Hierzu muss man weiter ausholen um die Bedeutung dieses Liedes für Öcher oder das Rheinland allgemein zu verstehen. Dazu folgendes Zitat:
Die Revolution von 1848 und „et Öcher Wißquaaß-Ledche“
Nachdem im Frühjahr 1848 in Frankreich
die Revolution ausgebrochen war,
zogen die preußischen Behörden aus
Sorge vor Übergriffen ihre Truppen
zusammen, um die Westgrenze zu
verstärken. Zu den preußischen
Soldaten, die in Aachen einquartiert
wurden, gehörten
auch die Reservisten des 34.
Regiments aus der Provinz
Preußen. Sie trafen am 14. April
ein und erregten sofort den
Unmut der Bevölkerung.
Es ging das Gerücht, dass sie „grobe Unsittlichkeiten gegen das weibliche
Geschlecht und Mißhandlungen an Bürgern verübt, denselben
die deutsche Kokarde von den Hüten gerissen,[…] zu Boden geworfen
und mit Füßen getreten hätten.“ (Althammer, Beate, Herrschaft,
Fürsorge, Protest. Bonn 2002, S. 317.) Dieses angebliche schlechte
Verhalten löste große Empörung in der Bevölkerung aus und es kam
zu tätlichen Angriffen auf die Soldaten.
„De wisse Kogel“ (die weiße Kugel), von Beruf Packknecht, zeichnete
sich in dieser aufgeheizten Stimmung dadurch aus, dass er einem Soldaten
des 34. Regiments den Säbel abnahm und damit um das Kölntor
„flankieret“, also herumstolzierte. ‚Kogel’, der für seine Kraft und seinen
Mut bekannt war, ging sicherlich keiner Auseinandersetzung aus dem
Weg. Wenn seine Frau ihn besänftigen wollte, rief er: „Kom hej, Oas, da
rasier ich dich der Kopp av!“ (Oecher Jampetaatsche us de 1840er Johre.
Verzaald van der J. D. 1. Männchere. Die Zitate in Öcher Platt erfolgen in
der Schreibweise des jeweiligen Verfassers.)
De wisse Kogel war auch mit dabei, als „Oecher Jonge“ dem preußischen
Tambour-Major Lange vom 34. Regiment an der Hotmannspief
den mit weißen Quasten verzierten Tambour-Stab gewaltsam abnahmen.
Den Stab vorantragend, zogen sie anschließend durch die Aachener
Kneipen und sollen dort sogar Schnaps und Bier erpresst haben.
Selbst die Bürgerwehr konnte sie nicht aufhalten.
Der 1815 in Aachen geborene Jupp Specks, genannt „der Aue“, hat
die damaligen Ereignisse miterlebt und im „Öcher Wißquaiss-Ledche“,
von dem hier einige Verse wiedergegeben werden, verewigt:
Et kohm’ne Tambour Major gegange,
Deh hot an der Steck zwei Wissquaiss hange;
Juchhairassa valderidera,
Van der Lange singe Steck met de Wissquaiss drah.
Wie dat die Oecher Jonges sahge,
Hiert ens hei, wat die duh dohge,
Juchhairassa valderidera, […].
Se nohmen höm, wor dat wahl brahf,
Der Steck metsammt de Wissquaiss ahf.
Juchhairassa valderidera, […].
Nu pullede se methöm dörch gen Sief,
Än dat ess gescheht an gen Hotmanns Pief.
Juchhairassa valderidera, […].
Und nun für alle Nicht-Aachener:
Es kam ein Tambourmajor gegangen,
hatte am Stock zwei Tüncherquaste hängen,
Juchhairassa valderidera,
Von des Langen Stock mit den Tüncherquasten dran.
Wie das die Aachener Jungens sahen,
hört einmal her, was die nun taten,
Juchhairassa valderidera, […].
Sie nahmen ihm, war das wohl brav,
den Stock mit samt den Tüncherquasten ab.
Juchhairassa valderidera, […].
Nun kugelten sie mit ihm durch die Sief (Gosse)
Und das war geschehen an der Hotmannspief.
Juchhairassa valderidera, […].
Der Kehrreim „van der Lange singe Steck mit de
Wissquaiss drah“ wird noch heute gesungen, wenn
auch in veränderter Form: „Heierassassa, valderallala,
stecken än Jewehre mit der Wißquaaß dra!“ Im
Laufe der Zeit kam dann noch eine Strophe hinzu,
die sicherlich als Aachener Nationalhymne bezeichnet
werden kann:
„Vür sönd allemoele Öcher Jonge,
Weä jet welt, deä kann jo komme.
Heierassassa, valderallala,
Stecken än Jewehre mit der Wißquaaß dra! […].“
Ohne es zu ahnen, hat Jupp Specks mit seiner Prophezeiung
„Et Wissquaiss-Ledche net vergeht, su
lang als Kaiser Karls Oche steht“ in gewisser Weise
wohl doch Recht behalten.
http://www.senio-magazin.info/Pdf/11Ausgabe.pdf (Seite 27 )