Nutzen einer bescheinigten Schwerbehinderung?

Huhu!

Ich bin Schwerhörig, und wenn ich das richtig sehe, reicht das inzwischen für mehr als 50% GdH. (Siehe hier:http://www.bmas.de/portal/30626/property=pdf/versorg…)

Ist natürlich nur selbst überschlagen.

Dank Hörgeräten merke ich von meiner Hörminderung nur wenig im Alltag.
Ich komme halt fast so gut klar wie ein Normalhöriger, was mein Sprachverständniss angeht.

Was für Konsequenzen hätte ein offizieller Schwerbehindertenausweis?
Muß ich das dann bei Bewerbungen angeben?
Mindert das nicht meine Jobchancen?

Viele Grüße!
Ph.

Hallo Scrabz,

Was für Konsequenzen hätte ein offizieller
Schwerbehindertenausweis?

ein Schwerbehindertenausweis bringt dir höhere Steuerfreibeträge, Ermäßigungen bei Eintritten, Hilfsmittel die dir im Beruf dienlich sein können (evl. spezielles Telefon?) sowie - wenn du ihn beim Arbeitgeber angibst - mehr Urlaub und besseren Kündigungsschutz.

Muß ich das dann bei Bewerbungen angeben?

In der Bewerbung nicht. (Kann aber von Vorteil sein.)
Wenn du im Einstellungsgespräch gefragt wirst, ob du einen Schwerbehindertenausweis hast, musst du wahrheitsgemäß antworten.
Wirst du nicht gefragt, kannst du es verschweigen - dann kannst du aber auch nicht von den berufsbezogenen Vorteilen profitieren (klar).

Mindert das nicht meine Jobchancen?

Es gibt natürlich Arbeitgeber, die Bewerber mit Schwerbehindertenausweis nur ungern einstellen.

Jedoch:

  • Dass du eine Hörbehinderung hast, fällt wohl beim Bewerbungsgespräch auf. Wer hier Vorurteile hat, wird dich auch ohne Schwerbehindertenausweis nicht einstellen wollen.

  • Desweiteren dürfte andersherum, da du deine Hörbehinderung nicht verheimlichen kannst, klar sein, wenn du den Schwerbehindertenausweis angibst, wofür er ist. Kaum ein Arbeitgeber wird davon ausgehen, dass du wegen der Hörbehinderung häufiger krank bist (weiß der Arbeitgeber nicht, um welche Art der Behinderung es sich handelt, oder „wirkt“ die Art der Behinderung nach häufiger Krankschreibung, kann er davon ausgehen, dass man häufiger krank ist).

  • Betriebe ab 20 Mitarbeiter müssen mindestens 5 Prozent Schwerbehinderte einstellen (oder eine Abgabe leisten). Es ist klar, dass ein Arbeitgeber solche Schwerbehinderte bevorzugen wird, die einfacher in die Firma integrierbar sind. Als Hörbehinderter (der aber mit Hörgeräten relativ gut zurecht kommt?) wirst du wohl gegenüber einem potentiellen Bewerber, für den umfangreiche Umbaumaßnahmen nötig sind (E-Rolli-Fahrer) oder mit dem die Kommunikation schwierig ist (z.B. völlig gehörlose Person, die nur Gebärdensprache beherrscht), bevorzugt werden.

Viele Grüße
Nina

Huhu!

Erstmal danke für deine Antwort!

[…]sowie - wenn du ihn beim Arbeitgeber angibst - mehr
Urlaub und besseren Kündigungsschutz.

[…](Kann aber von Vorteil sein.)

Warum sollte ein Arbeitgeber mich lieber einstellen, wenn ich mehr Urlaub und besseren Kündigungsschutz habe?
Weil er die Quote erfüllen will?

  • Dass du eine Hörbehinderung hast, fällt wohl beim
    Bewerbungsgespräch auf. Wer hier Vorurteile hat, wird dich
    auch ohne Schwerbehindertenausweis nicht einstellen wollen.

Nein. Ich habe gute Hörgeräte. Längerfristig fällt das evtl. auf, bei einem Bewerbungsgespräch vermutlich nicht, es sei denn, der Chef nuschelt.
Bei einem Praktikum ist das nur aufgefallen, weil ich meine Hörhilfen rausgenommen habe und der Prof die gesehen hat.
Bei meinem derzeitigen Arbeitgeber weiss das niemand, weil es bisher keinen Grund gab, das zu erwähnen.
Probleme kriege ich erst bei Vorlesungsähnlichen Veranstaltungen und großen Räumen, in denen man weit auseinandersitzt, z.B. bei Sitzungen in Hörsäalen.

