Hallo!
was versteht ihr unter „öffentliche Beweibwürdigung“? Kann jemand mir diesen Ausdruck erläutern? Es fällt mir schwer, etwas darunter vorzustellen.
Danke sehr
Hallo!
was versteht ihr unter „öffentliche Beweibwürdigung“? Kann jemand mir diesen Ausdruck erläutern? Es fällt mir schwer, etwas darunter vorzustellen.
Danke sehr
Hallo,
vielleicht hilft diese offizielle Definition (was „öffentlich“ bedeutet, dürfte ja klar sein):
Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.
(https://dejure.org/gesetze/ZPO/286.html)
Wie lautet denn der Kontext?
Gruß
Kreszenz
Das ist ja aber frappierend. Die Richterin/der Richter enscheidet, ob etwas wahr ist oder nicht. Das soll dann Beweiswürdigung sein, wenn sie/er das für wahr hält. Er würdigt sozusagen die Richtigkeit des Beweises.
Grüße
Das Gericht → 1. b) entscheidet - und zwar nicht ‚aus dem hohlen Bauch‘, sondern unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme.
Der Richter bewertet die Aussagen und die vorgelegten Information dahingehend, ob sie „würdig“ sind, als Beweis zu dienen.
Oft widersprechen sich Aussagen, Gutachten oder Indizien. Daher muss jemand diese Informationen bewerten; dies ist die Aufgabe der Richter.
Hier muss man zwei Dinge voneinander trennen:
Der Begriff „Beweiswürdigung“. Das ist ein juristischer Fachbegriff und beschreibt den Vorgang der Würdigung der Aussagekraft und des Inhalts der bei Gericht in einem Verfahren vorgelegten Beweise. Und ja, das ist Aufgabe des Richters/der Kammer, und zwar nicht in dem Sinne festzustellen, ob etwas „objektiv wahr ist“, sondern in dem Sinne, dass keine berechtigten Zweifel daran bestehen, dass sich aus der Gesamtschau der vorgelegten Beweise ein bestimmtes Geschehen so darstellt, dass es für ein Urteil mit einem bestimmten Inhalt reicht. D.h. wenn ein Auto einen Fußgänger angefahren hat und der Fahrer und seine Ehefrau als Beifahrerin aussagen, dass der Fußgänger so plötzlich und eng vor das Fahrzeug gesprungen sei, dass es trotz defensiver und eher langsamer Fahrweise keine Reaktionsmöglichkeit mehr gegeben habe, den Unfall zu vermeiden, ist das eine Darstellung eines Sachverhaltes. Wenn aber drei unbeteiligte Dritte als Zeugen aussagen, dass das Fahrzeug mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf den schon mitten auf einem Fußgängerüberweg befindlichen Fußgänger zugefahren sei und trotz Vollbremsung diesen dann noch überfahren habe, und ein Gutachter sowohl die Bremsspuren nachweisen als auch die ursprüngliche Geschwindigkeit zurückrechnen konnte, dann ist das eben eine andere Darstellung. Und um jetzt zu einem Urteil in der Sache zu kommen, muss der Richter eben würdigen, was er jetzt an Aussagen, Gutachten, … so vorliegen hat, und wird in diesem Fall vermutlich zu dem Ergebnis kommen, dass die Aussage des Fahrers wohl nur eine Schutzbehauptung ist, die Ehefrau ihren Mann offenbar schützen will, hingegen die drei anderen unbeteiligten Zeugen hier keinen Grund haben, nicht objektiv auszusagen, in ihren Aussagen übereinstimmen, und ihre Aussagen auch noch durch das Sachverständigen Gutachten gestützt werden, welches für sich als schon rein objektiv und naturwissenschaftlich einen hohen Beweiswert hat, und den Autofahrer verurteilen.
Der Begriff der „öffentlichen Beweiswürdigung“ ist eine Erweiterung des juristischen Begriffs der Beweiswürdigung dahingehend, dass es in vielen öffentlichkeitswirksamen Fällen schon weit vor der Beweiswürdigung durch das Gericht zu einer Medienschlacht kommt, in der einzelne Beweismittel in die Öffentlichkeit getragen werden, und dann von dieser natürlich auch bewertet werden. Aber diese Bewertung hat natürlich keine unmittelbare Wirkung im und auf das gerichtliche Verfahren, weil das Gericht natürlich nicht darauf hört, dass Nadja - als juristische Laie - dem Autofahrer glaubt, der zufällig ein bekannter Sänger und ihr großer Schwarm ist Aber in der Summe kann eine solche mediengelenkte „öffentliche Beweiswirkung“ natürlich indirekt schon auch auf Richter und insbesondere auch Schöffen wirken, denn die lesen natürlich auch alle Zeitung und schauen Fernsehen. Und das ist eine durchaus bedenkliche Entwicklung, wenn man sich dann ansieht, wie in den Medien dann eben auch Richter und Schöffen angegangen werden, wenn diese nicht dem „gesunden Volksempfinden“ (Vorsicht: Das ist ein Begriff aus der Nazi-Zeit) entsprechend urteilen, weil die eben nicht als Laien urteilen, und weil die eben ggf. zig Ordner mit Beweismitteln ausgewertet haben, und nicht nur die Aussage des bekannten Sängers mit dem treuen Hundeblick bewertet haben.
Ich wusste, dass du etwas über dieses Thema schreiben würdest. Danke