Nur der Irrtum ist das Leben

"Nur der Irrtum ist das Leben,

und das Wissen ist der Tod."

(Schiller)

Wie muss man Schiller interpretieren?

Mike

Hi.

„Nur der Irrtum ist das Leben,
und das Wissen ist der Tod.“
Wie muss man Schiller interpretieren?

Keine Ahnung, ob du hier nur den Jauch spielen willst, aber hier ist ´ne Antwort.

Die relevanten Verse lauten:

Frommt’s, den Schleier aufzuheben,
Wo das nahe Schrecknis droht?
Nur der Irrtum ist das Leben,
Und das Wissen ist der Tod.

Nimm, o nimm die traur’ge Klarheit,
Mir vom Aug’ den blut’gen Schein!
Schrecklich ist es deiner Wahrheit
Sterbliches Gefäß zu sein.

Meine Blindheit gib mir wieder
Und den fröhlich dunklen Sinn!
Nimmer sang ich freud’ge Lieder,
Seit ich deine Stimme bin.
Zukunft hast du mir gegeben,
Doch du nahmst den Augenblick,
Nahmst der Stunde fröhlich Leben -
Nimm dein falsch Geschenk zurĂĽck.

Kassandra, eine Frau aus dem trojanischen Königshaus, erhält von Gott Apollon die Gabe der Vorhersehung. Als sie sich dem Gott sexuell verweigert, straft dieser sie mit dem Fluch, dass keiner ihr Glauben schenkt, wenn sie eine Vorhersehung verkündet.

Das Zitat bezieht sich darauf, dass Kassandra unter der ihr verliehenen Gabe leidet - aber nicht, weil ihr keiner glaubt, sondern weil das Wissen um die Zukunft ihr jeden Genuss am Gegenwärtigen verdirbt. Was auch unmittelbar einleuchtet - wer kann sich auf die Gegenwart konzentrieren, wenn er um das aus ihr Entstehende weiß?

Mit „Tod“ ist nicht der physische Tod gemeint, sondern einfach die Abwesenheit oder Unmöglichkeit echten, d.h. spontanen, gegenwart-zentrierten Lebens.

Mit „Irrtum“ meint Schiller nicht eine Fehlleistung des Erkennens, sondern „Unwissen“ als einzig mögliche Alternative zum seherischen „Wissen“ Kassandras. Soll heißen: Leben ist nur im Zustand des Unwissens möglich. Wer alles weiß, ist nicht mehr lebens- bzw. genussfähig.

Chan

Hi,

"Nur der Irrtum ist das Leben,

und das Wissen ist der Tod."
(Schiller)

Wie muss man Schiller interpretieren?

Mit Worten … :wink:

Woher stammt die Quelle genau? Aus einem Werk Schillers? Aus einem Brief von ihm? Oder einfach nur ein Spruch?

Je nachdem kann man es anders interpretieren.

mfg,

Hanzo

Die w-w-w-Macke stört die Quellensuche
Moin,

es wäre ein Klacks, die Quelle zu finden. Man braucht eigentlich nur die beiden Zeilen zu kopieren und mit Google die genaue Wortgruppe suchen zu lassen.
Aber die neue Selbstbeweihräucherungsfunktion stört dieses Vorhaben:
Es wurden keine mit Ihrer Suchanfrage - "Nur der Irrtum ist das Leben, und das Wissen ist der Tod. … mehr auf http://w-w-w.ms/a45xpd" - übereinstimmenden Dokumente gefunden.

Irgendwie saublöde, noch blöder als Dieter Nuhr.

GrĂĽĂźe
Pit

1 Like

Hi,

klar könnte ich mich nun mich hinsetzen, recherschieren, welches Werk das ist, das Werk selbst durchlesen und eine Meinung dazu entwickeln.
Nur wenn man schon etwas zitiert, kann man auch eine etwas präziesere Quelle als z.B. „Schiller“ angeben.
Man kann wenigstens mal das genaue Werk noch mit angeben und evtl. ein bisschen mehr Kontext.
Das spart fĂĽr die Antworter Zeit, die sich nicht jeder nehmen wĂĽrde.

mfg,
Hanzo

1 Like

Soll heiĂźen: Leben ist
nur im Zustand des Unwissens möglich. Wer alles weiß, ist
nicht mehr lebens- bzw. genussfähig.

Chan

Danke! Gut ja - das liest sich aber dann wie eine warnung davor zu viel wissen zu wollen.
Schillers Zeit nahm die Warnung der Bibel nicht vom Baum der Erkenntnis zu essen vermeintlich ernst… aber Schiller selbst wird diesen Anspruch zuviel wissen zu wollen/koennen wohl bekANNTLICH NICHT FUER VOLL GENOMMEN HABEN.

Die Ă„pfel des Friedrich Schiller

Gut ja - das liest sich aber dann wie eine warnung
davor zu viel wissen zu wollen.

Es geht aber nur um ein Wissen über zukünftige Ereignisse, nicht um ein auch die Gegenwart und die Vergangenheit betreffendes Detail-Wissen. Der Kontext des Kassandra-Gedichts ist also sehr speziell und geht weit über das hinaus, was gewöhnlichen Menschen überhaupt möglich ist. Von daher sehe ich das Zitat nicht als eine Warnung vor „Vielwisserei“, da dieses auch die oben genannten Zeitdimensionen einschließen würde. Schiller will einfach darauf hinweisen, dass das Hier und Jetzt nur genossen werden kann, weil die Zukunft unbekannt ist - auf nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Schillers Zeit nahm die Warnung der Bibel nicht vom Baum der
Erkenntnis zu essen vermeintlich ernst…

Dieser Baum, meine ich, hat mit dem Kassandra-Mythos nichts zu tun. Im AT heiĂźt es klipp und klar:

Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“ (Gen 3,5)

Es geht also um moralische Erkenntnis. Das schlieĂźt weder ein Wissen um die Zukunft noch irgendwelche Detailkenntnis ĂĽber Gegenwart und Vergangenheit ein.

Einen zufälligen Konnex zum Erkenntnisbaum gibt es aber doch: Schiller hatte die seltsame Gewohnheit, verfaulende Äpfel in seiner Schublade aufzubewahren, weil ihn deren Geruch inspirierte. Diese Info stammt von Goethe.

Chan