Ist „Schwerbehindert“ oder „Hochgradig Hörgeschädigt“ nicht einer von den Punkten, bei denen die Mappe nach ganz unten wandert?

Viele Grüße!
Ph.

Hallo Scrabz,

Warum sollte ein Arbeitgeber mich lieber einstellen, wenn ich
mehr Urlaub und besseren Kündigungsschutz habe?
Weil er die Quote erfüllen will?

genau, weil er die Quote erfüllen will.
Und weil ein Mitarbeiter mit „nur“ Hörbehinderung für ihn evl. weniger Probleme macht als ein Mitarbeiter, für den aufgrund seiner Behinderung umgebaut werden müsste oder der evl. aufgrund seiner Behinderung häufiger krankgeschrieben ist.
Je nach Arbeitsgebiet kann es für den Arbeitgeber relativ schwierig sein, die Schwerbehindertenquote zu erfüllen - ist z.B. „normales“ Sehvermögen (zum Ablesen von Messgeräten, aus Sicherheitsgründen etc.), „normale“ psychische und geistige Verfassung und „normale“ Beweglichkeit/ körperliche Belastbarkeit erforderlich, sind schon viele Schwerbehinderte nicht mehr geeignet hierfür.

Nein. Ich habe gute Hörgeräte. Längerfristig fällt das evtl.
auf, bei einem Bewerbungsgespräch vermutlich nicht, es sei
denn, der Chef nuschelt.
Bei einem Praktikum ist das nur aufgefallen, weil ich meine
Hörhilfen rausgenommen habe und der Prof die gesehen hat.

Aha :smile: Das wusste ich natürlich nicht; es gibt ja diverse Arten von Hörgeräten, und der Ausgleich klappt ja auch nicht bei jedem so gut.

Ist „Schwerbehindert“ oder „Hochgradig Hörgeschädigt“ nicht
einer von den Punkten, bei denen die Mappe nach ganz unten
wandert?

Je nach Tätigkeit könnte dies schon der Fall sein - derjenige kennt dich ja nicht, vermutet evl., du könntest nicht gut telefonieren, es wäre Gebärdensprache nötig etc. Das kann natürlich abschreckend wirken.

Wie wäre es aber, wenn du im Bewerbungsschreiben nichts davon schreibst (oder wenn: darauf hinweist, dass du mit Hörgeräten keine Probleme bei der Tätigkeit hast) und erst im Bewerbungsgespräch (in dem dein Gegenüber ja bemerkt, dass du „so wie du vor ihm sitzt“ alles problemlos verstehst) wenn dir dein Gegenüber nicht zu unsympathisch vorkommt davon erzählst?

Das kann sogar einen gewissen Vorteil ergeben: Dein zukünftiger Chef merkt, dass du aufgrund deiner Behinderung nicht weniger leistungsfähig bist, er kann den Schwerbehindertenausweis zuordnen (weiß also, der hat mit deiner Hörschädigung zu tun, und nicht mit meinetwegen x rehabedürftigen Bandscheibenvorfällen), und er kann die Quote ohne großen Aufwand wie Umbauten oder Mitarbeiterschulungen erfüllen. Desweiteren - im Bewerbungsprozess nicht unwichtig - hast du somit eine Eigenschaft, die dich von x anderen Bewerbern unterscheidet, sodass du (und damit auch all das, was du im Bewerbungsgespräch erzählt hast) besser in Erinnerung bleibst.

Ich selbst habe übrigens knapp keinen Schwerbehindertenausweis erhalten (für eine Behinderung wie bei mir wird meist ein GdB von 50 - 70 vergeben, ich habe leider trotz Widerspruch nur einen GdB von 40 erhalten, werde aber vor Ende des Studiums es mit einem Verschlechterungsantrag versuchen). Meine Behinderung ist für Außenstehende nicht erkennbar und beeinträchtigt mich in meinem Beruf nicht.
Ich selbst würde/werde, wenn ich einen Schwerbehindertenausweis habe, vorgehen wie oben beschrieben. Also: Beantragen, hoffen dass es ein GdB 50 wird, Steuerfreibeträge und ermäßigte Eintritte nutzen, den Schwerbehindertenausweis dem Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch gegen Ende nennen (im Bewerbungsschreiben nur, wenn in der Stellenanzeige dieses „Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt…“ steht).

Viele Grüße
Nina

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Hallo Nina!

Vielen Dank für deine Antwort!

