Ein sehr ambitioniertes Projekt! Wenn, wie du sagst, Anwälte weniger wissen, als man gemeinhin so glaubt, und du gleichzeitig meinst, du könnest es mit ein wenig Autodidaktik selbst zumindest ebenso gut, dann muss man sich um dein Selbstbewusstsein wohl nicht sorgen. Wenn ein Jurist fünf Jahre studiert und zwei Jahre einen sehr praxisnahen Vorbereitungsdienst absolviert hat, dann wird er wohl mehr können und wissen als jemand, der in seiner Freizeit ein wenig in Büchern liest und bestenfalls meint, er würde das dort Gesagte verstehen. Bist du dir eigentlich darüber klar, wie unfassbar kompliziert und schwierig Recht sein kann?
Es ist zudem nicht möglich, sein Recht stets ohne Anwalt durchzusetzen, jedenfalls nicht, wenn und soweit Anwaltszwang besteht. Eine Klage mit einem Gegenstandswert von 5.500,00 Euro z.B. kannst du ohne Anwalt gar nicht erheben. Auch sonst kann man nur dringend davon abraten, auf anwaltliche Hilfe zu verzichten. Wie reagierst du denn, wenn die Gegenseite vor Gericht plötzlich die Hauptsache für erledigt erklärt? Was, glaubst du, heißt das, und welche Reaktionsmöglichkeiten bestehen? Dein Plan ist der Plan eines Himmelfahrtkommandos. Ich habe weiter unten gesehen, dass du es für „Mitläufertum“ hältst, wenn man vom Anwaltszwang ausgeht. Das kann ich nicht nachvollziehen. Selbst wenn auch die Gerichte „Mitläufer“ wären, würde sich nichts daran ändern, dass der vor dem Landgericht nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger oder Beklagte nicht postulationsfähig ist. Das steht nicht nur im Gesetz, sondern das wird von den Gerichten auch so gehandhabt. Wenn du meinst, es besser zu wissen, wäre es schön, wenn du uns an deinen Erkenntnissen teilhaben lassen würdest. Vermutlich handelt es sich um einen Irrtum oder einen Sonderfall (z.B. im WEG-Recht), den du zu Unrecht verallgemeinerst.
Im Grunde kann man auf deine Frage keine Antwort in dem Sinne geben, wie du sie dir wünscht. Dein Plan ist zum Scheitern verurteilt. Allgemein könnte man aber vielleicht folgende Reihenfolge andenken:
Es beginnt mit einigen Grundlagenfächern wie Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie. Diese Kenntnisse sind in der Rechtsdogmatik oft nicht unmittelbar verwertbar, fördern aber zu meiner Überzeugung das Verständnis derselben.
Dann juristische Methodenlehre u.ä.: (Gesetzes-)Auslegung, juristische Logik, juristisches Argumentieren usw.
Dann materielles Recht: Verfassungsrecht, Staatsorganisationsrecht, allgemeine Verwaltungsrecht, besonderes Verwaltungsrecht (z.B. Polizei- und Ordnungsrecht, öffentliches Baurecht, Kommunalrecht), BGB-AT, Schuldrecht, Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, allgemeine Strafrecht, besonderes Strafrecht usw. Insoweit ist eine Reihenfolge nicht allgemein sinnvoll festzulegen. Alles ist miteinander verzahnt, man muss, egal wo man beginnt, immer akzeptieren, auch mit Fragen anderer Rechtsgebiete konfrontiert zu werden, die man noch gar nicht kennt. Beispiel: Die Frage der Fremdheit einer Sache ist relevant für Diebstahl im Strafrecht (§ 242 StGB), selbst aber eine zivilrechtliche Angelegenheit (mit strafrechtlicher Besonderheit, der sog. Parallelwertung in der Laiensphäre). Und wo wir gerade beim Diebstahl sind: Ich kenne Juristen, von denen ich nicht sicher sagen könnte, dass sie mit den Einzelheiten des Diebstahl-Paragrafen vertraut sind. Und da meinst du, du kannst das alles besser, auch ohne universitäte Ausbildung und Praxiserfahrung im Vorbereitungsdienst?
Dann Prozessrechte: Verfassungsprozessrecht, Strafprozessrecht, Zivilprozessrecht inkl. Zwangsvollstreckung, Insolvenzrecht (als besonderes Vollstreckungsverfahren), Verwaltungsprozessrecht.
Literatur:
- Gesetzestexte (dazu sogleich mehr)
- Lehrbücher oder Skripte (Alpmann/Schmidt, Hemmer u.a.)
- Kommentare (Palandt, Fischer u.v.m.)
- Fachzeitschriften (JuS, JA, NJW u.a.)
- Juristische Datenbanken (insbesondere Juris, Beck online)
- ggf. Internet (Lehrstuhl-Material)
Zu den Gesetzestexten folgender Hinweis, weil du weiter unten etwas Falsches dazu geschrieben hast: Die berühmten roten Würfel sind in der Anschaffung nicht übermäßig teuer. Die Ergänzungslieferungen sind aber sehr, sehr, sehr teuer, und es ist sehr aufwendig, sie einzusortieren. Meine erste Amtshandlung nach dem Assessorexamen war es daher, mich von diesen Dingern zu verabschieden. Für das Examen waren sie wichtig, aber ansonsten sind die Teile schrecklich. Ich empfehle dir daher, dir Schönfelder & Co gelegentlich ganz neu zu kaufen oder gleich auf die viel handlicheren Nomos-Texte zurückzugreifen.