Guten morgen,
Bleibt die Frage: Warum geht ein vermeintlich engagierter
Politiker nicht in einem Bundesland in die „Lehre“?
das hat er ja im Prinzip gemacht. Er war lange in der Jungen Union NRW aktiv und vier Jahre ihr Vorsitzender. Parallel war er aber auch seit 1994 im Bundestag (witzigerweise über ein Direktmandat in einem Wahlkreis im Rhein-Sieg-Kreis, in dem er für die Landtagswahl nicht kandidieren wollte) und von 2000-2009 stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe im Bundestag.
Er war also gleichermaßen im Bund wie in NRW politisch aktiv. Dagegen hat auch keiner was, nur ist es halt unklug, hier einen auf Landesvater machen zu wollen aber sich nicht auf das Land festzulegen. Das wird als opportunistisch wahrgenommen. Außerdem steht NRW sowieso schon ein bißchen auf Kriegsfuß mit dem politischen Berlin.
Das kommt natürlich einerseits daher, daß die Bundeshauptstadt früher in NRW lag aber vor allem daher, daß es hier in den letzten rd. 15 Jahren regen Verkehr zwischen Düsseldorf und Berlin gegeben hat. Hier sind insbesondere Rau, Clement und Steinbrück zu nennen, die allesamt nach verloreren Wahlen (bzw. nachdem sie weggemobbt worden waren) für andere Jobs nach Berlin tigerten.
Daß nun einer mit einem vermeintlich sicheren Ministerposten im Gepäck kurz für eine Landtagswahl vorbeischaut, ohne sich darauf festzulegen, ob bzw. daß er anschließend auch als Oppositionsführer zur Verfügung steht, kam nicht gut an und läßt Zweifel daran aufkommen, daß ihm vor allem am Land gelegen ist als an einem Sprungbrett für weitere Karriereschritte in Berlin.
Man kann es auch noch anders betrachten: Röttgen war als CDU-Vorsitzender in NRW und stellvertretender Vorsitzender der Bundes-CDU der natürliche Interessenvertreter des Landes im Bund. Anstatt dem Land zu dienen, hat er aus der Landtagswahl nur eigene Vorteile ziehen wollen - ohne die möglichen Konsequenzen in Kauf zu nehmen.
Mich widern diese Typen zunehmend mehr an, die aufgrund von
Proporzgründen, noch schlimmer, Vasallentreue zur Kanzlerin
ihre Jobs bekommen.
Naja, daß Fachwissen nicht unbedingt den Ausschlag für die Besetzung eines politischen Postens gibt, ist nichts neues. Bleiben noch Linientreue und Fähigkeiten in typischen Politikerdisziplinen. Insofern ist es ja keine Überraschung, daß das Wohlwollen der Kanzlerin ein wichtiges Kriterium darstellt.
Was mich mehr stört, ist dieses ständige Schielen auf die persönlichen Vorteile. Hier seien - ergänzend zu Kollege Röttgen - nur mal Ypsilanti und die nach ihr benannte Kraftilanti genannt. Kraft hatte vor der vorletzten Wahl immer und immer wieder beteuert, sie würde niemals mit den Linken… Und siehe da: es wurde keine Koalition mit der Linken, sondern eine rot-grüne Minderheitsregierung, die überraschenderweise nicht von CDU oder FDP gestützt wurde, sondern von der Linken.
Die blöden Wähler hatten das natürlich am Sonntag wieder vergessen; so ist das halt mit dem Langzeitgedächtnis der Wähler. Nur sind wir hier alle mal gespannt, wann Frau Kraft doch ihr Heil in Berlin sucht. Könnte aber sein, daß das bei der nächsten Bundestagswahl gravierende Auswirkungen auf das Wahlergebnis der SPD in NRW hätte.
So oder so: es scheint in inzwischen absolut out zu sein, Oppositionsführer zu sein, wenn woanders (d.h. in Berlin) ein netter Posten zur Verfügung steht. Und das geht mir ganz gehörig auf den Zeiger und wie man hört, auch ein paar anderen Wählern. Es ist halt wieder ein bißchen Glaubwürdigkeit verloren gegangen.
Wenn mir ein Bundesland so sehr am Herzen liegt, daß ich unbedingt Ministerpräsident werden will, dann bleibe ich halt mal ein Weilchen - auch in der Opposition - und versuche nicht, am Ende möglichst kein Landtagsmandat zu haben, das mich zumindest moralisch verpflichten würde, im Landtag abzuhängen, ohne auf der Regierungsbank zu sitzen. Mal davon abgesehen, daß das Weilchen gar nicht mal so lang sein muß. Wie lange die neue rot-grüne Regierung hält, ist ja überhaupt nicht abzusehen.
Gruß
Christian