Ich dachte, ein Schwerbehindertenausweis wäre quasi wie ein Makel im Lebenslauf, den ich bei einer Bewerbung angeben muss, und der mir dann den Beruflichen Einstieg erschwert.
Dann werde ich wohl mal zum Versorgungsamt gehen.

Vielen Dank und viele Grüße!
Ph.

Hallo Scrabz,

Ich dachte, ein Schwerbehindertenausweis wäre quasi wie ein
Makel im Lebenslauf, den ich bei einer Bewerbung angeben muss,
und der mir dann den Beruflichen Einstieg erschwert.
Dann werde ich wohl mal zum Versorgungsamt gehen.

das habe ich bzw. haben meine Eltern früher auch gedacht, sodass ich erst vor ca. 2 Jahren (mit 24) einen beantragt habe. Mit hätte wohl mit 10 Jahren (und ab dem 14. Lebensjahr erst recht) schon einer zugestanden, war aber wie gesagt meinen Eltern zu heikel. Gerade, da in geeigneten Berufen niemand etwas merkt, ich keine Hilfsmittel benötige.

(Und: Der Schwerbehindertenausweis musste tatsächlich mal angegeben werden; bis wann das galt, weiß ich aber nicht mehr.)

Viele Grüße,
Nina

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Hallo Scrabz,

Dann werde ich wohl mal zum Versorgungsamt gehen.

da musst du nicht mal hingehen - Formulare gibt’s online (musst du dir im Internet raussuchen, da evl. je nach Bundesland unterschiedlich) oder du kannst sie dir nach Anruf beim Versorgungsamt zuschicken lassen. Die Formulare musst du dann nur noch ausfüllen, ggf. ärztliche Unterlagen in Kopie beilegen (steht drauf, ob dies erwünscht ist).

Noch ein Tipp:
Es schadet nichts, vorher nochmal mit untersuchenden/ behandelnden Ärzten zu sprechen, damit du denen genau deine Einschränkungen im Alltag schildern kannst. Denn die Informationen über deinen Gesundheitszustand holt sich das Versorgungsamt dann bei den Ärzten.
Vom Versorgungsamt kann man aber - logischerweise - nicht erwarten, dass die dortigen Leute sich mit allen Formen von Behinderung genau auskennen. Wäre „blöd“, wenn in deren Unterlagen meinetwegen nur steht „Scrabz kommt mit seinen Hörhilfen sehr gut zurecht“ und dies interpretiert hat „er hat keine Einschränkungen“. Da sollte unbedingt drin stehen, was dich von einem Normalhörenden unterscheidet, auch Beschreibung von Situationen in denen du eingeschränkt bist und wie es dir dabei ergeht (kannst nicht zu Vorträgen, ins Kino etc., bist dadurch mehr oder weniger bei „alterstypischen“ Dingen beeinträchtigt - was eben auf dich zutrifft).

(Erging mir so: In meinen Unterlagen stand, dass meine körperliche Verfassung „sehr gut“ und das OP-Ergebnis „ausgezeichnet“ sei… Dass damit eine _für diese Erkrankung_ noch sehr gute Verfassung und eine komplikationslose OP, die aber aufgrund ihrer Art bleibende Bewegungseinschränkungen bedeutet, hat das Versorgungsamt da nicht recht rauslesen können. Somit kam ich zu den 40 statt zu erwartenden 50 - 70, die Patienten mit exakt gleicher Einschränkung, aber mit einem ärztlichen Schreiben, das die Einschränkungen genau schilderte, erhielten.)

Viele Grüße,
Nina

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Hallo,

denke dran - einmal schwerbehindert, immer schwerbehindert. Es sei denn, Du kannst beweisen, dass die Behinderung nicht mehr vorliegt. Selbst der Verzicht auf den Schwerbehindertenausweis (Rückgabe des Ausweises) führt nicht zum Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft !

Gruss

Andreas

Hallo Nochmal!

Vielen, vielen Dank für deine ausführlichen Antworten!

Eine Frage bleibt mir noch übrig:
Gilt meine Beeinträchtigung ohne oder mit Hörgeräten?

D.h. wird mein GdB unter der Annahme errechnet, ich trage meine Hörgeräte den ganzen Tag, oder unter der Annahme, ich hätte keine Hörgeräte?

Immerhin bin ich nur wegen meiner Hörgeräte kostspieligerweise weiterhin privatversichert geblieben, und habe mich unlängst verschuldet, um einigermaßen angemessene zu finanzieren.
Dank dieser Hörgeräte bin ich tatsächlich im Alltag kaum beeinträchtigt, das wäre aber anders, wenn ich nur den Satz der gesetzlichen KK zur Verfügung gehabt hätte.

