es Mitte der 90er einen Beschluss des Bundestag der
dies geändert hat.

Das stimmt (der Bundestag reagierte damit auf ein BGH-Urteil vom 16.November 1995).
Damit wurden aber nicht die Beschlüsse des Nürnberger Gerichtshofs anerkannt (nur die Unrechtsnatur der NS-Rechtssprechung).
Und ich bin mir - mit mehreren anderen www´lern hier - nicht sicher, ob das überhaupt nötig ist. Denn in Nürnberg sassen schließlich die Sieger des II.WK zu Gericht über die besiegten deutschen NS-Größen. Ergo war dies internationale Rechtssprechung. Bin kein Jurist, aber wie sieht das generell aus mit internationaler und nationaler Rechtssprechung?
Wenn der BGH die Nürnberger Urteile „anerkennt“, was heisst das?
Die Urteile von Nürnberg wurden meines Wissens nie vom BGH in Frage gestellt, ist das nicht auch schon „Anerkennung“?

VG
Christian

Hallo,

Auszug aus dem Überleitungsvertrag von 1954;

Artikel 7
(1) Alle Urteile und Entscheidungen in Strafsachen, die von einem Gericht oder einer gerichtlichen Behörde der Drei Mächte oder einer derselben bisher in Deutschland gefällt worden sind oder später gefällt werden, bleiben in jeder Hinsicht nach deutschem Recht rechtskräftig und rechtswirksam und sind von den deutschen Gerichten und Behörden demgemäß zu behandeln.

(2) Die deutschen Behörden werden Personen - mit Ausnahme der Mitglieder der Streitkräfte (nach der Definition im Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland), die von einem der in Absatz (1) dieses Artikels erwähnten Gerichte verurteilt sind oder künftig verurteilt werden oder in Untersuchungshaft gehalten werden, bis zur Beendigung ihrer Strafe in deutschen Haftanstalten in Haft halten.

Gruß,
Dea

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