(Der Unterschied zwischen privat und gesetzlich ist in dem Fall ein Faktor 4-5 was die Übername angeht. An Qualität der Hörgeräte auch.)

Viele Grüße!
Ph.

Hallo Scrabz,

Eine Frage bleibt mir noch übrig:
Gilt meine Beeinträchtigung ohne oder mit Hörgeräten?

ich kenne mich zwar mit GdBs bei Hörbehinderung nicht aus, aber logischerweise müsste der GdB mit Hörgeräten berechnet werden.
GdBs werden, soviel ich weiß, immer mit den verwendeten Hilfsmitteln berechnet. (Salopp gesagt: Jemand, der nur mit Krücken gehen kann, und ansonsten Rollstuhl fahren würde, bzw. ohne Rollstuhl nur sitzen und liegen könnte, bekommt natürlich einen geringeren GdB als jemand, der selbst unter Zuverfügungstellung von Krücken nicht laufen könnte.)

Immerhin bin ich nur wegen meiner Hörgeräte kostspieligerweise
weiterhin privatversichert geblieben, und habe mich unlängst
verschuldet, um einigermaßen angemessene zu finanzieren.
Dank dieser Hörgeräte bin ich tatsächlich im Alltag kaum
beeinträchtigt, das wäre aber anders, wenn ich nur den Satz
der gesetzlichen KK zur Verfügung gehabt hätte.

Auch wenn die „gefühlte“ Beeinträchtigung gering ist, da du gute Hörgeräte trägst und an das Tragen von Hörgeräten gewöhnt bist, hast du trotzdem eine Behinderung:
Im bundesdeutschen Recht wird die Behinderung im Sozialgesetzbuch IX (dort: § 2 Abs. 1), so definiert: „Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“
Und dass es bei dir _nötig_ ist, dass du Hörgeräte trägst, (und dass auch diese nicht „perfekt“ sind - du schriebst von Problemen in Hörsälen o.ä.; ich kann mir auch vorstellen, dass du sie beim Duschen, Baden und Schwimmen herausnehmen musst und dann nunmal fast nichts hörst, du wahrscheinlich keine normalen Kopfhörer verwenden kannst, nicht alle Berufe geeignet wären bzw. manche gar nicht erlaubt wären etc.), ist eben eine solche Abweichung vom „für das Lebensalter typischen Zustand“.

Soll heißen: Deine Beeinträchtigung ist nicht primär, dass du schlecht hörst, sondern, dass du nur mit Hörgeräten und dann auch nur fast normal hören kannst _und_ eben gewisse Nachteile aufgrund des Verwendens von Hörgeräten hast.

Viele Grüße,
Nina

Hallo!

Danke für die Infos!

Schwimmen gehen kann ich tatsächlich nicht Hörenderweise, normale Kopfhörer auch nur mit Mühe nutzen, bzw. bei der Benutzung von Kopfhöhrern bin ich tatsächlich komplett taub, und muß dann mühsam meine Geräte wieder reinfummeln, wenn jemand was von mir will.

Allerdings, wenn ich die Richtlinien (http://www.bmas.de/portal/30626/property=pdf/versorg…, S. 33f) richtig interpretiere, sind die relevanten Zahlen das Sprachverständniss bei 60, 80 und 100 dB.

Diese Tests wurden mit alten und neuen Hörgeräten gemacht, ebenso ohne Hörgeräte.

Ohne Hörgeräte liegt das bei 0% bei 60 dB(unterhalb der Hörschwelle), ungefähr 30% bei 80 dB und 90% bei 100 dB(oder in der Drehe).
Mit Hörgeräten ungefähr bei 80% bei 60 dB und ich schätze 95-100% bei 80/100 dB.

Das ich bei Schwimmen, duschen und schlafen nix höre und teure Kopfhörer kaufen muss, interessiert das Amt erstmal nicht, wenn ich nicht völlig falsch liege.

Ebenso, das ich die Geräte, die ich habe, mit erheblicher finanzieller Belastung erworben habe, und mit schlechteren bei weitem nicht vergleichbar sind.

(Was bedeutet, das ich vermutlich einen höheren GdB bekommen würde, wenn ich keinen Kredit aufgenommen hätte, um bessere Hörgeräte zu finanzieren.)

Naja, ich kann ja mal Kontakt aufnehmen.

Viele Grüße!
Ph.